Frage an das Gehirn
Wie viele Gerüche riecht der Mensch?
Veröffentlicht: 21.01.2018
Der Mensch kann angeblich über eine Billion Gerüche wahrnehmen. Stimmt das? Wund wenn ja – wie kann das funktionieren?
Die Antwort der Redaktion lautet:
Prof. Jessica Freiherr, Leiterin der Arbeitsgruppe „Neuroscience of chemosensation“ in der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie an der Uniklinik RWTH Aachen und der Arbeitsgruppe “MultiSense” in der Abteilung Analytische Sensorik am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung: Eigentlich sollten es 10.000 verschiedene Gerüche sein, die ein Mensch wahrnehmen kann. Das war zumindest 1927 das Ergebnis einer Studie. Im Jahr 2014 korrigierten Caroline Bushdid und ihr Team von der New Yorker Rockefeller University diese Zahl nach oben. Im Wissenschaftsjournal Science berichten sie von mindestens einer Billion unterscheidbarer Gerüche. Das sind gleich acht Nullen mehr: 1.000.000.000.000 und das ist nur die untere Grenze.
Die meisten natürlich vorkommenden Gerüche bestehen aus vielen verschiedenen Duftmolekülen. Den Rosenduft zum Beispiel ergeben insgesamt 275 Einzelkomponenten. Bushdid und ihr Team verwendeten in ihrer Studie Düfte bestehend aus 10, 20 oder 30 Komponenten, die insgesamt aber nur auf 128 verschiedenen Duftmolekülen basierten. Tatsächlich wissen wir nicht, wie viele Duftmoleküle es wirklich gibt. Vermutlich sind es unvorstellbar viele, die sich dann noch zusätzlich zu solch duftenden Verbindungen wie dem Rosen- oder Kaffeegeruch zusammensetzen können – die Kombinationsmöglichkeiten sind also gewaltig.
Atmen wir ein, gelangen diese Duftmoleküle aus unserer Umgebung in die Nase und steuern gleich auf die Riechschleimhaut zu, wo sich die Riechzellen befinden. An den Riechzellen wiederum sitzen die Rezeptorzellen. Wir verfügen über circa 380 verschiedene Rezeptortypen, doch jede Riechzelle bildet selbst jeweils nur einen Rezeptortypen aus. Hier docken die einströmenden Duftmoleküle an und setzen damit eine Signalkaskade bis ins Gehirn in Gang. Passt das Molekül an den Rezeptor wie ein Schlüssel ins Schloss, verbinden sie sich. Je nach Struktur kann ein Rezeptor auch verschiedene Moleküle binden oder ein Molekül an mehrere Rezeptoren ansetzen – so ergeben sich auch hier wieder unzählige Kombinationsmöglichkeiten.
Alle Zellen mit den gleichen Rezeptortypen senden ihre Informationen jeweils an die für sie vorgesehene Sammelstelle im Gehirn. Das sind die so genannten Glomeruli im Bulbus olfactorius, dem Riechkolben. Je nachdem welche Rezeptoren wie stark aktiviert werden, entsteht hier ein für den jeweiligen Geruch spezifisches Aktivierungsmuster. Kommt es zu einer noch so kleinen Veränderung in der Zusammensetzung der beteiligten Duftmoleküle, verändert sich auch das Aktivierungsmuster und wir erleben womöglich einen ganz anderen Geruch. In nachgeschalteten Hirnarealen wird die geruchliche Qualität dann emotional bewertet, eingeordnet und abgespeichert.
Mit Hilfe eines Diskriminationstests stellen wir fest, ob Gerüche unterscheidbar sind. Aus drei Proben, von denen zwei identisch sind, wählt der Proband den Duft, der anders riecht. Bushdid und ihr Team haben diesen Test genutzt, ihre Ergebnisse hochgerechnet und erhielten die Zahl von einer Billion unterscheidbarer Gerüche. Auf neuronaler Ebene werden bei der Duftunterscheidung die Aktivierungsmuster der Düfte miteinander verglichen. So lassen sich Duftmischungen unterscheiden, die von ihrer Zusammensetzung bis zu 90 Prozent übereinstimmen.
Wie misst man überhaupt, ob ein Molekül riecht? Licht messen wir in Wellenlängen, die definierte Farben ergeben, und Töne geben wir in Hertz an. Doch was den Geruch angeht, scheinen die Moleküle keiner Regel zu folgen. Wissenschaftler fanden heraus, dass Moleküle mit der gleichen Strukturformel geruchlich ganz unterschiedlich sein können. Gleichzeitig können strukturell unterschiedliche Moleküle den gleichen Duft erzeugen.
Für ihre Entdeckung ernteten die New Yorker Forscher um Bushdid viel Zuspruch, doch es gab auch Kritik an ihren Berechnungen. Vermutlich liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Wichtig ist, dass die Zahl unterscheidbarer Gerüche gigantisch ist in Hinblick auf nur 380 olfaktorische Rezeptoren. Um sich die Dimensionen besser vorzustellen, hier ein Vergleich: Das Alphabet besteht aus 26 Buchstaben, stellen Sie sich vor, wie viele Wörter wir damit bilden können! Auf der Geruchsebene umschwirren uns tagtäglich unzählige potentielle Duftmoleküle, die sich auch zu duftenden Verbindungen zusammensetzen können.
Aufgezeichnet von Franziska Müschenich
Nase
Nase/Nasus/nose
Das Riechorgan von Wirbeltieren. In der Nasenhöhle wird die Luft durch Flimmerhärchen gereinigt, im oberen Bereich liegt das Riechepithel, mit dem Gerüche aufgenommen werden.
Rezeptor
Rezeptor/-/receptor
Signalempfänger in der Zellmembran. Chemisch gesehen ein Protein, das dafür verantwortlich ist, dass eine Zelle ein externes Signal mit einer bestimmten Reaktion beantwortet. Das externe Signal kann beispielsweise ein chemischer Botenstoff (Transmitter) sein, den eine aktivierte Nervenzelle in den synaptischen Spalt entlässt. Ein Rezeptor in der Membran der nachgeschalteten Zelle erkennt das Signal und sorgt dafür, dass diese Zelle ebenfalls aktiviert wird. Rezeptoren sind sowohl spezifisch für die Signalsubstanzen, auf die sie reagieren, als auch in Bezug auf die Antwortprozesse, die sie auslösen.
Rezeptor
Rezeptor/-/receptor
Signalempfänger in der Zellmembran. Chemisch gesehen ein Protein, das dafür verantwortlich ist, dass eine Zelle ein externes Signal mit einer bestimmten Reaktion beantwortet. Das externe Signal kann beispielsweise ein chemischer Botenstoff (Transmitter) sein, den eine aktivierte Nervenzelle in den synaptischen Spalt entlässt. Ein Rezeptor in der Membran der nachgeschalteten Zelle erkennt das Signal und sorgt dafür, dass diese Zelle ebenfalls aktiviert wird. Rezeptoren sind sowohl spezifisch für die Signalsubstanzen, auf die sie reagieren, als auch in Bezug auf die Antwortprozesse, die sie auslösen.
Emotionen
Emotionen/-/emotions
Unter „Emotionen“ verstehen Neurowissenschaftler psychische Prozesse, die durch äußere Reize ausgelöst werden und eine Handlungsbereitschaft zur Folge haben. Emotionen entstehen im limbischen System, einem stammesgeschichtlich alten Teil des Gehirns. Der Psychologe Paul Ekman hat sechs kulturübergreifende Basisemotionen definiert, die sich in charakteristischen Gesichtsausdrücken widerspiegeln: Freude, Ärger, Angst, Überraschung, Trauer und Ekel.