Ein ganz persönlicher Humorsinn

Nicht jeder findet alles lustig. Woher die Unterschiede im Witzgeschmack kommen, hängt vor allem von der Persönlichkeit ab.

Wissenschaftliche Betreuung: Prof. Dr. Michael Brecht

Veröffentlicht: 28.02.2025

Niveau: leicht

Das Wichtigste in Kürze
  • Humor ist keine einheitliche Eigenschaft, sondern hat viele unterschiedliche Facetten. Er kann zum Beispiel eher positiv oder negativ geprägt sein und unterscheidet sich je nachdem, ob er sich auf die eigene Person oder auf andere richtet.
  • Auch konkrete Komikstile können voneinander abgegrenzt werden. Im eher heiteren Bereich sind dies zum Beispiel wohlwollender Humor, Spaß, Unsinn und geistreicher Witz, während eher düsterer Humor als Ironie, Satire, Sarkasmus und Zynismus daher kommt.
  • Welche Humorstile man bevorzugt, hängt eng mit der Persönlichkeit zusammen. Menschen mit unterdurchschnittlicher Sozialkompetenz greifen beispielsweise öfter zu verletzendem Humor, während umgängliche und gesellige Personen häufiger freundliche und verbindende Scherze machen.
  • Mehr positiver Humor kommt nicht nur bei anderen oft besser an, sondern stärkt auch das eigene Wohlbefinden. Wer bislang eher zu schwarzem Humor neigt, braucht allerdings nicht verzagen: Die Humorkompetenz und auch bestimmte Komikstile kann man gezielt trainieren.
Humor und Geschlecht

Nicht nur die Persönlichkeit prägt unseren Humorsinn, sondern auch das Geschlecht. Als humorbegabt gelten nach einer  Studie  in den Augen von Frauen vor allem Menschen, die sie zum Lachen bringen, während der typische Mann Humorsinn vor allem dann zu erkennen meint, wenn andere über seine eigenen Witze lachen. Eine  Metaanalyse  legt nach und kommt zu dem Ergebnis, dass Männer im Durchschnitt tatsächlich eine leicht ausgeprägtere „Fähigkeit zur Humorproduktion“ haben. Jedoch: Frauen fahren meist  bessere Werte bei positiven Humorstilen  ein, die bekanntlich mit höherem Wohlbefinden einhergehen. Und wenigstens eine aktuelle Studie zeigt, dass es sich gerade für Frauen lohnen kann, gewitzt aufzutreten: in einer  Analyse von über 2400 TED Talks , wurden Frauen, die das Publikum zum Lachen brachten, als besonders kompetent und führungsstark eingeschätzt – auch im Vergleich mit ähnlich witzigen Männern.

Humor im Wandel der Zeiten und Kulturen

Der bislang älteste bekannte Witz der Welt ist knapp 4.000 Jahre alt und stammt aus Sumer. „Etwas, das es seit Menschengedenken nicht mehr gegeben hat: Eine junge Frau hat nicht in den Schoß ihres Mannes gefurzt.“ Fäkalhumor erfreute sich also vermutlich immer schon einer gewissen Beliebtheit. Genauere Untersuchungen antiker Witze zeigen, dass die grundlegenden Strukturen und Funktionsweisen von Humor im Laufe der Jahre erstaunlich konstant geblieben sind. Wie sich ein Scherz im Detail auswirkt, hängt jedoch auch immer von kulturellen Besonderheiten ab, und für deren Verständnis braucht man Insiderwissen. Scherze, die von einem konkreten Wortspiel in der Landessprache abhängen oder sich auf regionale Bräuche beziehen, lassen sich anderswo kaum nachvollziehen. „Da sind zehn Ameisen. Und danke!“ lautet etwa ein japanischer Witz, den man nur verstehen kann, wenn man die Doppeldeutigkeit bestimmter Schriftzeichen kennt.

Der eher schlechte Ruf des deutschen Humors ist übrigens nur teilweise verdient. Laut dem Bremer Kulturhistoriker Rainer Stollmann hat sich zwar im deutschen Bürgertum des 19. Jahrhunderts tatsächlich eine eher steife Humorkultur etabliert. Bei der Suche nach dem weltbesten Witz des britischen LaughLabs landeten die Deutschen allerdings immerhin auf Platz 1, wenn es um das Erkennen von Witzigkeit ging. 

Wie nennt man einen Keks unter einem Baum? Ein schattiges Plätzchen! 

Haben die Mundwinkel gezuckt? Oder eher die Augen leicht entnervt gerollt? Kein Wunder, kaum ein Witz gefällt allen. An der Suche nach universell erfolgreichen Scherzen haben sich schon viele die Zähne ausgebissen, nicht nur auf Comedy-Bühnen und in Abreißkalendern. Auch der britische Psychologe  Richard Wiseman  hatte nur mäßigen Erfolg, als er im September 2001 auszog, um den besten Witz der Welt zu finden. 40.000 Witze und viele Bewertungen aus 70 Ländern später stand der Sieger fest, ein Scherz über zwei Jäger:

Zwei Jäger gehen auf die Jagd und wandern durch den Wald. Plötzlich greift sich der eine an die Kehle und stürzt zu Boden. Der andere Jäger gerät in Panik und ruft den Notarzt an: "Ich glaube mein Freund ist tot, was jetzt?" Der Arzt sagt: "Beruhigen Sie sich! Zunächst einmal müssen Sie sicher gehen, dass Ihr Freund wirklich tot ist." Kurze Pause, dann ein Schuss. Dann kommt er wieder ans Telefon. "OK, erledigt, und was jetzt?"
http://www.laughlab.co.uk/

Wer nach Lektüre des Siegerwitzes nicht lachend in der Ecke liegt, befindet sich in guter Gesellschaft. Der Witz gefällt zwar vielen Personen halbwegs gut, aber kaum jemanden so richtig. Die meisten Leute haben andere Favoriten – nur eben nicht dieselben. „Viele andere Witze wurden von bestimmten Personengruppen besser bewertet“, erklärt Wiseman im  Abschlussbericht  des LaughLabs.

Humor ist also Geschmackssache. Aber woher kommen die Unterschiede? „Durch nichts bezeichnen die Menschen mehr ihren Charakter als durch das, was sie lächerlich finden“, verkündete schon 1809 Johann Wolfgang von Goethe. Zweihundert Jahre später liegen auch wissenschaftliche Daten zu den Variationen des Humorsinns vor und verweisen auf komplexe Witzlandschaften. „Es geht nicht mehr nur darum, ob jemand überhaupt Humor hat oder nicht, oder einen guten oder schlechten Humorsinn“, sagt  Sonja Heintz von der Universität Plymouth  in England. Moderne Humorforschung versucht stattdessen, unterschiedliche Facetten von Humor und verschiedene Komikstile zu erfassen und zu kartieren, wie diese mit der Persönlichkeit zusammenhängen und sich im Leben auswirken. 

Quantitative Aspekte, also zum Beispiel wie oft und wie stark jemand Humor einsetzt oder versteht, spielen dabei ebenso eine Rolle, wie Unterschiede in der Humorqualität. Der kanadische Psychologe und Humorforscher  Rod Martin  hat etwa 2003 einen  Fragebogen  zu vier Humorstilen entwickelt, die in unterschiedlichen Situationen zum Einsatz kommen. Demnach kann Humor eher positiv oder negativ geprägt sein und entweder der eigenen Person oder anderen gelten. Selbststärkender Humor kann am ehesten als lockerer Umgang mit den Schwierigkeiten des Lebens verstanden werden. Wer mit Herausforderungen humorvoll umgehen und über Missgeschicke lachen kann, praktiziert selbststärkenden Humor. Verbindender Humor ist ähnlich positiv geprägt, zielt aber vor allem darauf, andere zum Lachen zu bringen und Spannungen oder Konflikte in sozialen Situationen zu mildern. Beide Humorstile gehen mit positiven Emotionen und erhöhtem psychischen Wohlbefinden einher. 

Parallelen zwischen Persönlichkeit und individuellem Humorsinn

Auch wenn sich die meisten Menschen im Alltag je nach Situation unterschiedlicher humoristischer Stilmittel bedienen, lassen sich mit den Fragebögen generelle Vorlieben für bestimmte Witzqualitäten ermitteln. „Aus den Antworten ergeben sich individuelle Humorprofile, die vermutlich ziemlich stabil sind, da sie stark mit der Persönlichkeit zusammenhängen“, sagt Heintz. Ein häufig verwendeter Ansatz, den Charakter eines Menschen zu beschreiben, misst die Ausprägung von fünf Persönlichkeitsmerkmalen, die auch als „Big Five“ bezeichnet werden: Offenheit für Erfahrungen (von neugierig bis konservativ), Gewissenhaftigkeit (von effektiv bis nachlässig), Extraversion (von gesellig bis zurückhaltend), soziale Verträglichkeit (von kooperativ bis wettbewerbsorientiert) und Neurotizismus bzw. emotionale Stabilität (von selbstsicher bis verletzlich). Der individuelle Humorsinn wird von der Ausprägung dieser Persönlichkeitsmerkmale mitbestimmt. Wer zum Beispiel eher wenig sozialverträglich und gewissenhaft agiert, neigt auch häufig zu Sarkasmus und Zynismus, während Menschen mit einer Vorliebe für wohlwollenden Humor oft besonders sozial verträglich, extrovertiert, emotional stabil und offen für neue Erfahrungen sind. 

Auch diverse Charakterstärken korrelieren mit dem Humorgeschmack. Zwischenmenschliche Stärken wie Freundlichkeit und Teamfähigkeit etwa sind bei Fans der dunkleren Komikstile schwach ausgeprägt. Dafür punkten sie bei intellektuellen Stärken wie Kreativität und Lernbereitschaft, genau wie Menschen, die gerne Nonsens, Satire oder Witz verwenden. Witzliebhaber wie auch Freunde von Spaß und wohlwollendem Humor haben zudem besonders ausgeprägte emotionale Stärken wie Mut, Elan und Ehrlichkeit. Was sich hingegen nicht ohne weiteres aus der psychologischen Forschung ableiten lässt, ist eine Verbindung zwischen Humor und Intelligenz. Es gibt zwar  Hinweise  darauf, dass kluge Menschen gerade dunklen Humor besonders gut verstehen. Dass ein Hang zu Satire, Ironie und co. ein Zeichen von überdurchschnittlicher Intelligenz ist, lässt sich daraus allerdings nicht schließen. Heintz Forschung hingegen zeigt: Wer Witz, wohlwollenden Humor, Satire, Ironie und Nonsens mag, hält sich zwar oft für überdurchschnittlich intelligent. Tatsächlich messbar ist ein solcher Zusammenhang aber nur für den Komikstil Witz – und das nur schwach.

Auch wenn der Charakter mit dem Humorgeschmack korreliert, so ist dieser Zusammenhang nicht unabänderlich. Zumindest das Gespür für bestimmte Formen der Witzigkeit lässt sich sehr wohl trainieren – mit messbaren Auswirkungen auf das Wohlbefinden.  Viele Studien bestätigen  zum Beispiel die Effektivität des in den 1990er Jahren entwickelte „7 Humor Habits Training“ von Paul McGhee, das gezielt positive Humortechniken wie eine spielerische Einstellung, die Suche nach Humor im täglichen Leben und den Einsatz von Humor unter Stress einübt. “Die Ergebnisse solcher Interventionen zeigen, dass gerade das Training wohlwollender Komikstile das Wohlbefinden stärken kann”, sagt Heintz.

Humor kann positiv und negativ sein

Im Gegensatz dazu werden die zwei negativen Humorstile vorwiegend von negativen Emotionen begleitet. Selbstentwertender Humor steht im Mittelpunkt, wenn man derbere Witze auf eigene Kosten oder gute Miene zu verletzenden Scherzen anderer macht. Menschen, die selbstentwertenden Humor praktizieren, zum Beispiel als Klassenclown, wirken zwar witzig, fühlen sich dabei aber oft nicht gut. Ähnliches gilt für aggressiven Humor, der darauf zielt, andere zu verspotten, zu schikanieren oder lächerlich zu machen. Solche verletzenden Scherze werden sowohl bei ihren Urhebern als auch bei denen, die sie treffen, eher von negativen Gefühlen begleitet.

Für eine noch genauere Beschreibung verschiedener Humorsinne hat Sonja Heintz gemeinsam mit den Humorforscher  Willibald Ruch  und weiteren Kollegen in einem ersten Schritt Vorarbeiten des Literaturwissenschaftlers  Wolfgang Schmidt-Hidding aufgegriffen, der schon in den 1960er Jahren acht Kategorien von Komik identifizierte. Auf dieser Grundlage entstand 2018 ein  Fragenbogen , dessen Antworten Auskunft darüber geben, welcher Art von Humor einem Menschen besonders liegt. Auf der Liste stehen vier eher liebevolle Komikstile – wohlwollender Humor, Unsinn, geistreicher Witz und harmloser Spaß – und vier dunklere Ansätze: Ironie, Satire, Sarkasmus und Zynismus. Inzwischen hat Heintz weitere Scherzvarianten ausfindig gemacht. „Unsere neue Liste wird wahrscheinlich 23 Komikstile umfassen, die sich alle klar voneinander unterscheiden lassen“, erklärt sie. „Neu dabei sind z. B. trockener Humor, schwarzer Humor oder sexueller Humor [MS1]  .“

 

 [MS1] Zwar gibt es den Fragebogen online unter https://charakterstaerken.org/. Dies erfordert jedoch eine Registrierung und die Beantwortung zahlreicher Fragen, sodass mir eine Verlinkung wie von der Autorin angeregt nicht wünschenswert scheint.

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