Frage an das Gehirn

Warum kann ich mir vertraute Gesichter kaum vorstellen?

Fragesteller/in: Peter Schlegel via Mail

Veröffentlicht: 22.11.2014

Ist das nur bei mir so oder bei allen Menschen?: Ich habe zwar keinerlei Probleme damit, Gesichter wiederzuerkennen. Ich kann aber Erinnerungen an Gesichter, die ich extrem gut kennen müsste wie etwa das Gesicht meiner Schwester, nicht genau in mir wachrufen.

Die Antwort der Redaktion lautet:

Antwort von Dr. Jürgen M. Kaufmann, Friedrich-​Schiller-​Universität Jena, Institut für Psychologie und DFG Forschergruppe Wahrnehmung von Personen:

Grundsätzlich geht man schon davon aus, dass jemand, der Gesichter gut wiedererkennt, auch in der Lage ist, sie sich besser ins Gedächtnis zu rufen, als jemand, der sich mit dem Wiedererkennen schwertut. Allerdings kennen wir keine messbaren Größen, um das objektiv zu beurteilen. Vielmehr sind wir als Wissenschaftler auf subjektive Aussagen von Versuchspersonen angewiesen. Tatsächlich ist die Selbsteinschätzung bei der Gesichtserkennung häufig falsch. Möglicherweise schlägt sich daher jemand, der behauptet, sich ein Gesicht sehr gut ins Gedächtnis rufen zu können, nicht besser als eine andere Person, die angibt, dass sie Schwierigkeiten damit hat.

Zudem ist es grundsätzlich einfacher, einen Reiz zu beurteilen, zu dem konkreter Input vorliegt. Das lässt sich ganz einfach am Beispiel von Fremdsprachen nachvollziehen: Den meisten fällt es viel leichter, eine Fremdsprache zu verstehen, als selbst auf die richtigen Vokabeln zu kommen. Entsprechend gelingt es uns besser ein Gesicht auf einem Foto oder in der Realität wiederzuerkennen, als das Bild im Geiste abzurufen.

Ein weiterer wichtiger Punkt: Beim Erkennen von Gesichtern und beim Abrufen der Information vor dem geistigen Auge kommen verschiedene visuelle Unterscheidungsmerkmale zum Tragen. Für das Erinnern greifen wir gerne auf Eigenschaften zurück, die sich gut mit Worten beschreiben lassen: eine spitze Nase etwa, ein großer Mund oder eng zusammenstehende Augen. Solche Merkmale beschreiben Aspekte der Gesichtsform.

Das Wiedererkennen stützt sich dagegen stark auf Eigenschaften, die sich nicht mit Worten ausdrücken lassen: Wie wird das Licht auf dem Gesicht des Gegenübers reflektiert? Wie ist die Verteilung von Licht und Schattenwurf? Welche Hauteigenschaften hat das Gesicht? Welche Farbtöné und Farbverläufe? Dafür sprechen sowohl die Arbeiten unseres Teams in Jena aus den letzten Jahren, als auch die Ergebnisse von Kollegen.

Da sich solche Eigenschaften in Worten nur schlecht oder gar nicht ausdrücken lassen, liegt es nahe, dass sie beim reinen Erinnern weniger zum Tragen kommen. Das kann dann ebenfalls dazu führen, dass subjektiv der Eindruck entsteht, man könne sich Gesichter schlecht ins Gedächtnis rufen. Für das Gesamtbild fehlt ja ein ganzer Teil der Informationen.

Umgekehrt ist es für das Wiedererkennen sogar von Nachteil, wenn sich Probanden zu stark auf Eigenschaften konzentrieren, die man in Worte fassen kann. In einigen Studien erkannten Versuchspersonen, die ein Gesicht beschreiben sollten, dieses später schlechter wieder, als solche Gesichter, zu denen sie nichts gesagt hatten. Vermutlich drängt das Verbalisieren die anderen Eigenschaften, die sich nicht in Worte fassen lassen, in den Hintergrund. Man spricht hier vom verbalen Überschattungseffekt.

Antwort aufgezeichnet von Stefanie Reinberger

Links:

Website der Uni Jena, Dr. Jürgen M. Kaufmann

Wahrnehmung

Wahrnehmung/Perceptio/perception

Der Begriff beschreibt den komplexen Prozess der Informationsgewinnung und –verarbeitung von Reizen aus der Umwelt sowie von inneren Zuständen eines Lebewesens. Das Gehirn kombiniert die Informationen, die teils bewusst und teils unbewusst wahrgenommen werden, zu einem subjektiv sinnvollen Gesamteindruck. Wenn die Daten, die es von den Sinnesorganen erhält, hierfür nicht ausreichen, ergänzt es diese mit Erfahrungswerten. Dies kann zu Fehlinterpretationen führen und erklärt, warum wir optischen Täuschungen erliegen oder auf Zaubertricks hereinfallen.

Gedächtnis

Gedächtnis/-/memory

Gedächtnis ist ein Oberbegriff für alle Arten von Informationsspeicherung im Organismus. Dazu gehören neben dem reinen Behalten auch die Aufnahme der Information, deren Ordnung und der Abruf.

Auge

Augapfel/Bulbus oculi/eye bulb

Das Auge ist das Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Lichtreizen – von elektromagnetischer Strahlung eines bestimmten Frequenzbereiches. Das für den Menschen sichtbare Licht liegt im Bereich zwischen 380 und 780 Nanometer.

Nase

Nase/Nasus/nose

Das Riechorgan von Wirbeltieren. In der Nasenhöhle wird die Luft durch Flimmerhärchen gereinigt, im oberen Bereich liegt das Riechepithel, mit dem Gerüche aufgenommen werden.

Auge

Augapfel/Bulbus oculi/eye bulb

Das Auge ist das Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Lichtreizen – von elektromagnetischer Strahlung eines bestimmten Frequenzbereiches. Das für den Menschen sichtbare Licht liegt im Bereich zwischen 380 und 780 Nanometer.

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