Question to the brain

Was passiert bei einem Déjà-vu?

Questioner: Jospehine M. aus Berlin

Published: 25.10.2011

Fast jeder kennt das seltsame Gefühl, eine neue Situation schon einmal genau so erlebt zu haben: Jeder Satz unseres Gesprächspartners klingt vertraut oder eine unbekannte Umgebung erscheint altbekannt. Wie entsteht dieses Phänomen?

The editor's reply is:

Chris Moulin, kognitiver Neuropsychologe am Institute of Psychological Sciences der University of Leeds: Es existieren verschiedene Theorien, warum wir ein Déjà-​vu erleben. Am bekanntesten sind die unwissenschaftlichen Annahmen, etwa „es ist ein Fehler in der Matrix“, oder „ein Beweis für ein vorherigen Lebens“. Tatsächlich äußern auch Teilnehmer meiner Studien solche Vermutungen. Eine andere weit verbreitete Idee ist, dass Information über zwei Wege durchs Gehirn wandert und über die eine Route ihr Ziel früher erreicht. Die berühmteste Variante nennt sich Optical Delay Theory “. Demnach gelangt die Information von einem Auge schneller ins Gehirn als vom anderen. Doch die Idee ist falsch, denn auch blinde Menschen berichten über Déjà-​vu.

Unter den ernstzunehmenden wissenschaftlichen Theorien gibt es zwei Kategorien. Die Umwelt-​Theorien beschäftigen sich damit, was in unserer Umgebung das Gefühl eines Déjà-​vu auslöst. Eine dieser Ideen besagt, dass wir ein Déjà-​vu erleben, wenn ein neuer Ort die gleiche Struktur besitzt, wie ein uns bekannter Platz. Wenn wir beispielsweise eine unbekannte Stadt besuchen, in der — genau wie in unserem Heimatdorf — die Kirche links, die Schule rechts liegt und daneben ein großer Baums steht. Durch die Ähnlichkeit erscheint uns das Fremde vertraut, ohne dass wir wissen warum – und wir erleben ein Déjà-​vu. Das kann auch passieren, wenn du einen Film über New York gesehen hast und dann die Metropole zum ersten Mal besuchst: Du biegst um eine Ecke und etwas kommt dir bekannt vor, allerdings nichts Offensichtliches wie das Empire State Building.

Bei den konkurrierenden neurowissenschaftlichen Erklärungen stammen alle Belege aus Studien mit Epileptikern. Denn diese erleben häufig ein Déjà-​vu, und zwar während oder kurz bevor sie einen epileptischen Anfall erleiden. Durch die gestörte elektrische Aktivität des Gehirns wird ein Schaltkreis im Gehirn stimuliert, der das Gefühl von Vertrautheit auslöst — obwohl er nicht aktiv sein sollte. Wir haben einen Patienten untersucht, der seit dem Beginn seiner Epilepsie unter häufigen Déjà-​vu-​Erlebnissen litt. Wie baten ihn während des Phänomens seine Aufmerksamkeit auf verschiedene Dinge zu lenken: Er sollte sich unterhalten, nachdenken oder etwas betrachten. Aber das Déjà-​vu hielt an, unabhängig davon, was er tat. Das spricht dagegen, dass bestimmte Umweltreize das Vertrautheitsgefühl auslösen.

Viele Studien legen nahe, dass bei Gesunden etwas Ähnliches passiert, wie bei den Epileptikern. Zwar erleiden sie keinen Anfall, aber in ihren Gehirnen zeigt sich eine seltene Form der elektrischen Aktivität im gleichen Bereich des Gehirns, dem parahippocampalen Areal im Temporallappen. Diese Gedächtnisregion liegt tief im Gehirn und ist verantwortlich für das Gefühl der Vertrautheit. Manche Leute sorgen sich daher, ob sie Epilepsie haben, wenn sie ein Déjà-​vu erleben. In Wirklichkeit ist es viel wahrscheinlicher, dass man ein Déjà-​vu hat, wenn man müde, jung, betrunken oder auf bestimmten Drogen ist. All das legt nahe, dass es eine körperliche Ursache für ein Déjà-​vu gibt.

Es gibt also insgesamt vier Erklärungen: Die spirituelle Science-​Fiction-​Erklärung, die alte Idee der optischen Verspätung und die zwei aktuellen konkurrierenden Theorien. Löst nun unsere Umwelt oder unser Gehirn ein Déjà-​vu aus? Wir sind uns immer noch nicht ganz sicher.

Aufgezeichnet von Hanna Drimalla

Auge

Augapfel/Bulbus oculi/eye bulb

Das Auge ist das Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Lichtreizen – von elektromagnetischer Strahlung eines bestimmten Frequenzbereiches. Das für den Menschen sichtbare Licht liegt im Bereich zwischen 380 und 780 Nanometer.

Aufmerksamkeit

Aufmerksamkeit/-/attention

Aufmerksamkeit dient uns als Werkzeug, innere und äußere Reize bewusst wahrzunehmen. Dies gelingt uns, indem wir unsere mentalen Ressourcen auf eine begrenzte Anzahl von Bewusstseinsinhalten konzentrieren. Während manche Stimuli automatisch unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, können wir andere kontrolliert auswählen. Unbewusst verarbeitet das Gehirn immer auch Reize, die gerade nicht im Zentrum unserer Aufmerksamkeit stehen.

Temporallappen

Temporallappen/Lobus temporalis/temporal lobe

Der Temporallappen ist einer der vier großen Lappen des Großhirns. Auf Höhe der Ohren gelegen erfüllt er zahlreiche Aufgaben – zum Temporallappen gehören der auditive Cortex genauso wie der Hippocampus und das Wernicke-​Sprachzentrum.

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