Question to the brain

Ist Schlafwandeln eine Krankheit?

Questioner: ein Schüler

Published: 30.07.2016

Ist Schlafwandeln eine Krankheit? Und was passiert dabei im Gehirn?

The editor's reply is:

Anna Heidbreder, Funktionsoberärztin im Bereich Schlafmedizin am Universitätsklinikum Münster: Sie stehen mitten in der Nacht auf, ziehen sich an, kochen oder fahren sogar Auto – und wissen am nächsten Morgen nichts mehr von alldem. Schlafwandler lassen sich meist nicht aufwecken, sind nicht reaktionsfähig und nehmen auch körperliche Reize weniger wahr. Das heißt, das Risiko von Verletzungen steigt: Sie verbrennen sich zum Beispiel leichter und spüren auch Kälte weniger.

Neben dem typischen Herumlaufen in der Nacht gibt es zwei weitere Formen der so genannten Non-​REM-​Parasomnien, also Unterbrechungen des Tiefschlafs durch ungewöhnliche Verhaltensweisen: Plötzliches Aufwachen mit Herzrasen, häufig begleitet von einem Schrei – der sogenannte Nachtschreck – sowie verwirrtes Erwachen. Bei letzterem erwachen die Betroffenen nicht vollständig, setzen sich aber im Bett auf oder schauen sich desorientiert um. Im Gegensatz zu Schlafwandlern verlassen sie das Bett aber nicht. Alle drei Verhaltensweisen finden in den Non-​REM-​Phasen des Schlafs statt, zu denen auch der Tiefschlaf gehört. In den REM-​Phasen, von denen man früher dachte, dass allein dort Traum erlebt wird, sind die Muskeln völlig erschlafft und die Augen bewegen sich schnell hinter den geschlossenen Liedern – daher kommt auch der Name Rapid Eye Movement-​Schlaf (REM-​Schlaf).

Doch warum schlafwandeln manche Menschen und andere nicht? Dazu gibt es unterschiedliche Erklärungsansätze. Schlafwandeln und andere Non-​REM-​Parasomnien entstehen vermutlich, wenn das Gehirn nur teilweise aus dem Tiefschlaf erwacht. Zumindest konnte bei Studien mit tiefen Hirnelektroden nachgewiesen werden, dass bei Schlafwandlern nur Teile des Gehirns eine Aktivität wie im Wachzustand zeigen, während andere das klassische Schlaf-​EEG aufweisen. Bei Schlafwandlern sind vermutlich die Areale, die für Bewegung zuständig sind, aktiv – und andere, die etwa Erinnerungen speichern oder bei Interaktion mit anderen Menschen eine Rolle spielen, weiterschlafen. So lässt sich auch erklären, warum Schlafwandler herumlaufen, aber nicht ansprechbar sind und sich nicht an ihre nächtlichen Aktivitäten erinnern. Außerdem wird vermutet, dass der Tiefschlaf bei Schlafwandlern weniger stabil ist und sie in dieser Phase eher auf Reize reagieren – auch auf solche des eigenen Körpers. Man spricht dabei von einer Dysregulation des Tiefschlafs. Ein weiterer Erklärungsansatz sind Arousal-​Störungen: Das heißt, Außenreize führen schneller zu einer Weckreaktion oder regen die Schlafenden eher zu einer Handlung an.

Zur Untersuchung der Non-​REM-​Parasomnie dient die Polysomnographie. Durch das dabei abgeleitete EEG kann man die beobachteten Aktivitäten während des Schlafes einem Schlafstadium zuordnen. Jedes Schlafstadium hat ein ganz bestimmtes Muster im EEG. Zusätzlich wird der Schlafende per Video und Tonaufnahme aufgezeichnet. Im Abgleich mit den gespeicherten EEG-​Daten kann man später feststellen, ob der Patient sich während seines nächtlichen Verhaltens im Tiefschlaf befand, also an einer Non-​REM-​Parasomnie leidet.

Kinder erleben übrigens viel häufiger Non-​REM-​Parasomnien als Erwachsene. Warum das so ist, konnte noch nicht endgültig geklärt werden. Da das Schlafwandeln und andere Non-​REM-​Parasomnien aber häufig nach dem Kindesalter verschwinden, kann man vermuten, dass es sich um ein Phänomen des noch reifenden Gehirns handelt. Unter Erwachsenen sind nämlich nur noch vier Prozent von Schlafwandeln und anderen Aktivitäten im Tiefschlaf betroffen.

Aufgezeichnet von Natalie Steinmann

Auge

Augapfel/Bulbus oculi/eye bulb

Das Auge ist das Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Lichtreizen – von elektromagnetischer Strahlung eines bestimmten Frequenzbereiches. Das für den Menschen sichtbare Licht liegt im Bereich zwischen 380 und 780 Nanometer.

EEG

Elektroencephalogramm/-/electroencephalography

Bei dem Elektroencephalogramm, kurz EEG handelt es sich um eine Aufzeichnung der elektrischen Aktivität des Gehirns (Hirnströme). Die Hirnströme werden an der Kopfoberfläche oder mittels implantierter Elektroden im Gehirn selbst gemessen. Die Zeitauflösung liegt im Millisekundenbereich, die räumliche Auflösung ist hingegen sehr schlecht. Entdecker der elektrischen Hirnwellen bzw. des EEG ist der Neurologe Hans Berger (1873−1941) aus Jena.

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