Frage an das Gehirn
Warum sehen wir die Farben, die wir sehen?
Veröffentlicht: 20.06.2015
Welchen evolutionären Sinn hat es, genau das Farbspektrum zu sehen, das wir sehen?
Die Antwort der Redaktion lautet:
Prof. Dr. Leo Peichl, Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt: Im Prinzip sind das zwei Fragen: Warum sehen wir Licht nur mit Wellenlängen zwischen 400 und 700 Nanometern? Und: Warum sehen wir innerhalb dieses sichtbaren Bereichs genau die Farben, die wir sehen?
Die Grenzen des sichtbaren Bereichs sind in erster Linie physikalisch-chemisch vorgegeben. Nehmen wir das kurzwellige Ende des Lichts: Da gibt es eine Barriere, die liegt bei etwa 300 Nanometern. UV-Licht mit kürzeren Wellenlängen wird von den Eiweißen im Auge absorbiert, es kommt also gar nicht erst bei der Netzhaut an und kann deshalb nicht gesehen werden. Das gilt aber nicht für Licht zwischen 300 und 400 Nanometern, das gelangt bis zur Netzhaut. Mäuse etwa sehen auch Licht in diesem Wellenlängen-Bereich. Wir können aber dieses Licht nicht wahrnehmen, denn wir haben einen UV-Filter in unserer Linse. Das hat einen Grund: Wir Menschen sind tagaktiv. Und tagsüber ist das UV-Licht der Sonne so stark, dass es das Gewebe schädigen würde. Nachts besteht diese Gefahr nicht, deshalb brauchen die nachtaktiven Mäuse keinen UV-Filter.
Das langwellige Ende des sichtbaren Spektrums liegt bei 700 Nanometern. Diese Grenze gilt für alle Wirbeltiere: Langwelligeres Licht, also Infrarot, kann nicht wahrgenommen werden. Warum? Je langwelliger das Licht ist, desto energieärmer wird es. Bei diesen geringeren Energien macht sich der störende Einfluss der Körpertemperatur stärker bemerkbar. Wir nennen das „thermisches Rauschen“, das ab etwa 700 Nanometern verhindert, dass man noch ein vernünftiges Ergebnis bekommt.
Zur zweiten Frage, warum wir innerhalb des sichtbaren Bereichs die Farben sehen, die wir sehen: Die meisten Säugetiere haben in ihrer Netzhaut zwei verschiedene Typen von Zapfenzellen, einen für kurzwelliges Licht, meistens Blau, und einen für langwelliges Licht, meistens Grün oder Gelb. Doch bei vielen Primaten, auch bei uns Menschen, kommt noch ein dritter Zapfentyp hinzu. Mit dem können wir innerhalb des langwelligen Spektrums noch mal unterscheiden, und zwar zwischen Rot und Grün.
Warum hat sich diese Schärfung der Farbwahrnehmung in der Evolution entwickelt? Wir vermuten, das hat mit der Ernährung unserer Affen-Vorfahren zu tun: Sie aßen vor allem Früchte und Blätter. Durch den dritten Zapfentyp kann ein Affe sehr genau verschiedene Gelb-, Rot– und Grüntöné unterscheiden – und damit den Reifegrad von Früchten bestimmen. Außerdem kann er zwischen jungen hellgrünen Blättern und alten dunkelgrünen Blättern unterscheiden – letztere sind eher zäh und schlecht verdaulich.
Der dritte Zapfentyp bei den Primaten ist durch eine Gen-Verdopplung vor etwa 30 bis 40 Millionen Jahren entstanden. Aus zwei identischen Sehpigment-Genen haben sich im Laufe der Evolution die beiden Pigmente entwickelt, mit denen wir Rot und Grün sehen können – und die gelben und orangenen Zwischentöné. Dabei hatten minimale Mutationen einen großen Effekt: Die unterschiedliche spektrale Empfindlichkeit beruht auf nur drei unterschiedlichen Aminosäuren.
Auge
Augapfel/Bulbus oculi/eye bulb
Das Auge ist das Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Lichtreizen – von elektromagnetischer Strahlung eines bestimmten Frequenzbereiches. Das für den Menschen sichtbare Licht liegt im Bereich zwischen 380 und 780 Nanometer.
Netzhaut
Netzhaut/Retina/retina
Die Netzhaut oder Retina ist die innere mit Pigmentepithel besetzte Augenhaut. Die Retina zeichnet sich durch eine inverse (umgekehrte) Anordnung aus: Licht muss erst mehrere Schichten durchdringen, bevor es auf die Fotorezeptoren (Zapfen und Stäbchen) trifft. Die Signale der Fotorezeptoren werden über den Sehnerv in verarbeitende Areale des Gehirns weitergeleitet. Grund für die inverse Anordnung ist die entwicklungsgeschichtliche Entstehung der Netzhaut, es handelt sich um eine Ausstülpung des Gehirns.
Die Netzhaut ist ca 0,2 bis 0,5 mm dick.
Linse
Linse/Lens crysstallina/lense
Die Augenlinse ist eine transparente, flexible Struktur, die durch ihren unterschiedlichen Krümmungsgrad (siehe dazu Ziliarmuskel und Zonulafasern) den Prozess der Akkomodation (das Fokussieren) und damit scharfes Sehen im Nahbereich ermöglicht.