Question to the brain
Warum sind manche Menschen dumm und andere intelligent?
Published: 08.07.2018
Es fällt mir auf, dass manche Menschen einen weiteren Blick haben, bessere Entscheidungen treffen, kurz: intelligenter sind. Andere sind eher dumm. Ich frage mich, wie das kommt.
The editor's reply is:
Antwort von Dr. Ulrike Basten und Prof. Dr. Christian Fiebach, Abteilung Neurokognitive Psychologie am Institut für Psychologie der Goethe-Universität Frankfurt am Main: Jeder kennt das: Manche Kinder lernen schneller als andere und schneiden in allen Schulfächern besser ab. Später im Beruf ist es ähnlich: Manche Kollegen begreifen Probleme besonders schnell und schlagen die besseren Lösungen vor. Dass manche Menschen besser mit kognitiven Herausforderungen zurechtkommen als andere, lässt sich zu einem großen Teil durch Unterschiede in der allgemeinen Intelligenz erklären. Eine hohe Intelligenz begünstigt Erfolge in Schule und Beruf, Gesundheit und sogar ein langes Leben. Aber warum unterscheiden wir uns in unserer Intelligenz?
Es gibt im menschlichen Gehirn keine einzelne Region, die für intelligente Leistungen verantwortlich ist. Vielmehr ist es ein Netzwerk aus bestimmten Regionen der Hirnrinde (frontal und parietal) sowie einigen subcortikalen Regionen, das für Intelligenz wichtig ist.
Eine verbreitete Vorstellung besagt, dass die Gehirne von intelligenteren Personen effizienter arbeiten. Damit ist gemeint, dass intelligentere Personen bei kognitiven Herausforderungen ein bestimmtes Leistungsniveau mit geringerer neuronaler Anstrengung erreichen. Studien, die den Zusammenhang von Intelligenz und Hirnaktivität mit der Elektroenzephalografie (EEG) oder der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) untersucht haben, unterstützen diese Annahme jedoch nicht durchgängig. Wir gehen davon aus, dass intelligentere Menschen nur bei leichten bis mittelschweren Aufgaben mit weniger Hirnaktivität auskommen. Bei schwierigen Aufgaben hingegen laufen die Gehirne kognitiv leistungsfähiger Menschen auf Hochtouren, während weniger intelligente Menschen schwächere Aktivierung zeigen – möglicherweise, weil sie bei schwierigen Aufgaben früher aufgeben.
Intelligenzunterschiede könnten aktuellen Studien zufolge durch eine unterschiedliche Netzwerkorganisation des Gehirns erklärt werden. Diese Organisation zeigt sich zum Beispiel als funktionelle Kopplung verschiedener Hirnregionen unter Ruhebedingungen. Auch hier wirkt es, als seien intelligentere Gehirne nicht insgesamt effizienter organisiert. Sie weisen zum Beispiel nicht generell engere Verbindungen auf. Aber einzelne Regionen zeichnen sich bei intelligenteren Menschen durch eine besondere Vernetzung aus. Vor Kurzem haben wir erstmals die Verknüpfungen zwischen unterschiedlichen Teilnetzwerken (oder ‚Modulen‘) des Gehirns untersucht und dabei etwas Interessantes festgestellt: Bestimmte Regionen des Gehirns waren bei intelligenteren Personen stärker in den Informationsaustausch zwischen Modulen eingebunden. Wir gehen davon aus, dass die Netzwerkmerkmale von intelligenteren Menschen es ihnen erleichtern, sich gedanklich zu konzentrieren. Dabei können irrelevante, möglicherweise störende Reize besser ausgeblendet werden. Dies könnte einen allgemeinen Vorteil für höhere kognitive Leistungen darstellen.
Die Ursachen der Zusammenhänge zwischen Hirnmerkmalen und Intelligenz sind heute noch nicht ausreichend verstanden. Möglicherweise bilden manche Menschen aufgrund biologischer Veranlagungen Hirnnetzwerke aus, die intelligente Leistungen wahrscheinlicher machen. Genauso gut könnte sich aber auch der häufigere Gebrauch des Gehirns für intelligentere Leistungen positiv auf die Ausformung der Netzwerke im Gehirn auswirken. Bei allem, was wir über den Einfluss von Anlage und Umwelt auf die Intelligenz wissen, erscheint ein Wechselspiel beider Prozesse am wahrscheinlichsten. Abschließend muss man außerdem sagen, dass man Menschen nicht einfach in „Dumme“ und „Intelligente“ aufteilen kann. Wir alle befinden uns auf einem breiten Spektrum kognitiver Leistungsfähigkeit, und Menschen die anderen als „dumm“ erscheinen, haben möglicherweise auf Gebieten Talente, die durch standardisierte Intelligenztests nicht abgedeckt werden.
Aufgezeichnet von Andreas Grasskamp