Frage an das Gehirn
Hilft Licht beim Lernen?
Veröffentlicht: 24.11.2019
Licht macht müde Menschen munter. Aber wie gelangt es ins Gehirn und kann es uns wirklich beim Lernen unterstützen?
Die Antwort der Redaktion lautet:
Prof. Michael Schulte Markwort, Ärztlicher Leiter am Zentrum für Psychosoziale Medizin und Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder und Jugendpsychotherapie am Universitätskrankenhaus Eppendorf. Die Frage lässt sich eindeutig mit Ja beantworten: Licht hilft beim Lernen. Wir wissen seit etwa 30 Jahren, dass es einen speziellen Rezeptor im Auge gibt, der besonders empfänglich ist für Licht und die Lichtenergie in Nervenimpulse umwandelt. Diese gelangen über entsprechende Nervenbahnen dann ins Gehirn und sorgen dafür, dass die Produktion des Schlafhormons Melatonin unterdrückt wird. Als Ergebnis steigt der Gegenspieler des Melatonin an: das Cortisol. Wir benötigen Cortisol, wenn wir besonders wach und konzentriert sein wollen. Gezielter Einsatz von Licht kann also diesen Mechanismus unterstützen und so die Konzentrationsfähigkeit steigern. Daneben erhöht es natürlich auch die Lesbarkeit von Texten und macht Aufgaben besser erkenntlich. Mit der optimalen Lichtquelle kommen uns die Buchstaben eines Textes geradezu entgegen. Dadurch haben wir einen doppelten Nutzen.
Der Effekt, dass weniger Melatonin und dafür mehr Cortisol entsteht, tritt nach rund zwei bis drei Minuten Lichteinwirkung ein. Damit das Licht beim Lernen hilft, muss es direkt ins Auge fallen. Es muss besonders hell sein, einen hohen Blauanteil haben und liegt in einem Bereich von 4000 bis 6000 Kelvin. Dabei handelt es sich um Licht, das wir als kalt, sehr hell und für das Auge oftmals als unangenehm empfinden. Es ist aber ungefährlich. Zum Vergleich: Das Licht einer normalen Leuchtstofflampe liegt im Bereich von rund 4000 Kelvin. Es macht zwar wach, reicht aber nicht aus, um das Lernen zu fördern.
Wir haben inzwischen sowohl mit Kindern und Jugendlichen als auch mit Studierenden Untersuchungen durchgeführt. Wir haben bei unseren Studienteilnehmern den Cortisolspiegel im Blut gemessen und so nachgewiesen, dass das entsprechende Licht wirkt.
Insgesamt wird Licht in seiner Wirkung und Bedeutung dramatisch unterschätzt. Wir tun ja immer so, als sei Licht nur etwas fürs Ambiente. Dabei lässt sich mit Licht regelrecht der Tagesrhythmus beeinflussen. Das ist bisher kaum bekannt.
Aufgezeichnet von Anke Lorenz-Hoppe