Die Anatomie des Gedächtnisses: neue Netzwerke im Gehirn entdeckt
Wie lassen sich die erstaunlichen Fähigkeiten des Gedächtnisses auf der Grundlage der Anatomie unseres Gehirns erklären? Es ist bekannt, dass verschiedene Funktionen in unterschiedlichen Bereichen und Strukturen des Gehirns verankert sind. Wir wissen zum Beispiel, dass bestimmte Bereiche der Großhirnrinde für die Wahrnehmung der Außenwelt, die Vorstellung unserer Zukunft und das Nachdenken über andere Menschen zuständig sind. Über die Verbindung der Hirnregionen, die diese wichtigen kognitiven Funktionen unterstützen, mit dem menschlichen Gedächtnissystem ist jedoch wenig bekannt.
Veröffentlicht: 14.08.2023
Mit einem neuartigen Ansatz der Bildgebung und der hochauflösenden funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRI) haben sich Neurowissenschaftler und Physiker des MPI CBS in Leipzig (Deutschland) sowie der Neuroanatom Menno Witter vom Kavli Institute for Systems Neuroscience in Trondheim (Norwegen) nun in die Tiefen des menschlichen Gedächtnisses vorgewagt. Sie konnten bisher unbekannte kortikale Netzwerke entdecken und Aufschluss über die anatomische Organisation des Gedächtnissystems erlangen. Ihre Ergebnisse wurden kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift "Neuron" veröffentlicht.
Funktionelle Magnetresonanztomographie
Funktionelle Magnetresonanztomographie/-/functional magnetic resonance imaging
Eine Modifikation der Magnetresonanztomographie oder –tomografie (MRT, englisch MRI) die die Messung des regionalen Körperstoffwechsels erlaubt. In der Hirnforschung wird besonders häufig der BOLD-Kontrast (blood oxygen level dependent) verwendet, der das unterschiedliche magnetische Verhalten sauerstoffreichen und sauerstoffarmen Bluts nutzt. Ein hoher Sauerstoffverbrauch kann mit erhöhter Aktivität korreliert werden. fMRT-Messungen haben eine gute räumliche Auflösung und erlauben so detaillierte Information über die Aktivität eines bestimmten Areals im Gehirn.
Funktionelle Magnetresonanztomographie
Funktionelle Magnetresonanztomographie/-/functional magnetic resonance imaging
Eine Modifikation der Magnetresonanztomographie oder –tomografie (MRT, englisch MRI) die die Messung des regionalen Körperstoffwechsels erlaubt. In der Hirnforschung wird besonders häufig der BOLD-Kontrast (blood oxygen level dependent) verwendet, der das unterschiedliche magnetische Verhalten sauerstoffreichen und sauerstoffarmen Bluts nutzt. Ein hoher Sauerstoffverbrauch kann mit erhöhter Aktivität korreliert werden. fMRT-Messungen haben eine gute räumliche Auflösung und erlauben so detaillierte Information über die Aktivität eines bestimmten Areals im Gehirn.
Gedächtnis
Gedächtnis/-/memory
Gedächtnis ist ein Oberbegriff für alle Arten von Informationsspeicherung im Organismus. Dazu gehören neben dem reinen Behalten auch die Aufnahme der Information, deren Ordnung und der Abruf.
Das menschliche Gedächtnissystem ist im medialen Temporallappen (MTL) angesiedelt. Er umfasst im Wesentlichen den Hippocampus, den parahippocampalen Kortex, den perirhinalen Kortex und den entorhinalen Kortex. "Eine große Herausforderung bei der Untersuchung des MTL ist seine große anatomische Variabilität bei verschiedenen Menschen. Daher verwischten frühere Studien, die Durchschnittsdaten von Gruppen verwendeten, feine anatomische Details zwischen verschiedenen Unterregionen des menschlichen MTL, die sich in unmittelbarer Nähe zueinander befinden. Das ist so, als würde man die Struktur von Gesichtern untersuchen, indem man den Durchschnitt von 1000 verschiedenen Gesichtern zusammennimmt. Wir erhalten wichtige Organisationsprinzipien eines Gesichts - wo sich die Augen und die Nase befinden, wo der Mund ist -, aber wir verlieren wichtige eigentümliche Details", erklärt der Erstautor der Studie, Daniel Reznik vom MPI CBS. Ihm zufolge besteht eine weitere Herausforderung bei der Untersuchung des MTL beim Menschen darin, dass diese Hirnregion stark durch Empfindlichkeitsartefakte beeinträchtigt wird, weshalb es nur sehr begrenzt möglich ist, qualitativ hochwertige MRT-Signale zu erhalten. In ihrer aktuellen Studie lösten die Wissenschaftler diese Herausforderungen bei der Bildgebung und konnten schließlich die kortikalen Hirnregionen genauer erkunden, die mit verschiedenen Unterregionen des menschlichen Schläfenlappens bei Individuen verbunden sind.
Medialer Temporallappen
Medialer Temporallappen/Lobus temporalis medialis/medial temporal lobe
Im medialen Teil des Temporallappens liegen der Hippocampus sowie eine Reihe weiterer Strukturen, die anatomisch mit diesem verwandt sind: der entorhinale, der perirhinale und der parahippocampale Cortex. Gemeinsam sorgen sie dafür, dass wir uns bewusst an Fakten und Ereignisse erinnern können. Auch für die Ausbildung des Langzeitgedächtnisses ist diese Hirnregion von Bedeutung. Tief im Innern des medialen Temporallappens liegt auch die Amygdala, die an der Entstehung von Angst und anderen Emotionen beteiligt ist.
Cortex
Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex
Der Cortex cerebri, kurz Cortex genannt, bezeichnet die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2.
Auge
Augapfel/Bulbus oculi/eye bulb
Das Auge ist das Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Lichtreizen – von elektromagnetischer Strahlung eines bestimmten Frequenzbereiches. Das für den Menschen sichtbare Licht liegt im Bereich zwischen 380 und 780 Nanometer.
Nase
Nase/Nasus/nose
Das Riechorgan von Wirbeltieren. In der Nasenhöhle wird die Luft durch Flimmerhärchen gereinigt, im oberen Bereich liegt das Riechepithel, mit dem Gerüche aufgenommen werden.
Temporallappen
Temporallappen/Lobus temporalis/temporal lobe
Der Temporallappen ist einer der vier großen Lappen des Großhirns. Auf Höhe der Ohren gelegen erfüllt er zahlreiche Aufgaben – zum Temporallappen gehören der auditive Cortex genauso wie der Hippocampus und das Wernicke-Sprachzentrum.
Erkundung der Tiefen des menschlichen Gedächtnissystems
"Anstatt Daten von vielen verschiedenen Personen zu sammeln, haben wir viele Daten von denselben Personen gesammelt, was die anatomische Präzision unserer Studie dramatisch erhöht hat. Wir haben unsere Expertise in den Bereichen Hochfeld-Bildgebung, Neuroanatomie und kognitive Neurowissenschaften kombiniert und die Anatomie des MTL sehr detailliert untersucht. Dadurch konnten wir kortikale Netzwerke identifizieren, die mit dem menschlichen medialen Temporallappen verbunden sind und die der bisherigen Gedächtnisforschung beim Menschen unbekannt waren", beschreibt Daniel Reznik und ergänzt: "Ähnliche kortikale Netzwerke gibt es auch bei Tieren, und die vielleicht aufregendste Erkenntnis ist, dass wir nun Hinweise auf potenziell neue kortikale Bahnen im menschlichen Gedächtnissystem im Vergleich zu nicht-menschlichen Primaten haben."
Christian Doeller, Direktor der Abteilung für Psychologie am MPI CBS, fügt hinzu: "Diese neuen Erkenntnisse sind wichtig, denn selbst nach vielen Jahren der Erforschung des menschlichen Gedächtnisses wusste niemand wirklich, wie die Regionen im MTL mit dem Rest des menschlichen Gehirns verbunden sind. Die Konnektivität des entorhinalen Kortex ist für uns von besonderem Interesse, da dies eine der ersten Gehirnregionen ist, die beispielsweise von der Alzheimer-Krankheit betroffen sein kann. Unsere Entdeckung definiert die anatomischen Grenzen, innerhalb derer die menschlichen Gedächtnisfunktionen ablaufen, und ist aufschlussreich für die Untersuchung der evolutionären Entwicklung von Verschaltungen des Temporallappens bei verschiedenen Spezies. So zeigen beispielsweise Daten von nicht-menschlichen Primaten im Vergleich nur geringe Verbindungen zwischen dem entorhinalen Kortex und dem frontalen Kortex - im Gegensatz dazu fanden wir heraus, dass diese Verbindungen beim Menschen stärker ausgeprägt sind.“ Daniel Reznik ergänzt: „Da eines der Netzwerke, die mit dem entorhinalen Kortex des Menschen verbunden sind, auch an der sozialen Verarbeitung beteiligt ist, vermuten wir, dass es sich um ein evolutionär junges Netzwerk handelt, das sich möglicherweise erst nach dem umfangreichen Ausbau des Kortex beim Menschen entwickelt hat."
Medialer Temporallappen
Medialer Temporallappen/Lobus temporalis medialis/medial temporal lobe
Im medialen Teil des Temporallappens liegen der Hippocampus sowie eine Reihe weiterer Strukturen, die anatomisch mit diesem verwandt sind: der entorhinale, der perirhinale und der parahippocampale Cortex. Gemeinsam sorgen sie dafür, dass wir uns bewusst an Fakten und Ereignisse erinnern können. Auch für die Ausbildung des Langzeitgedächtnisses ist diese Hirnregion von Bedeutung. Tief im Innern des medialen Temporallappens liegt auch die Amygdala, die an der Entstehung von Angst und anderen Emotionen beteiligt ist.
Gedächtnis
Gedächtnis/-/memory
Gedächtnis ist ein Oberbegriff für alle Arten von Informationsspeicherung im Organismus. Dazu gehören neben dem reinen Behalten auch die Aufnahme der Information, deren Ordnung und der Abruf.
Cortex
Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex
Der Cortex cerebri, kurz Cortex genannt, bezeichnet die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2.
Morbus Alzheimer
Morbus Alzheimer, Alzheimer-Krankheit/Morbus Alzheimer/Alzheimer's desease
Bislang unheilbare Form der Demenz, erstmals beschrieben von dem deutschen Psychiater Alois Alzheimer 1906. Zu den Symptomen gehören anfangs eine milde Vergesslichkeit und Orientierungsstörungen. Später kommt es zum Beispiel zu Sprachveränderungen und Gedächtnisverlust. Die Ursache ist noch unklar, es kommt jedoch zu pathologischen Eiweißablagerungen sowohl zwischen als auch in den Zellen. Betroffen sind corticale Areale.
Temporallappen
Temporallappen/Lobus temporalis/temporal lobe
Der Temporallappen ist einer der vier großen Lappen des Großhirns. Auf Höhe der Ohren gelegen erfüllt er zahlreiche Aufgaben – zum Temporallappen gehören der auditive Cortex genauso wie der Hippocampus und das Wernicke-Sprachzentrum.
Originalpublikation
Daniel Reznik, Robert Trampel, Nikolaus Weiskopf, Menno P. Witter, Christian F. Doeller; „Dissociating distinct cortical networks associated with subregions of the human medial temporal lobe using precision neuroimaging“; Neuron; Source
medial
Medial/-/medial
Eine Lagebezeichnung – medial bedeutet „zur Mitte hin“ gelegen. Im Bezug auf das Nervensystem handelt es sich um eine Richtung zum Körper hin, weg von den Seiten.