Frage an das Gehirn
Können Frauen schlechter räumlich denken als Männer?
Veröffentlicht: 12.10.2012
Frauen können nicht einparken und haben auch sonst größere Schwierigkeiten mit dem räumlichen Vorstellungsvermögen als das starke Geschlecht. Das Klischee ist bekannt. Doch trifft es tatsächlich zu?
Die Antwort der Redaktion lautet:
Antwort von Aljoscha Neubauer, Professor für Differentielle Psychologie, Universität Graz:
Es ist durchaus etwas dran an dem Klischee. Es gibt insgesamt drei Grundfähigkeiten des räumlichen Vorstellungsvermögens. Bei der Fähigkeit zur räumlichen Wahrnehmung und zur räumlichen Visualisierung schneiden Männer und Frauen ähnlich gut ab. So hat man etwa bei der Aufgabe, visuell einzelne Elemente aus einem komplexeren Gebilde herauszulösen, praktisch keine Geschlechterunterschiede gefunden.
Aber bei dem dritten Aspekt des räumlichen Vorstellungsvermögens schneiden Frauen tatsächlich in Tests bedeutend schlechter ab als Männer: Sie haben zumindest im Durchschnitt größere Probleme beim mentalen Rotieren, also im Geiste Gegenstände zu drehen. Diese Fähigkeit spielt etwa eine wichtige Rolle bei der Orientierung in fremden Städten oder wenn man mit mechanischen Geräten zu tun. Womit hängen diese Unterschiede nun zusammen?
Eine Erklärung ist die evolutionspsychologische, die so genannte Jäger-Sammler-Hypothese. Anders als die Frauen mussten sich die Männer vor Jahrtausenden viele Kilometer von ihrer Hütte entfernt orientieren, um Wild zu jagen. Dabei hätten sich — so die Theorie — die Männer evolutionär durchgesetzt, die über eine gute räumliche Orientierungsfähigkeit verfügt haben. Die Gene für diese Fähigkeit hätten sich über die Jahrtausende durchgesetzt und Männer daher einen bedeutsamen Vorteil beim räumlichen Denken. Gegen diese Hypothese spricht aber, dass sich der Geschlechterunterschied relativ leicht wegtrainieren lässt.
Unsere Arbeitsgruppe hat beispielsweise gezeigt, dass ein mehrwöchiges Training in Aufgaben zum mentalen Rotieren den Unterschied zum Verschwinden bringt. Auch Mädchen, die in ihrer Kindheit schon viele räumliche Herausforderungen hatten, beispielsweise schon früh den Weg zur Schule oder sogar zum Kindergarten meistern mussten, haben später einen kleineren oder gar keinen Nachteil gegenüber Männern. Offensichtlich handelt es sich also um einen antrainierten Unterschied. Frauen geraten im Laufe der Zeit stärker in Rückstand, weil sie als Kinder weniger draußen und weniger mit mechanischen Dingen spielen. Vielleicht werden sie auch in der Schule im räumlichen Denken weniger gefördert, weil die Lehrer in der Schule unbewusste Vorurteile haben und so Geschlechtsunterschiede weiter verstärken.
Hinzu kommt noch, dass Frauen nur dann größere Schwierigkeiten haben als Männer, wenn man die im Geiste zu rotierenden dreidimensionalen Gebilde in den Experimenten zweidimensional abbildet. Unsere Arbeitsgruppe hat zu diesem Aspekt ebenfalls eine Studie durchgeführt. Mit Hilfe einer Spezialbrille und einem 3D-Beamer ähnlich wie bei dem Film “Avatar” haben wir Freiwilligen Gebilde dreidimensional dargeboten. Und in diesem Fall sind die Geschlechterunterschiede verschwunden. Möglicherweise sind Frauen also gar nicht grundsätzlich schlechter im mentalen Rotieren, sondern lediglich in der Fähigkeit, dreidimensionale Gebilde aus einer zweidimensionalen Darstellung zu erkennen.
Zusammenfassend lässt ich sagen: Es gibt Unterschiede im räumlichen Denken zwischen Männer und Frauen, sie sind aber keineswegs genetisch fix.
Aufgezeichnet von Christian Wolf
Wahrnehmung
Wahrnehmung/Perceptio/perception
Der Begriff beschreibt den komplexen Prozess der Informationsgewinnung und –verarbeitung von Reizen aus der Umwelt sowie von inneren Zuständen eines Lebewesens. Das Gehirn kombiniert die Informationen, die teils bewusst und teils unbewusst wahrgenommen werden, zu einem subjektiv sinnvollen Gesamteindruck. Wenn die Daten, die es von den Sinnesorganen erhält, hierfür nicht ausreichen, ergänzt es diese mit Erfahrungswerten. Dies kann zu Fehlinterpretationen führen und erklärt, warum wir optischen Täuschungen erliegen oder auf Zaubertricks hereinfallen.
Gen
Gen/-/gene
Informationseinheit auf der DNA. Den Kernbestandteil eines Gens übersetzen darauf spezialisierte Enzyme in so genannte Ribonukleinsäure (RNA). Während manche Ribonukleinsäuren selbst wichtige Funktionen in der Zelle ausführen, geben andere die Reihenfolge vor, in der die Zelle einzelne Aminosäuren zu einem bestimmten Protein zusammenbauen soll. Das Gen liefert also den Code für dieses Protein. Zusätzlich gehören zu einem Gen noch regulatorische Elemente auf der DNA, die sicherstellen, dass das Gen genau dann abgelesen wird, wenn die Zelle oder der Organismus dessen Produkt auch wirklich benötigen.
Gen
Gen/-/gene
Informationseinheit auf der DNA. Den Kernbestandteil eines Gens übersetzen darauf spezialisierte Enzyme in so genannte Ribonukleinsäure (RNA). Während manche Ribonukleinsäuren selbst wichtige Funktionen in der Zelle ausführen, geben andere die Reihenfolge vor, in der die Zelle einzelne Aminosäuren zu einem bestimmten Protein zusammenbauen soll. Das Gen liefert also den Code für dieses Protein. Zusätzlich gehören zu einem Gen noch regulatorische Elemente auf der DNA, die sicherstellen, dass das Gen genau dann abgelesen wird, wenn die Zelle oder der Organismus dessen Produkt auch wirklich benötigen.