Warum Tiefschlaf unser Gedächtnis fördert

© Charité | Sabine Grosser
 Nervenzellen in der Hirnrinde: Der Slow-Wave-Schlaf verstärkt die Verbindungen zwischen ihnen und unterstützt so die Gedächtnisbildung.

Seit fast 20 Jahren weiß man, dass langsame, synchrone Erregungswellen während des Tiefschlafs die Gedächtnisbildung unterstützen. Unbekannt war bisher, warum das so ist. Im Fachmagazin Nature Communications* liefert ein Forschungsteam der Charité – Universitätsmedizin Berlin nun einen Erklärungsansatz. Danach machen die langsamen Wellen die Hirnrinde, den Sitz des Langzeitgedächtnisses, besonders empfänglich für Informationen. Die Erkenntnisse könnten zur Optimierung von Behandlungsansätzen beitragen, die die Gedächtnisbildung von außen unterstützen sollen.

Quelle: Charité - Universitätsmedizin Berlin

Veröffentlicht: 12.12.2024

Wie entstehen dauerhafte Erinnerungen? Fachleute gehen davon aus, dass unser Gehirn im Schlaf die Ereignisse des Tages erneut abspielt und dabei die Informationen aus dem Sitz des Kurzzeitgedächtnisses, dem Hippokampus, in das Langzeitgedächtnis in der Hirnrinde verschiebt. Besonders wichtig für diese Gedächtnisbildung sind die sogenannten „Slow Waves“: langsame, synchrone Erregungswellen in der Hirnrinde, die in der Tiefschlafphase auftreten und per Elektroenzephalogramm (EEG) messbar sind. Sie sind darauf zurückzuführen, dass die elektrische Spannung vieler Nervenzellen gleichzeitig einmal pro Sekunde auf- und abschwingt.

„Wir wissen seit vielen Jahren, dass diese Spannungsschwankungen zur Gedächtnisbildung beitragen“, erklärt Prof. Jörg Geiger, Direktor des Instituts für Neurophysiologie der Charité und Leiter der jetzt veröffentlichten Studie. „Denn wenn man den Slow-Wave-Schlaf künstlich von außen verstärkt, verbessert sich die Gedächtnisleistung. Wir wussten bisher allerdings nicht, was genau dabei im Gehirn passiert, weil die Informationsflüsse im menschlichen Gehirn äußerst schwierig zu erforschen sind.

Langzeitgedächtnis

Langzeitgedächtnis/-/long-term memory

Ein relativ stabiles Gedächtnis über Ereignisse, die in der etwas entfernteren Vergangenheit passiert sind. Im Langzeitgedächtnis werden Inhalte zeitlich nahezu unbegrenzt gespeichert. Unterschiedliche Gedächtnisinhalte liegen in unterschiedlichen Gehirn-​Arealen. Die zelluläre Grundlage für diese Lernprozesse beruht auf einer verbesserten Kommunikation zwischen zwei Zellen und wird Langzeitpotentierung genannt.

Cortex

Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex

Der Cortex cerebri, kurz Cortex genannt, bezeichnet die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2.

EEG

Elektroencephalogramm/-/electroencephalography

Bei dem Elektroencephalogramm, kurz EEG handelt es sich um eine Aufzeichnung der elektrischen Aktivität des Gehirns (Hirnströme). Die Hirnströme werden an der Kopfoberfläche oder mittels implantierter Elektroden im Gehirn selbst gemessen. Die Zeitauflösung liegt im Millisekundenbereich, die räumliche Auflösung ist hingegen sehr schlecht. Entdecker der elektrischen Hirnwellen bzw. des EEG ist der Neurologe Hans Berger (1873−1941) aus Jena.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Langsame Wellen verstärken Synapsen

Anhand von besonders rarem menschlichen Hirngewebe ist es ihm und seinem Team nun gelungen, die Vorgänge aufzuklären, die mit hoher Wahrscheinlichkeit der Gedächtnisbildung im Tiefschlaf zugrunde liegen. Den Erkenntnissen zufolge beeinflussen die langsamen Erregungswellen die Stärke der synaptischen Verbindungen zwischen den Nervenzellen in der Hirnrinde – und damit deren Aufnahmefähigkeit.

Für die Studie untersuchte das Forschungsteam intaktes Gewebe aus der Hirnrinde von 45 Patient:innen, die sich an der Charité, dem Evangelischen Klinikum Bethel oder dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf einem neurochirurgischen Eingriff zur Behandlung einer Epilepsie oder eines Hirntumors unterzogen hatten. Die Wissenschaftler:innen simulierten in dem Gewebe die Spannungsschwankungen, die für langsame Wellen im Tiefschlaf typisch sind, und maßen dann die Reaktion der Nervenzellen. Dazu verwendeten sie feinste Glaspipetten, die sie nanometergenau an einzelne Nervenzellen andockten. Um der Kommunikation mehrerer Neurone im Gewebeverbund zu lauschen, setzten sie zehn „Pipettenfühler“ gleichzeitig ein – eine für diese als Multipatch-Technik bezeichnete Methode besonders hohe Zahl.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Cortex

Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex

Der Cortex cerebri, kurz Cortex genannt, bezeichnet die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Perfektes Timing begünstigt Gedächtnisbildung

Das Forschungsteam fand so heraus, dass die synaptischen Verbindungen zwischen den Neuronen der Hirnrinde zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt während der Spannungsschwankungen maximal verstärkt sind. „Die Synapsen arbeiten am effizientesten, direkt nachdem die Spannung von einem niedrigen Niveau auf ein hohes angestiegen ist“, erläutert Franz Xaver Mittermaier, Wissenschaftler am Institut für Neurophysiologie der Charité und Erstautor der Studie. „Innerhalb dieses kurzen Zeitfensters ist die Hirnrinde quasi in einen Zustand der erhöhten Bereitschaft versetzt. Spielt das Gehirn eine Erinnerung genau jetzt ab, wird sie besonders effektiv ins Langzeitgedächtnis überführt. Der Slow-Wave-Schlaf unterstützt die Gedächtnisbildung also offenbar, indem er die Hirnrinde für viele kurze Zeiträume besonders aufnahmebereit macht.“

Möglicherweise lässt sich dieses Wissen nutzen, um die Gedächtnisleistung beispielsweise bei beginnender Vergesslichkeit im Alter zu verbessern. Forschungsgruppen weltweit arbeiten an Methoden, um mit subtilen Stromimpulsen – der transkraniellen Elektrostimulation – oder akustischen Signalen die langsamen Wellen im Schlaf zu beeinflussen. „Aktuell werden solche Stimulationen allerdings mühsam durch Ausprobieren optimiert“, sagt Jörg Geiger. „Hier könnten unsere Erkenntnisse zum perfekten Timing helfen. Sie erlauben es erstmals, die Stimulationsmethoden zur Unterstützung des Gedächtnisses gezielt zu entwickeln.“

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Cortex

Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex

Der Cortex cerebri, kurz Cortex genannt, bezeichnet die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2.

Synapse

Synapse/-/synapse

Eine Synapse ist eine Verbindung zwischen zwei Neuronen und dient deren Kommunikation. Sie besteht aus einem präsynaptischen Bereich – dem Endknöpfchen des Senderneurons – und einem postsynaptischen Bereich – dem Bereich des Empfängerneurons mit seinen Rezeptoren. Dazwischen liegt der sogenannte synaptische Spalt.

Langzeitgedächtnis

Langzeitgedächtnis/-/long-term memory

Ein relativ stabiles Gedächtnis über Ereignisse, die in der etwas entfernteren Vergangenheit passiert sind. Im Langzeitgedächtnis werden Inhalte zeitlich nahezu unbegrenzt gespeichert. Unterschiedliche Gedächtnisinhalte liegen in unterschiedlichen Gehirn-​Arealen. Die zelluläre Grundlage für diese Lernprozesse beruht auf einer verbesserten Kommunikation zwischen zwei Zellen und wird Langzeitpotentierung genannt.

Gedächtnis

Gedächtnis/-/memory

Gedächtnis ist ein Oberbegriff für alle Arten von Informationsspeicherung im Organismus. Dazu gehören neben dem reinen Behalten auch die Aufnahme der Information, deren Ordnung und der Abruf.

Originalpublikation

Franz X. Mittermaier, Thilo Kalbhenn, Ran Xu, Julia Onken, Katharina Faust, Thomas Sauvigny, Ulrich W. Thomale, Angela M. Kaindl, Martin Holtkamp, Sabine Grosser, Pawel Fidzinski, Matthias Simon, Henrik Alle & Jörg R. P. Geiger; Membrane potential states gate synaptic consolidation in human neocortical tissue; Nature Communications volume 15, Article number: 10340 (2024)
https://www.nature.com/articles/s41467-024-53901-2

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