Frage an das Gehirn

Kann der Hund wirklich besser riechen als der Mensch?

Fragesteller/in: Hundebesitzer, S.

Veröffentlicht: 11.12.2017

Ich habe mit einigen Hunden gelebt und frage mich, ob sie tatsächlich besser riechen können, als wir Menschen. Machmal habe ich meine Zweifel.

Die Antwort der Redaktion lautet:

Prof. Jessica Freiherr, Leiterin der Arbeitsgruppe „Neuroscience of chemosensation“ in der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie an der Uniklinik RWTH Aachen und der Arbeitsgruppe “MultiSense” in der Abteilung Analytische Sensorik am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung: Ich bestreite nicht, dass der Geruchssinn des Hundes herausragend ist. Doch wir müssen dabei zwischen dem Spitzenriecher Bluthund und dem Mops unterscheiden, dessen Nase kaum ausreichend Luft zum Atmen durchlässt. Die meisten Hundenasen bieten tatsächlich Platz für mehr Riechzellen als die menschliche Nase. Der Deutsche Schäferhund etwa hat bis zu 170 cm² Nasenfläche zur Verfügung, der Mensch dagegen nur 10 cm². Beim Hund trennt außerdem eine Knochenplatte den olfaktorischen vom respiratorischen Pfad. Das heißt, die Atemluft kann ungehindert ein- und ausgeatmet werden. Gleichzeitig stagniert die einmal eingeatmete Luft samt der darin enthaltenen Duftmoleküle in einer Art olfaktorischen Nische. Die Duftmoleküle können so für längere Zeit mit den Riechzellen interagieren. Bei uns dagegen werden diese olfaktorischen Zellen mit der Ausatmung wieder leer gefegt.

Doch nicht nur hinsichtlich Anatomie auch auf zellulärer und genetischer Ebene sind Hunde überlegen: 2014 veröffentlichte das Journal Science den Beweis, dass der Mensch mindestens eine Billion Gerüche unterscheiden kann. Diese enorme Leistung erbringen die geschätzten 6-10 Millionen menschlichen Riechzellen. Ein Bluthund dagegen verfügt über 300 Millionen dieser Zellen. Ist die Fähigkeit, Gerüche zu unterscheiden abhängig von dieser Zahl, übersteigt die Leistung des Hundes die des Menschen bei weitem.

Außerdem kodieren im Hund circa 1093 Gene für olfaktorische Nervenzellen. 20 Prozent davon sind so genannte Pseudogene ohne genetische Relevanz. Beim Menschen dagegen sind 63 Prozent der 900 Rezeptor-Gene Pseudogene.

Zahlenmäßig hat der Hund also die Schnauze vorn. Doch die Geruchsleistung lässt sich kaum anhand dessen voraussagen: Denn obwohl ihre Riechkolben unterschiedlich groß und ihre Gene unterschiedlich zahlreich sind, erzielen Menschen, Neuwelt- und Altweltaffen ähnliche Ergebnisse in einem Geruchsidentifikationstest. Geht es um den spezifischen Geruch der Banane, sind auch Mensch und Hund vergleichbar sensitiv. Bei der Diskriminierung mancher Duftmoleküle schneidet dann sogar der Mensch besser ab als der Hund.

Auch bei der Verarbeitung der olfaktorischen Signale im Gehirn punktet der Mensch. Höhere kognitive Ebenen wie der orbitofrontale Cortex ermöglichen eine vielschichtige Interpretation der Geruchserlebnisse und komplexe Lernvorgänge. Denn genauso wie der Polizeihund müssen auch Weinkenner und Parfumeure ihren Geruchssinn zunächst schulen. Manche Wissenschaftler behaupten, ein Hund könne die Unterscheidung von Weinsorten lernen. Da sollten wir nicht ausschließen, dass der Mensch im Umkehrschluss lernen kann, Uringerüche verschiedener Menschen zu unterscheiden.

Es gelingt uns nämlich auch, wie ein Hund auf allen Vieren mit der Nase im Gras einer Duftspur zu folgen. Das zeigten Forscher der University of California, Berkeley. Die Probanden nutzten dabei eine Art Richtungsriechen nach dem Prinzip des Richtungshörens. Das heißt mit Hilfe feiner Konzentrationsunterschiede und zeitlicher Differenzen zwischen beiden Nasenlöchern folgten sie einer Spur aus Schokoladengeruch. Tempo und Genauigkeit ließen sich mit etwas Training noch verbessern. Nichtsdestotrotz kann der Hund fast zehnmal so schnell schnüffeln wie der Mensch. Dadurch gelangt in kürzerer Zeit mehr Luft inklusive Duftmoleküle in die Nase.

Der Grund für den mittelmäßigen Ruf des menschlichen Geruchssinns liegt womöglich darin, dass wir ihn im Gegensatz zum Hund eher unbewusst einsetzen. Zwar schnuppern wir nicht aktiv an den Menschen, die uns nahestehen, doch auch wir fühlen uns angezogen von Menschen, die wir buchstäblich gut riechen können und nur der Hauch eines Geruchs aus unserer Vergangenheit lässt eine Reihe emotionaler Erinnerungen ins Bewusstsein aufsteigen. Außerdem fehlen uns die sprachlichen Fähigkeiten, Gerüche ausreichend gut zu beschreiben. Das liegt begründet in der zeitlich späteren Entwicklung der Sprache im Vergleich zum olfaktorischen System – Menschen können riechen bevor sie sprechen können.

Wer hat also das Duell gewonnen?

Es fällt mir schwer, einen eindeutigen Sieger zu benennen. In der wissenschaftlichen Literatur fehlt es leider noch an direkten Vergleichen zwischen der olfaktorischen Leistung von Hund und Mensch. Zwar ist es nach wie vor allgemein gültig, dass der Hund den besseren Riecher hat, doch unser Geruchssinn ist eben nicht nur mittelmäßig. Die Wissenschaft zeigt: Wir können es jederzeit mit den großen Riechern des Tierreichs aufnehmen, denn auch wir verfügen über ausgezeichnete olfaktorische Fähigkeiten.

Aufgezeichnet von Franziska Müschenich

Nase

Nase/Nasus/nose

Das Riechorgan von Wirbeltieren. In der Nasenhöhle wird die Luft durch Flimmerhärchen gereinigt, im oberen Bereich liegt das Riechepithel, mit dem Gerüche aufgenommen werden.

Gen

Gen/-/gene

Informationseinheit auf der DNA. Den Kernbestandteil eines Gens übersetzen darauf spezialisierte Enzyme in so genannte Ribonukleinsäure (RNA). Während manche Ribonukleinsäuren selbst wichtige Funktionen in der Zelle ausführen, geben andere die Reihenfolge vor, in der die Zelle einzelne Aminosäuren zu einem bestimmten Protein zusammenbauen soll. Das Gen liefert also den Code für dieses Protein. Zusätzlich gehören zu einem Gen noch regulatorische Elemente auf der DNA, die sicherstellen, dass das Gen genau dann abgelesen wird, wenn die Zelle oder der Organismus dessen Produkt auch wirklich benötigen.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Cortex

Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex

Der Cortex cerebri, kurz Cortex genannt, bezeichnet die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2.

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