Frage an das Gehirn

Was macht Schwangerschaft mit dem Gehirn?

Fragesteller/in: Mama24

Veröffentlicht: 23.07.2017

Wie verändert sich das Gehirn der Mutter während einer Schwangerschaft – da muss doch was passieren?

Die Antwort der Redaktion lautet:

Antwort von Dr. Erika Barba-Müller, Neurowissenschaftlerin, Psychologin und Psychotherapeutin am Centre Pí i Molist in Barcelona: „Während der Schwangerschaft steigt der Hormonpegel beispiellos an und auch der weibliche Körper verändert sich radikal. Trotzdem waren die Auswirkungen einer Schwangerschaft auf das menschliche Gehirn bisher noch weitgehend unbekannt und es gab kaum Untersuchungen dazu. Unsere an der Universität Autònoma Barcelona durchgeführte und 2016 veröffentlichte Studie hat nun gezeigt, dass sich auch das Gehirn während einer Schwangerschaft stark verändert.

Für die Studie haben wir mit Hilfe der Kernspintomographie Frauen mit Kinderwunsch vor und nach der Schwangerschaft untersucht. Zum Vergleich untersuchten wir außerdem Frauen, die zwischen den Untersuchungen nicht schwanger waren sowie Männer, die zum ersten Mal Vater wurden, und kinderlose Männer.

Die Studie hat gezeigt, dass das Hirnvolumen während einer Schwangerschaft abnimmt. Unter anderem in den Arealen des präfrontalen und des temporalen Cortex ging die graue Hirnsubstanz bei den schwangeren Frauen zurück. Diese Veränderungen waren so deutlich, dass ein Computeralgorithmus anhand der neuroanatomischen Veränderungen sogar automatisch identifizieren konnte, ob eine Frau zwischen den beiden Untersuchungen schwanger gewesen war oder nicht. Eine spätere Untersuchung der Frauen zeigte, dass die Veränderungen über längere Zeit anhielten und auch zwei Jahre nach der Geburt des Kindes noch bestanden. Bei den erstmaligen Vätern konnten wir übrigens keine Veränderungen im Gehirn feststellen.

Da Sexualhormone dafür bekannt sind, neuronale Strukturen zu regulieren, überrascht es nicht, dass die starken hormonellen Veränderungen während der Schwangerschaft Auswirkungen auf das Gehirn haben. Schon viel geringere Hormonschwankungen können strukturelle und funktionelle Veränderungen im Gehirn auslösen.

Die Umbauprozesse während einer Schwangerschaft ähneln übrigens denen in der Pubertät. Auch hier steigt der Pegel der Sexualhormone an und die Gehirnsubstanz reduziert sich. Wir vermuten deshalb, dass die Umbauten im Gehirn in der Schwangerschaft ähnlich wie in der Pubertät einer Art Feintuning der Gehirnverbindungen dienen könnte. Die neuronalen Netzwerke spezialisieren sich und werden effizienter – kognitive Fähigkeiten gehen dadurch nicht verloren.

Einiges spricht dafür, dass die Veränderungen während der Schwangerschaft der Anpassung des Gehirns für die Rolle als Mutter dienen. So fanden die Veränderungen vor allem in Gehirnregionen statt, die für die soziale Kognition zuständig sind. Diese Hirnregionen zeigten nach der Geburt auch die stärksten neuronalen Reaktionen auf das Baby. Außerdem könnten die Veränderungen die Mutter-Kind-Bindung nach der Geburt vorbereiten, indem sie zum Beispiel die Fähigkeit der Mutter fördern, die Bedürfnisse ihres relativ hilflosen Babys zu erkennen.

Aufgezeichnet von Natalie Steinmann

Cortex

Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex

Der Cortex cerebri, kurz Cortex genannt, bezeichnet die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2.

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