Frage an das Gehirn

Was sind die Langzeitfolgen von Ritalin?

Fragesteller/in: Detlef Breitenbach über Twitter

Veröffentlicht: 30.08.2014

In den letzten Jahrzehnten ist die Verschreibung von Ritalin in der Behandlung der Aufmerksamkeitsdefizit-​Hyperaktivitätsstörung (ADHS) kontinuierlich angestiegen. Doch was sind die Langzeitfolgen des Medikaments?

Die Antwort der Redaktion lautet:

Antwort von Kerstin Konrad, Professorin für Klinische Neuropsychologie des Kindes– und Jugendalters der RWTH Aachen:

Das ist ein relativ komplexes Thema und beschäftigt die Wissenschaft gerade sehr. Denn es gibt bislang in diesem Bereich noch relativ wenig belastbare Daten und teilweise sind Studienergebnisse widersprüchlich. Schwierig wird es schon bei der Frage, was mit „Langzeit“ überhaupt gemeint ist. In Übereinstimmung mit einer vorgeschlagenen Definition der Europäischen Kommission beziehen sich meine Aussagen zu „Langzeitfolgen“ auf eine Behandlung von mehr als einem Jahr.

Das unter dem Handelsnamen Ritalin bekannte Methylphenidat gehört zu den Stimulanzien, also zu Medikamenten mit stimulierender Wirkung. 2009 kam ein Komitee der Europäischen Kommission zu dem Schluss, dass Stimulanzien im Allgemeinen und Methylphenidat im Besonderen insgesamt vermutlich sicher sind: Sie haben also eine gute Wirksamkeit, und schwerwiegende Nebenwirkungen sind sehr selten. Das Komitee forderte aber noch mehr Langzeitdaten.

Ein internationales Forschungskonsortium der Europäischen Union (ADDUCE), an dem auch ich beteiligt bin, untersucht daher gerade die Langzeitauswirkungen von Methylphenidat auf Wachstum, Pubertätsentwicklung und auf das Herz-​Kreislauf-​System. Außerdem schauen wir uns neurologische, kognitive und psychiatrische Nebenwirkungen an. Was weiß man nun bislang über etwaige Langzeitfolgen?

Blutdruck: Bereits bekannt ist, dass Methylphenidat ein klein wenig den Blutdruck erhöht und die Herzrate um ungefähr zwei Schläge pro Minute beschleunigt. Das klingt zunächst einmal nicht viel und scheint auf den ersten Blick unproblematisch. Allerdings wissen wir noch nicht, ob dies Langzeitfolgen hat, gerade bei denjenigen, die etwa mit Bluthochdruck vorbelastet sind. Eine Folge könnte ein behandlungsbedürftiger Bluthochdruck sein.

Schlafstörungen: Schlafstörungen liegen bei aufputschenden Stimulanzien wie Methylphenidat auf der Hand. Dabei haben Betroffene mit ADHS sowieso schon mit Schlafproblemen zu kämpfen. Es gibt aber sowohl Befunde, denen zufolge sich der Schlaf bei Betroffenen durch die Medikation langfristig verbessert, als auch Befunde, dass er sich verschlechtert.

Drogenmissbrauch: Ein in der Öffentlichkeit viel diskutiertes Thema ist, ob die medikamentöse Behandlung von ADHS das Risiko eines Substanzmittelmissbrauchs erhöht. Nach der jetzigen Datenlage würde ich aber eher sagen, dass Methylphenidat hier keinen Einfluss hat.

Wachstum: Eine große amerikanische Studie legte zunächst nahe, dass Stimulanzien wie Methylphenidat das Wachstum von Kindern bremsen. Möglicherweise weil diese Stoffe häufig einen Appetitmangel verursachen, die Kinder in der Folge weniger essen und daher das Wachstum gebremst wird. Mittlerweile scheint es aber, dass das reduzierte Wachstum bis zum Erwachsenenalter wieder ausgeglichen werden kann. Vor allem bei Vorschulkindern muss man hier dennoch das Wachstum kontrollieren und eventuell die Behandlung mit Medikamenten vorübergehend aussetzen.

Gehirn: Was die Langzeitveränderungen im Gehirn angeht, gibt es fast keine Daten aus Studien mit Menschen, sondern nur von Tierversuchen. Offenbar führen aber Stimulanzien wie Methylphenidat eher zu einer Normalisierung sowohl von Hirnaktivierungen als auch der Hirnstruktur. Manche Patienten berichten auch von persönlichkeitsverändernden Auswirkungen: Wenn sie das Medikament nicht nehmen, hätten sie gar keinen Antrieb, keine Motivation mehr. Das wirft natürlich die Frage auf, ob man durch die pharmakologische Behandlung das Belohnungs– und Antriebssystem des Menschen langfristig verändert. Das trifft aber offensichtlich eher auf Einzelfälle zu. Allerdings muss man solche Patienten natürlich im Auge behalten.

Antwort aufgezeichnet von Christian Wolf

Schlafstörungen

Schlafstörung/-/sleep disorder

Ein Sammelbegriff für verschiedene Phänomene, die sich dadurch auszeichnen, dass die Betroffenen keinen erholsamen Schlaf haben. Hierzu können sowohl psychische als auch organische Ursachen beitragen. Die Symptome reichen von Problemen beim Einschlafen und Durchschlafen bis hin zu unerwünschten Verhaltensweisen im Schlaf wie etwa Schlafwandeln, ruhelose Beine beim Einschlafen („restless legs“), Atemaussetzer im Schlaf („Schlafapnoe“) etc. Schätzungen zufolge leiden in den westlichen Ländern bis zu 30 Prozent aller Erwachsenen an irgendeiner Form von Schlafstörung. Die Suche nach den Ursachen ist häufig kompliziert, eine Analyse im Schlaflabor die beste Untersuchungsmethode.

Motivation

Motivation/-/motivation

Ein Motiv ist ein Beweggrund. Wird dieser wirksam, spürt das Lebewesen Motivation – es strebt danach, sein Bedürfnis zu befriedigen. Zum Beispiel nach Nahrung, Schutz oder Fortpflanzung.

Auge

Augapfel/Bulbus oculi/eye bulb

Das Auge ist das Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Lichtreizen – von elektromagnetischer Strahlung eines bestimmten Frequenzbereiches. Das für den Menschen sichtbare Licht liegt im Bereich zwischen 380 und 780 Nanometer.

Lizenzbestimmungen

Keine Nutzungslizenz vergeben:
Nur anschauen erlaubt.