Question to the brain
Warum entwickeln Asperger-Betroffene ein Spezialinteresse?
Published: 19.07.2013
Menschen mit Asperger-Syndrom haben oft ausgefallene, geradezu skurrile Interessen, denen sie hartnäckig nachgehen. Warum ist das so?
The editor's reply is:
PD Dr. Inge Kamp-Becker, Klinik für Kinder– und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie der Philipps-Universität Marburg und des Universitätsklinikums Gießen und Marburg:
In der Wissenschaft verstehen wir unter einem Spezialinteresse eine stereotype Beschäftigung oder ein sehr intensives Interesse, dem mit einer außergewöhnlichen Intensität nachgegangen wird. Betroffene sind häufig wie besessen, wenn es um diese Dinge geht. Sie wollen alles über diesen einen Bereich lernen und wissen – und vernachlässigen darüber andere Dinge wie beispielsweise alltägliche Pflichten und soziale Kontakte. Spezialinteressen beim Asperger-Syndrom kommen häufig aus dem Bereich der Naturwissenschaften, der Technik, der Geschichte oder der Geographie. Prinzipiell ist aber jedes Interessensgebiet möglich.
Entscheidend ist, dass es sich immer nur um einen kleinen Teilaspekt eines bestimmten Themas handelt, der dafür bis in all seine Details ausgeschöpft wird. Betroffene können dann zu beeindruckenden Experten auf diesem eng gefassten Gebiet werden. Entgegen der weit verbreiteten Meinung, dass dieses Spezialwissen besonders dienlich für bestimmte Berufe sei, kann es ebenso sehr hinderlich bei der Jobsuche sein. Gerade weil das Spezialinteresse eine so große Bedeutung für den Betroffenen hat, verliert er sich oft in einzelnen Details. Zudem besteht nicht immer Interesse daran, das Spezialwissen auch mit anderen zu teilen. Auch das kann die Job-Aussichten eher verschlechtern als verbessern.
Warum aber Menschen mit Asperger-Syndrom häufig ein Spezialinteresse entwickeln, konnte bisher noch nicht wissenschaftlich geklärt werden. Prinzipiell gibt es zwei Erklärungsmodelle, die allerdings auch beide gleichzeitig zutreffen könnten.
Der erste Erklärungsansatz kommt aus der Neurobiologie. Denkbar ist, dass beim Asperger-Syndrom die neuronale Verbindung unterschiedlicher Hirnabschnitte gestört ist. Demnach wären kleinere Nachbarregionen gut untereinander vernetzt, die Verbindung zu weiter entfernten Gehirnnervenkernen aber nur schwach ausgeprägt. Informationen könnten so auf kurzer Strecke gut, auf langer Strecke dagegen eher schlecht verarbeitet werden. Die Details von eingeschränkten Themenbereichen könnten deshalb gut erfasst werden, während die höhere Einordnung des Gelernten dabei unterbleibt.
Der zweite Erklärungsansatz ist dagegen eher der Verhaltenspsychologie zuzuordnen. Das Spezialinteresse bediene dabei eine Art Entspannungsfunktion: Während sich der Betroffene damit intensiv befasse, würden die Probleme des Alltags erst einmal zurückgedrängt. Wer unter dem Asperger-Syndrom leidet, tut sich nämlich in der Interaktion mit anderen Menschen schwer – besonders wenn es um Emotionen und Gefühle geht. Für die speziellen Hobbys sind solche Qualitäten allerdings meist nicht notwendig, sie funktionieren auch ohne soziale Interaktion. Deswegen wird das Befassen mit Sonderinteressen bei den Betroffenen als sehr entspannend empfunden.
Wichtig ist jedoch zu wissen: Nicht jeder, der unter einem Asperger-Syndrom leidet, hat auch Sonderinteressen. Bei Kindern sind sie zwar oft noch deutlich ausgeprägt, doch die Intensität lässt in der Regel mit wachsendem Alter nach.
Aufgezeichnet von Shari Langemak
Emotionen
Emotionen/-/emotions
Unter „Emotionen“ verstehen Neurowissenschaftler psychische Prozesse, die durch äußere Reize ausgelöst werden und eine Handlungsbereitschaft zur Folge haben. Emotionen entstehen im limbischen System, einem stammesgeschichtlich alten Teil des Gehirns. Der Psychologe Paul Ekman hat sechs kulturübergreifende Basisemotionen definiert, die sich in charakteristischen Gesichtsausdrücken widerspiegeln: Freude, Ärger, Angst, Überraschung, Trauer und Ekel.