Jan Born: Schlaf und Gedächtnis

Veröffentlicht: 21.03.2015

Im Schlaf verlieren wir das Bewusstsein. Die Frage, welche Funktion dieser Bewusstseinsverlust hat, rückt zunehmend in das Interesse moderner Neurowissenschaften. Eine Vielzahl von Studien zeigt, dass Schlaf Gedächtnis verfestigt. Dieser Konsolidierungsprozess ist ein aktiver Prozess, bei dem die zentralnervösen Gedächtnisspuren reaktiviert und reorganisiert werden. Dies führt nicht nur dazu, dass bestimmte Gedächtnisinhalte von einem initialen Speicher in den Langzeitspeicher befördert werden, sondern begünstigt gleichzeitig eine qualitative Transformation der Gedächtnisrepräsentationen. Dadurch ermöglicht dieser Konsolidierungsprozess u.a. auch die Neubildung expliziten Wissens und die Einsicht in ungelöste Probleme. Anders als bisher vermutet, spielt für diese aktive Gedächtnisbildung nicht der Traumschlaf (REM-​Schlaf), sondern der Deltaschlaf (Tiefschlaf) die entscheidende Rolle. Gegenwärtige Forschungen konzentrieren sich auf die Mechanismen, die entscheiden, ob ein Gedächtnisinhalt im Schlaf konsolidiert wird oder nicht, sowie auf die mögliche Anwendung entsprechender schlafbezogener Techniken, um gezielt Gedächtnisinhalte zu verstärken oder zu löschen.

Der Vortrag fand statt am 17. März 2015, 19:00 Uhr in der Goethe-​Universität Campus Bockenheim, Hörsaal VI, Frankfurt am Main


Hier finden Sie den Text zum Vortrag Gedächtnisbildung: Schlaf kann ein Neuanfang sein

Gedächtnis

Gedächtnis/-/memory

Gedächtnis ist ein Oberbegriff für alle Arten von Informationsspeicherung im Organismus. Dazu gehören neben dem reinen Behalten auch die Aufnahme der Information, deren Ordnung und der Abruf.

Gedächtnis

Gedächtnis/-/memory

Gedächtnis ist ein Oberbegriff für alle Arten von Informationsspeicherung im Organismus. Dazu gehören neben dem reinen Behalten auch die Aufnahme der Information, deren Ordnung und der Abruf.

6 Kommentare

Stefan Pschera 31.03.2016
Der Focus auf Gedächtnisinhalte ist schwach. Schlafentzug führt die neurologischen Schäden. Falsche Gedächtnisinhalte können dies nicht bewirken.

Also ist Schlaf aus anderen Gründen zwingend. Dazu ein Ansatz:

Neuronen müssen im Wachzustand exakt tun. Es geht nicht, einfach zuviel an vorhandenen Stoffwechselprodukten abzugeben. Passiert dies, wären ungewollte Bewegungen und falsche Erinnerungen die Folge. Wie aber das Ungleichgewicht abbauen? These: im Schlaf bei Hemmung der Motorik.

Damit werden werden auch die Schlafphasen erklärbar.

Arvid Leyh 31.03.2016
Hallo Herr Pschera!

Der Fokus des Vortrages ist, dass Schlaf essentiell für das Gedächtnis ist. Born sagt nicht, dass dies der einzige Grund für Schlaf sei. Aber ein essentieller und einer, den vor 10 Jahren noch keiner auf dem Schirm hatte.

Stefan Pschera 01.04.2016
Herr Prof. Jan Born sagt im Vortrag, Gedächtnisbildung ist die wichtigste Funktion des Schlafes. Dem widerspreche ich.

Gedächtniskorrektur ist nur eine nützliche Nebenfunktion von Schlaf. Auch im Wachzustand wird Gedächtnis korrigiert.

Die meisten Erregungen durchlaufen das Soma eines Neurons dissipativ. Jeder Durchlauf einer Erregung verändert den Status quo. Bei unterdurchschnittlicher Nutzung gibt es zuviel an Stoffen, bei Überbeanspruchung zu wenig. Zuviel an Aktion braucht Ruhe, zuwenig Aktivität. Deshalb die Schlafphasen mit abnehmender Amplitude.

Durch dieses Austoben der feuernden Neuronen werden Gedächtnisspuren aktiv und Fehler zwischen diesen sichtbar und korrigiert.

Wie schon erwähnt, falsche Gedächtnisinhalte können an sich nicht töten, extreme Abweichungen von Status quo in Fließgleichgewichten schon.

Arvid Leyh 03.04.2016
Dem hat hier keiner widersprochen.

Aber gestern, lustigerweise, eine Studie in Cell:

https://www.sciencedaily.com/releases/2016/03/160330174432.htm

Stefan Pschera 04.04.2016
Danke für die Info. Hier eine andere:

Bei unphysiologisch langen Phasen des Wachseins steigt die Adenosinkonzentration sukzessive an und wird anschließend durch Erholungsschlaf wieder gesenkt. Quelle: http://www.fz-juelich.de/inm/inm-2/DE/Forschung/Neuroimaging/Projekte/Schlaf_und_Schlafregulation_2/artikel.html

Wenn Neuronen ohne Anlass feuern, so wird über die vorher geprägten Synapsenverbindungen nachfolgende Neuronen angeregt und feuern pflichtgemäß ebenfalls. Letztlich wird das Erfolgsorgan erreicht.

Alles durchläuft unzählige Fließgleichgewichte mit unterschiedlicher Abweichung von Status quo https://de.wikipedia.org/wiki/Flie%C3%9Fgleichgewicht

Bei dieser Betrachtung gibt es keine funktionellen Areale. Die Funktion wird durch geprägte Synapsenverbindungen realisiert. Raus aus der Sackgasse der Lokalisation https://de.wikipedia.org/wiki/Lokalisationstheorie

Antwort auf von leyh

Stefan Pschera 14.04.2016
Nachtrag:

Ein Neuron ist klein. Bis zu 10 000 Synapsen docken an. Und jede ist umhüllt von Astrozytenkontakten (Stichwort: dreiteilige Synapse). Jedes einzelnes Tun wurde geprägt. Welch ein feines Gebilde!

Die eingehenden Erregungen werden teils durchs Soma, teils über die Zellmembran zum Axon geleitet. Und dies keine einfache Addition, sondern jede einzelne speziell geprägt, immer und immer wieder verbessert. Im Soma sind unzählige Fließgleichgewichte tätig, verändern den Status quo bei jedem Tun. Welche eine Evolution und Ordnung und Leistung im kleinen Neuron.

Wenn die Neuronen im Schlaf nicht feuern dürfen (Cell Artikel: „wenn die Aktivität von Neuronen bei Ratten unterdrückt wird, kann kein Status-Quo-Ausgleich während des Schlafes auftreten; stattdessen geschah es ausschließlich, wenn die Tiere wach und aktiv waren.“).

Dazu:

Die Neuronen werden im Schlaf autonom aktiv, um Abweichungen vom Status Quo ausgleichen. Wenn die Aktivität unterdrückt wird, können sie dies nicht. Auch im Wachzustand streben die Neuronen den Status Quo an. Diese Aktivität ist wichtig für das Erinnern, neue Gedanken ohne Eingangsreiz.

Die Studie in Cell unterstützt die These zum Zwang zum Gleichgewicht

(https://de.wikipedia.org/wiki/Flie%C3%9Fgleichgewicht)

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