Menschenaffen besitzen soziales Gedächtnis

© Daniel Haun
Ein verbessertes Gedächtnis für soziale Ereignisse ist eine Eigenschaft, die Menschen und Menschenaffen gemeinsam haben. Doch nur Menschen zeigen diesen Effekt bereits im Kindesalter.

Wie beeinflussen soziale Modelle das Gedächtnis von Menschenaffen? Das untersuchten Forschende des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, indem sie jungen und erwachsenen Menschenaffen Videos zeigten, in denen eine menschliche Hand oder ein mechanischer Greifarm einen Turm baute. Dabei erinnerten sich erwachsene Menschenaffen besser an die von Menschenhand gebauten Türme als an die von dem Greifarm gebauten. Welche Mechanismen dem zugrunde liegen, untersuchte das Team mittels einer KI-basierten Videoanalyse, bei der die Herzfrequenz der Tiere aus regulären Videos berechnet wurde. Diese Technologie, die zusammen mit der University of South Australia entwickelt wurde, zeigte, dass die verbesserte Erinnerung an soziale Ereignisse auf eine erhöhte Aufmerksamkeit im sozialen Kontext zurückzuführen ist. Diese Studie ist die erste, die die Entwicklung des sozialen Gedächtnisses bei Menschenaffen erforscht.

Quelle: Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie

Veröffentlicht: 19.02.2025

Primaten leben in komplexen sozialen Gefügen. Die Aufmerksamkeit, die sie anderen entgegenbringen, ist für soziale Interaktionen und Lernprozesse von entscheidender Bedeutung. Von frühester Kindheit an konzentrieren sie sich instinktiv auf soziale Stimuli wie Gesichter und Gesten und bevorzugen soziale Interaktionen gegenüber „nicht-sozialen“ Objekten.

Studien haben gezeigt, dass Primaten, einschließlich Menschenaffen, sich ein Objekt besser merken, wenn sie es mit einer menschlichen Hand (soziales Modell) assoziieren als mit einem mechanischen Greifarm (nicht-soziales Modell). Selbst bei gleicher Beobachtungsdauer führte nur das soziale Modell zu einer besseren Erinnerung. Die aktuelle Studie vertieft diese Erkenntnisse, indem sie die kognitiven Mechanismen untersucht, die dem sozialen Gedächtnis zugrunde liegen, sowie deren frühe Entwicklung bei Menschenaffen beschreibt.

Die Studie wurde am Wolfgang-Köhler-Primatenforschungszentrum in Leipzig mit 42 Menschenaffen – Schimpansen, Bonobos, Gorillas und Orang-Utans – im Alter von 3 Monaten bis 47 Jahren durchgeführt. „Wir haben herausgefunden, dass sich Menschenaffen einen Turm besser merken konnten, wenn sie sahen, wie er von einer Hand statt von einem mechanischen Greifarm gebaut wurde“, erklärt Erstautorin Marie Padberg vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. „Das liegt daran, dass sie den Handlungen eines sozialen Wesens mehr Aufmerksamkeit schenkten als denen einer Maschine.“

Interessanterweise zeigten, im Gegensatz zum Menschen, nur erwachsene Menschenaffen ein verbessertes Gedächtnis nach dem Betrachten des sozialen Modells. Bei Jungtieren war dies nicht der Fall. Obwohl ein besseres Gedächtnis für soziale Ereignisse ein gemeinsames Merkmal von Primaten ist, scheint nur der Mensch diese Fähigkeit von frühester Kindheit an zu besitzen. „Menschenaffenkinder und -jugendliche hatten keine bessere Erinnerung an soziale Ereignisse“, sagt der leitende Autor Daniel Haun, Direktor der Abteilung für Vergleichende Kulturpsychologie am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. „Dafür könnte es mehrere Gründe geben, etwa die Art der Objekte, die Komplexität der Aufgabe oder die Dauer der Videos. Weitere Studien sind nötig, um herauszufinden, ob ein verbessertes soziales Gedächtnis in der Kindheit und Jugend wirklich ein einzigartig menschliches Phänomen ist.“

Gedächtnis

Gedächtnis/-/memory

Gedächtnis ist ein Oberbegriff für alle Arten von Informationsspeicherung im Organismus. Dazu gehören neben dem reinen Behalten auch die Aufnahme der Information, deren Ordnung und der Abruf.

Aufmerksamkeit

Aufmerksamkeit/-/attention

Aufmerksamkeit dient uns als Werkzeug, innere und äußere Reize bewusst wahrzunehmen. Dies gelingt uns, indem wir unsere mentalen Ressourcen auf eine begrenzte Anzahl von Bewusstseinsinhalten konzentrieren. Während manche Stimuli automatisch unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, können wir andere kontrolliert auswählen. Unbewusst verarbeitet das Gehirn immer auch Reize, die gerade nicht im Zentrum unserer Aufmerksamkeit stehen.

Originalpublikation

Marie Padberg, Daniel Hanus, Maleen Thiele, Danyi Wang, Lauren H. Howard, Charlotte Grosse Wiesmann, Luke Maurits, Johanna Eckert, Daniel B.M. Haun; Social attention increases object memory in adult but not younger great apes; Animal Behaviour, 06 February 2025
DOI

No votes have been submitted yet.

Lizenzbestimmungen

Dieser Inhalt ist unter folgenden Nutzungsbedingungen verfügbar.

BY-NC-SA: Namensnennung, nicht kommerziell, Weitergabe unter gleichen Bedingungen