Nervenzellen lassen andere „mithören“

© Michel Herde
Einzelnes Fragment eines Neurons in grün und die in der Mitteilung erwähnten Astrozytenfortsätze in gelb.

Wie viele „Mithörer“ eine Nervenzelle im Gehirn hat, wird streng reguliert. Das zeigt eine internationale Studie unter Federführung des University College London und der Universitäten Bonn, Bordeaux und Milton Keynes (England). In der Umgebung lernender Neuronen werden demnach bestimmte Prozesse in Gang gesetzt, durch die die Signalübertragung weniger exklusiv wird. Die Ergebnisse sind nun in der Zeitschrift Neuron erschienen.

Quelle: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Veröffentlicht: 30.09.2020

Wer einem Bekannten in einer belebten Umgebung ein Geheimnis mitteilen möchte, schirmt das Gespräch oft mit der Hand vor etwaigen Lauschern ab. Auch Nervenzellen im Gehirn kommunizieren hinter vorgehaltener Hand miteinander. Wie stark dieser Schutz ist, wird aber je nach Situation streng reguliert. In diese Richtung deuten zumindest die Ergebnisse, die das internationale Forscherteam nun vorgestellt hat.

Die Informationsübertragung zwischen Neuronen erfolgt meist auf chemischem Wege: Auf ein elektrisches Signal hin schüttet die „Sender-Zelle“ einen sogenannten Neurotransmitter aus; oft handelt es sich dabei um Glutamat-Moleküle. Diese wandern durch den synaptischen Spalt zur Empfänger-Zelle. Dort docken sie an bestimmte Rezeptoren an und erzeugen dadurch im Empfänger-Neuron eine elektrische Reaktion.

Doch die Nervenzellen im Gehirn sind sehr dicht gepackt. Es besteht also die Gefahr, dass die Moleküle nicht nur das Neuron erreichen, für das sie bestimmt sind, sondern auch andere Neuronen in der Nachbarschaft reizen. Hier kommt die „vorgehaltene Hand“ ins Spiel: Spezialisierte Zellen im Gehirn, die Astrozyten, nehmen nämlich das ausgeschüttete Glutamat rasch wieder auf. Auf diesem Wege schirmen sie die Kommunikation gewissermaßen ab. „Dazu entsenden sie Fortsätze in die Nähe von Synapsen, die sogenannten perisynaptischen Astrozytenfortsätze oder PAPs“, erklärt Prof. Dr. Christian Henneberger vom Institut für zelluläre Neurowissenschaften der Universität Bonn.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Neurotransmitter

Neurotransmitter/-/neurotransmitter

Ein Neurotransmitter ist ein chemischer Botenstoff, eine Mittlersubstanz. An den Orten der Zell-​Zellkommunikation wird er vom Senderneuron ausgeschüttet und wirkt auf das Empfängerneuron erregend oder hemmend.

Rezeptor

Rezeptor/-/receptor

Signalempfänger in der Zellmembran. Chemisch gesehen ein Protein, das dafür verantwortlich ist, dass eine Zelle ein externes Signal mit einer bestimmten Reaktion beantwortet. Das externe Signal kann beispielsweise ein chemischer Botenstoff (Transmitter) sein, den eine aktivierte Nervenzelle in den synaptischen Spalt entlässt. Ein Rezeptor in der Membran der nachgeschalteten Zelle erkennt das Signal und sorgt dafür, dass diese Zelle ebenfalls aktiviert wird. Rezeptoren sind sowohl spezifisch für die Signalsubstanzen, auf die sie reagieren, als auch in Bezug auf die Antwortprozesse, die sie auslösen.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Glutamat

Glutamat/-/glutamate

Glutamat ist eine Aminosäure und der wichtigste erregende (exzitatorische) Neurotransmitter, der bei der Informationsübertragung zwischen Neuronen an deren Synapsen als Botenstoff dient.

Molekulare Glutamat-Sauger

PAPs verfügen über spezialisierte Transporter, die wie kleine Staubsauger das Glutamat um die Synapsen entfernen. Wie effektiv dieser Mechanismus funktioniert, wird aber augenscheinlich streng reguliert: Die Wissenschaftler lösten durch eine mehrfach wiederholte elektrische Reizung eine Art „zelluläres Lernen“ aus. Das sorgt dafür, dass die Empfängerzelle langfristig stärker auf die Signale der Senderzelle anspricht. Experten sprechen auch von „long-term potentiation“ (LTP).

„Wir konnten nun zeigen, dass sich die PAPs bei diesem Lernprozess zurückziehen“, erklärt Prof. Dr. Dmitri Rusakov vom Institute of Neurology am University College London. „So steigt die Wahrscheinlichkeit, dass benachbarte Zellen ebenfalls durch die Glutamat-Ausschüttung angeregt werden.“ Die Signalübertragung wird also weniger exklusiv – ein Prozess, der auch andere interessante Beobachtungen erklären könnte, deren Ursache bislang unklar war: LTP kann zum Beispiel auch nahe Verbindungen zwischen anderen Nervenzellen beeinflussen. „Möglicherweise ist das eine wichtige Voraussetzung für das Lernen weiterer Inhalte“, vermutet Henneberger.

Glutamat

Glutamat/-/glutamate

Glutamat ist eine Aminosäure und der wichtigste erregende (exzitatorische) Neurotransmitter, der bei der Informationsübertragung zwischen Neuronen an deren Synapsen als Botenstoff dient.

Synapse

Synapse/-/synapse

Eine Synapse ist eine Verbindung zwischen zwei Neuronen und dient deren Kommunikation. Sie besteht aus einem präsynaptischen Bereich – dem Endknöpfchen des Senderneurons – und einem postsynaptischen Bereich – dem Bereich des Empfängerneurons mit seinen Rezeptoren. Dazwischen liegt der sogenannte synaptische Spalt.

Langzeitpotenzierung

Langzeitpotenzierung/-/long-term potention

Die Langzeitpotenzierung ist die zelluläre Grundlage für Lernen und Gedächnisbildung. Sie beruht auf einer verbesserten Kommunikation zwischen zwei Zellen, man spricht von einer Stärkung der Verbindung. Diese Stärkung kann z.B. durch eine Vergrößerung der Verbindungsstelle, einen Einbau neuer Kanäle oder einer vermehrten Ausschüttung von Transmittern (Botenstoffen) erfolgen.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Große Synapsen sind weniger diskret

An manchen Synapsen scheint die Kommunikation zudem per se weniger diskret zu sein als an anderen. Das konnte Henneberger zusammen mit seinem Mitarbeiter Dr. Michel Herde und anderen Wissenschaftlern in einer vor wenigen Tagen in „Cell Reports“ erschienenen Studie zeigen. Die Senderzelle schüttet ihr Glutamat oft in der Nähe bestimmter Strukturen in den synaptischen Spalt aus, der sogenannten Spines. Das sind winzige Fortsätze der nachgeschalteten Nervenzelle. Die PAPs umkleiden diese Spines oft regelrecht fast wie eine Art Handschuh. Je größer ein Spine ist, desto lückenhafter ist diese Umkleidung jedoch und desto mehr Glutamat kann entkommen. „In der Nachbarschaft großer und entsprechend starker Synapsen kommt es daher vermutlich häufiger zur Erregung weiterer Nervenzellen“, sagt Herde. Mit anderen Worten: Nervenzellen mit starken synaptischen Verbindungen sprechen selten hinter vorgehaltener Hand.

Synapse

Synapse/-/synapse

Eine Synapse ist eine Verbindung zwischen zwei Neuronen und dient deren Kommunikation. Sie besteht aus einem präsynaptischen Bereich – dem Endknöpfchen des Senderneurons – und einem postsynaptischen Bereich – dem Bereich des Empfängerneurons mit seinen Rezeptoren. Dazwischen liegt der sogenannte synaptische Spalt.

Glutamat

Glutamat/-/glutamate

Glutamat ist eine Aminosäure und der wichtigste erregende (exzitatorische) Neurotransmitter, der bei der Informationsübertragung zwischen Neuronen an deren Synapsen als Botenstoff dient.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Originalpublikationen

Christian Henneberger, Lucie Bard, Aude Panatier, James P. Reynolds, Olga Kopach, Nikolay I. Medvedev, Daniel Minge, Michel K. Herde, Stefanie Anders, Igor Kraev, Janosch P. Heller, Sylvain Rama, Kaiyu Zheng, Thomas P. Jensen, Inmaculada Sanchez-Romero, Colin Jackson, Harald Janovjak, Ole Petter Ottersen, Erlend Arnulf Nagelhus, Stephane H.R. Oliet, Michael G. Stewart, U. Valentin Nägerl und Dmitri A. Rusakov: LTP induction boosts glutamate spillover by driving withdrawal of perisynaptic astroglia; Neuron; DOI:  https://doi.org/10.1016/j.neuron.2020.08.030 

Michel K. Herde, Kirsten Bohmbach, Cátia Domingos, Natascha Vana, Joanna A. Komorowska-Müller, Stefan Passlick, Inna Schwarz, Colin J. Jackson, Dirk Dietrich, Martin K. Schwarz und Christian Henneberger: Local efficacy of glutamate uptake decreases with synapse size; Cell Reports; DOI:  https://doi.org/10.1016/j.celrep.2020.108182
 

Langzeitpotenzierung

Langzeitpotenzierung/-/long-term potention

Die Langzeitpotenzierung ist die zelluläre Grundlage für Lernen und Gedächnisbildung. Sie beruht auf einer verbesserten Kommunikation zwischen zwei Zellen, man spricht von einer Stärkung der Verbindung. Diese Stärkung kann z.B. durch eine Vergrößerung der Verbindungsstelle, einen Einbau neuer Kanäle oder einer vermehrten Ausschüttung von Transmittern (Botenstoffen) erfolgen.

No votes have been submitted yet.

Lizenzbestimmungen

Dieser Inhalt ist unter folgenden Nutzungsbedingungen verfügbar.

BY-NC-SA: Namensnennung, nicht kommerziell, Weitergabe unter gleichen Bedingungen