Frage an das Gehirn
Wie entsteht Kältekopfschmerz?“
Veröffentlicht: 25.06.2018
Sommerfrage: Wie kommt es zum Kältekopfschmerz – zum "Hirnfrost"?
Die Antwort der Redaktion lautet:
Antwort von Ole Hensel, Neurologe am Universitätsklinikum Halle: Kältekopfschmerz – oder auch Hirnfrost – ist einer der häufigsten Kopfschmerzen überhaupt. Und der am schlechtesten untersuchte. Er tritt auf, wenn man eiskalte Getränke zu sich nimmt oder ein Eis schleckt. Er dauert selten länger als eine Minute und ist meist von mittlerer Stärke, also fünf von zehn möglichen Kopfschmerzstärken. Seine Häufigkeit nimmt mit dem Alter ab – junge Menschen leiden also häufiger an Eiscremekopfschmerz. Das scheint aber unabhängig von der Menge des konsumierten Eises zu sein.
Zwei neuere Untersuchungen besagen, dass es nicht über die Kühlung des Blutes zum Kältekopfschmerz kommt, sondern dass der eiskalte Milchshake durch die Kühlung der Mundschleimhaut darin vorkommende Rezeptoren reizt – sogenannte TPM8-Rezeptoren. Das sind die einzigen Rezeptoren im Körper, die Kälte detektieren können. Wenn sie also das kalte Getränk registrieren, senden sie ein Signal an den fünften Hirnnerv, den Nervus trigeminus. Dieser spielt auch bei der Migräne eine wichtige Rolle. Wenn dieser Nerv die Kälteregistrierung dann dem Hirnstamm meldet, könnte der die Verengung der Hirngefäße veranlassen, die letztlich den Kopfschmerz verursacht. Der anderen Studie zufolge kommt es über denselben Mechanismus zu einer Erweiterung der Hirngefäße. Auch beim Migränekopfschmerz erweitern sich die Blutgefäße des Gehirns.Der Kältekopfschmerz hängt also mit den Gefäßen zusammen. Ob sich diese aber erweitern oder verengen, weiß man noch nicht genau. Interessanterweise erleben Patienten, die unter Migräne oder Spannungskopfschmerzen leiden, auch viel häufiger so einen Kältekopfschmerz. Früher hat man damit auch die Migräne diagnostiziert. Häufiger Hirnfrost gehörte damals zu den Kriterien für Migräne. So lästig der Kältekopfschmerz auch ist, er ist nicht nur schlecht. Für uns Forscher ist er ein schönes Modell für die Entstehung von Kopfschmerzen. Im Gegensatz zur Migräne kann man ihn nämlich gezielt auslösen und so besser untersuchen. In unserer Studie konnten wir zeigen, dass dafür das Trinken von Eiswasser viel besser geeignet ist als das Lutschen eines Eiswürfels, obwohl letzterer mit minus 16 Grad Celsius viel kälter ist. Vermutlich ist die Menge entscheidend, denn das Eiswasser kühlt eine größere Fläche als der Eiswürfel. Häufiger Hirnfrost könnte möglicherweise aber auch einen evolutionären Vorteil haben. Es gibt den sogenannten Tauchreflex, bei dem der Nervus trigeminus gereizt wird, sobald man sein Gesicht beispielsweise in kaltes Wasser tunkt. Das sorgt dann reflexartig für eine Umverteilung des Blutes im Körper: die Extremitäten werden weniger durchblutet und die wichtigen Organe, wie Herz und Hirn, werden stärker durchblutet. Das ist eine Art Schutzmechanismus. Ich vermute, dass Patienten mit so einem Eiscremekopfschmerz wahrscheinlich einen sehr wirksamen Tauchreflex haben, also besser an niedrige Temperaturen angepasst sind.Als sich die Menschen im Laufe der Evolution von Afrika aus in nördlichere Gebiete mit niedrigeren Temperaturen ausbreiteten, hatten diejenigen einen Vorteil, die sich an letztere besser anpassen konnten. Der Nachteil ist dann, dass sie häufiger an Eiscremekopfschmerz leiden. Aber das ist nur eine Theorie. Aufgezeichnet von Nicole Paschek Rezeptor Rezeptor/-/receptor Signalempfänger in der Zellmembran. Chemisch gesehen ein Protein, das dafür verantwortlich ist, dass eine Zelle ein externes Signal mit einer bestimmten Reaktion beantwortet. Das externe Signal kann beispielsweise ein chemischer Botenstoff (Transmitter) sein, den eine aktivierte Nervenzelle in den synaptischen Spalt entlässt. Ein Rezeptor in der Membran der nachgeschalteten Zelle erkennt das Signal und sorgt dafür, dass diese Zelle ebenfalls aktiviert wird. Rezeptoren sind sowohl spezifisch für die Signalsubstanzen, auf die sie reagieren, als auch in Bezug auf die Antwortprozesse, die sie auslösen. Hirnstamm Hirnstamm/Truncus cerebri/brainstem Der „Stamm“ des Gehirns, an dem alle anderen Gehirnstrukturen sozusagen „aufgehängt“ sind. Er umfasst – von unten nach oben – die Medulla oblongata, die Pons und das Mesencephalon. Nach unten geht er in das Rückenmark über.