Charles Darwin: Ikone der Evolutionsforschung
Wer über die Theorie der Evolution durch natürliche Selektion spricht, kommt an Charles Darwin nicht vorbei. Als Totengräber des Kreationismus hatte er hartnäckige Gegner und ein bewegtes Leben.
Wissenschaftliche Betreuung: Prof. Dr. Staffan Müller-Wille
Veröffentlicht: 04.01.2018
Niveau: leicht
- Charles Darwin sollte nach Wunsch seines Vaters eigentlich Arzt oder Pfarrer werden. Er langweilte sich jedoch in der Schule und wandte sich im Selbststudium den Naturwissenschaften zu.
- Mit 22 Jahren begab er sich auf eine fünfjährige Schiffsreise um die Welt. Diese Reise war entscheidend für die Entwicklung der Evolutionstheorie, nachdem Darwin auf den Galapagos-Inseln verschiedene Beobachtungen der Tierwelt gemacht hatte.
- Darwin hatte zehn Kinder, von denen allerdings drei frühzeitig starben. Diese Tatsache und die Beobachtungen von Sklaverei und Armut auf der Reise brachten ihn wohl vom Glauben ab, was der Entwicklung seiner Evolutionstheorie aber eher nutzte.
- Das kontroverse Potenzial seiner Theorie im Hinblick auf die Rolle des Menschen in der Bibel war ihm wohl bewusst. So zögerte Darwin viele Jahre, seine bereits 1839 entwickelten Hypothesen zu veröffentlichen. Er tat dies letztendlich 1859 mit dem bekannten Werk „On the Origin of Species by means of natural selection“.
- Nach der Veröffentlichung seines wichtigsten Werkes hatte Darwin wie erwartet hart mit Kritikern zu kämpfen. Sein Mut zahlte sich jedoch aus und seine Theorien sind heute durch zahlreiche Belege untermauert.
Vom Leben gezeichnet und leicht besorgt wirkt Charles Robert Darwin auf dem Foto, das wohl am ehesten vor dem inneren Auge erscheint, wenn man seinen Namen hört. Der raumgreifende weiße Bart und die tiefen Furchen auf seiner Stirn lassen einen Mann erkennen, der viel erlebt haben muss – und das kann man mit Fug und Recht behaupten von demjenigen, der unser heutiges Verständnis von Evolution und Ursprung der Arten geprägt hat wie kein anderer.
Kindheit und Jugend
Geboren am 12. Februar 1809 in Shrewsbury nahe dem englischen Birmingham als Sohn des Arztes Robert Darwin und Susannah Wedgwood Darwin (welche verstarb, als Charles acht Jahre alt war), fehlte es in seiner frühen Kindheit materiell an nichts. Als unauffälliger und wohl eher fauler Grundschüler wurde er von früh an religiös erzogen, was er auch auf seiner späteren Forschungsreise mit der HMS Beagle gerne seinen Mitfahrern demonstrierte, indem er laufend Bibel-Verse wiedergab. Schon in der Schulzeit verbrachte er viel Zeit in der Natur und sammelte Insekten, Steine und Muscheln. Da sein Vater ihn wohl gerne in der Rolle eines Arztes oder Pfarrers gesehen hätte, studierte Darwin ab 16 in Edinburgh und Cambridge Medizin und Theologie, nebenbei aber auch Naturgeschichte, und Alexander von Humboldts Beschreibungen seiner Südamerika-Reisen. Die vom Vater vorgeschlagenen Karriereoptionen schienen ihm letztendlich nicht attraktiv.
Reise mit der HMS Beagle
In den Jahren 1831 bis 1836 erfolgte dann die schicksalhafte Reise mit der HMS Beagle, einem für Vermessungsfahrten umgebauten Segler der Royal Navy von gerade einmal 28 Metern Länge. Darwin reiste auf eigene Rechnung, obwohl der Kapitän Robert FitzRoy wohl zuvor den Wunsch nach einem Geologen an Bord geäußert hatte. Das erklärte Ziel der Expedition war die Vermessung der südamerikanischen Küste für militärische und kommerzielle Schiffskarten, wofür ursprünglich eine Dauer von zwei Jahren geplant war; am Ende wurden es fünf. Die Reise begann in Plymouth, führte über die Azoren nach Südamerika und um den gesamten Kontinent herum, nach Galapagos, um Australien, Südafrika und wieder zurück ins englische Falmouth.
Unterwegs traf Darwin auf Galapagos-Schildkröten und Finken (die heute nach ihm benannt sind), deren adaptive Radiation – also die Anpassung an verschiedene Lebensräume durch geringfügige Artunterschiede – ihn besonders faszinierte. Darwin machte hierbei nicht nur Beobachtungen über Tiere und Pflanzen, sondern erforschte auch geologische Formationen. So sah er bei seinem ersten Landgang nach 20 Tagen auf der kapverdischen Insel Santiago in Form von Muschelschichten im Fels Indizien für die Erdentstehungs-Theorien von Charles Lyell, dessen Buch „Principles of Geology“ Darwin auf der Fahrt mitführte.
In der lebendigen Umwelt aber gaben ihm später besonders Finken, Spottdrosseln und Schildkröten zu denken, da sie sich laut Anekdoten der Galapagos-Bewohner von Insel zu Insel leicht unterschieden und anhand ihrer Eigenschaften (z.B. Gefiederfärbung oder Panzerform) genau einer Insel zuordnen ließen. An diesem Ort befielen Darwin Zweifel an der Idee seines Zeitgenossen Jean-Baptiste de Lamarck, nach der verschiedene Arten durch „Transmutation“ und die Vererbung erworbener Eigenschaften ineinander übergingen.
Darwin begann den Begriff der natürlichen Selektion zu entwickeln, nach der die verschiedenen beobachteten Arten durch evolutionären Druck aus einem gemeinsamen Vorgänger entstanden sein mussten. Auf der Reise stellte sich leider heraus, dass Darwin kein großer Anhänger von Schiffsreisen werden würde – von Anfang an war ihm der Seegang des Schiffes nicht geheuer und spätestens die gefährliche Passage ums Kap Hoorn, die auch heute noch als Mutprobe für Seefahrer gilt, machte ihn schwer seekrank und dürfte mit ein Grund dafür gewesen sein, dass es keine zweite große Forschungsreise per Schiff gab.
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Veröffentlichungen und Anerkennung der Arbeit
Glücklicherweise war diese aber auch nicht nötig: Anhand seiner zahlreichen Sammelstücke und Erfahrungen veröffentlichte Darwin im Jahr 1839 den Reisebericht „The Voyage of the Beagle“ und erntete damit erste Anerkennung seiner Arbeit und anfänglichen Ruhm. Im selben Jahr heiratete er seine Cousine Emma Wedgwood, mit der er die beachtliche Zahl von zehn Kindern zeugte – drei davon verstarben allerdings früh. Der krankheitsbedingte Tod seiner erst zehnjährigen Tochter Anne 1851 erschütterte ihn wohl besonders in seinem christlichen Glauben. Zusätzlich führten die gesammelten Beobachtungen von Sklaverei und erbärmlichen Lebensbedingungen der Einwohner verschiedener Erdteile dazu, dass Darwin sich kritischer mit seiner Religiosität auseinandersetzte. Seine Beobachtungen der Entstehung der Arten, gemeinsam mit seinem schwindenden Glauben, schienen ihm lange Zeit zu riskant für eine Veröffentlichung, und er plagte sich mit Selbstzweifeln im Blick auf ein neues Buch.
Trotzdem veröffentlichte er 1859 schließlich doch seine (r)evolutionäre Abhandlung “On the Origin of Species by means of natural selection”, die über Nacht zum Bestseller wurde. Sie stellte die Rolle des Menschen in Natur und Schöpfungsgeschichte auf den Kopf. Karikaturen und Spott von Zeitgenossen waren ihm dementsprechend sicher. In einer recht bekannten Zeichnung wurde Darwin unter anderem selbst als Affe dargestellt. Doch sein Mut lohnte sich. Heute ist Darwins Evolutionstheorie die unter Wissenschaftlern am breitesten anerkannte Erklärung für Artenentstehung und -vielfalt.
Tod und Nachwirkungen
Darwin verstarb am 19. April 1882 in London an einem Herzinfarkt. Als womöglich letzte Zeitzeugin folgte ihm 2006 eine Galapagos-Schildkröte namens Harriet. Der große Forscher soll sie – nach allerdings umstrittenen Berichten – persönlich eingesammelt und nach England gebracht haben.
Unumstritten ist dagegen die Bedeutung Darwins als einer der bedeutendsten Wissenschaftler aller Zeiten. Die Verehrung spiegelt sich nicht nur im Namen der australischen Stadt Darwin, die von ehemaligen Reisegefährten nach ihm benannt wurde. Auch zahlreiche neu entdeckte Arten tragen in der Gattungs- oder Artbezeichnung Darwins Namen, wie der Nasenfrosch Rhinoderma darwinii oder die Darwin-Finken, deren an die jeweilige Nahrungsquelle angepasste Schnabelform einen wichtigen Beleg für die Evolutionstheorie darstellt.
Mit noch größerer Genugtuung hätte Darwin wohl eine Stellungnahme der anglikanischen Kirche von England zur Kenntnis genommen, die kurz vor seinem 200. Geburtstag veröffentlicht wurde. Darin relativierte man die frühere Ablehnung und bezeichnete sie als ähnlich bedauerlich, wie die Verteufelung von Galileo Galileis Erkenntnissen. Sogar der Vatikan ließ inzwischen verlautbaren, dass die Evolutionstheorie nicht unvereinbar mit den Werten der Kirche sei, da christliche Schlüsselfiguren wie Augustinus von Hippo und Thomas von Aquin bereits im Mittelalter und davor Beobachtungen gemacht hatten, die ähnlich zu denen Darwins gewesen seien.
Womöglich hätten auch die „Darwin Awards“ den Ahnherren der Evolutionslehre amüsiert: Mit diesem, sarkastisch gemeinten, Preis werden auf einer Webseite Menschen bedacht, die sich aufgrund herausragender Dummheit verletzen oder gar sterben, und die somit „einen Beitrag zur Verbesserung unseres Genpools leisten, indem sie sich selbst daraus entfernen.“