Frage an das Gehirn
Wie intelligent sind Schweine wirklich?
Veröffentlicht: 19.01.2020
Dass Schweine nicht saudumm sind, hat sich längst herumgesprochen. Doch wie clever sind sie wirklich? Und wie lässt sich das untersuchen?
Die Antwort der Redaktion lautet:
Dr. Sandra Düpjan, Leibniz-Institut für Nutztierbiologie (FBN), Institut für Verhaltensphysiologie, Abteilung Nutztierethologie
Grundsätzlich wird ja unter Intelligenz so etwas wie Lernfähigkeit verstanden. Das ist eine der gängigen Definitionen. Von Tiertrainern, die Tiere für Filme trainieren, hören wir immer wieder, dass sich Schweine schneller trainieren lassen als Hunde. Zum Beispiel, wenn es darum geht, dass sie von A nach B gehen sollen. Und dass sie teilweise mehr Kommandos lernen können als Hunde.
Wie intelligent Schweine wirklich sind, lässt sich wissenschaftlich nicht so leicht aufklären. An unserem Institut untersuchen wir die kognitiven Fähigkeiten. Konkret geht es darum herauszufinden, inwiefern wir Schweine mit ihrem Namen zur Fütterung aufrufen können. Dazu werden die Schweine zu einer Futterstation gerufen. Diese erkennt die Tiere anhand ihrer Ohrmarke, und sie bekommen ihr Futter – vorausgesetzt es ist das aufgerufene Schwein.
Wir haben die Tiere darauf trainiert, dass sie mit einem bestimmten akustischen Signal verbinden, dass genau sie jetzt eine Portion Futter abrufen können. Ursprünglich waren das mal drei Klänge, mittlerweile sind es gesprochene Namen. Das funktioniert dann wie beim Pawlowschen Hund: Die Schweine verknüpfen ihren Namen mit der Futteraufnahme. Das ist klassische Konditionierung.
Bei diesem Setting müssen wir allerdings berücksichtigen, dass Schweine eine starke Hierarchiefolge in ihrer Gruppe haben. Die dominanten Tiere neigen dazu, den Eingangsbereich zur Futterstation zu verteidigen, weil sie denken, dass ihnen primär das Futter zusteht. Daher rufen wir die Tiere im Experiment entsprechend der Hierarchie auf: Zuerst die ranghohen Tiere, dann die im mittleren und schließlich die im unteren Drittel. Schweine, die im Eingangsbereich stehen, werden nicht aufgerufen. So haben die Tiere über die Zeit auch gelernt, dass es sinnlos ist, die ganze Zeit vor dem Futterautomaten rumzuhängen.
Insgesamt sehen wir das Untersuchungs-Setting als kognitive Umweltanreicherung: Die Schweine müssen lernen, unter welchen Bedingungen sie zur Anlage und damit an Futter kommen. Ursprünglich mussten sie auch noch einen Knopf drücken, den sie dann auch immer häufiger drücken mussten, um sich die gleiche Belohnung zu erarbeiten. Interessanterweise haben die Schweine da ab einem gewissen Punkt nicht mehr mitgemacht. Anscheinend war ihnen der Aufwand zu groß.
Wir nutzen für unsere Forschungsarbeit relative einfache Lernprozesse bei Schweinen. Wesentlich komplexere Untersuchungen gibt es an der Universität Wien. Dort wird unter anderem untersucht, inwiefern Schweine menschliche Gesichter und Gesichtsausdrücke voneinander unterscheiden können. Dazu gibt es aber noch keine wissenschaftlichen Publikationen.
Darüber hinaus gibt es inzwischen einige Hinweise darauf, dass Schweine so etwas wie Empathie besitzen. Untersucht wurde das an der Universität in Prag. Das Ergebnis: Schweine, die selbst einmal eine Stresssituation erlebt haben – im Versuch wurden die Tiere eingeengt –, reagieren emotionaler, wenn sie Artgenossen in dieser Situation sehen. Genau wie die eingeengten Tiere haben auch die beobachtenden Schweine eine erhöhte Herzfrequenz. Demnach zeigen sie also so etwas wie Mitgefühl.
Eine andere Studie brachte ein Verhalten ans Licht, das üblicherweise nur Primaten zugeordnet wird: In einer Untersuchung ging es darum, dass es zwei unterschiedlich große Futterstellen gab. Nur das rangniedrigere Tier wusste, wo sich welches Futter befindet. Normalerweise würde das Tier die größere Belohnung bevorzugen und direkt hinlaufen. Ist jedoch ein ranghöheres Tier im Raum, rennt das Tier zuerst zur Stelle mit weniger Futter. Es täuscht quasi das ranghöhere Tier und rennt anschließend zur Stelle mit der größeren Futterbelohnung. Schweine verhalten sich hier nicht immer ganz so eindeutig, bei ihnen spielt das Sozialgefüge eine große Rolle.
Im Bereich der Kognitionsforschung gibt es aktuell noch keine vergleichenden Studien. Ob und wie intelligent Schweine im Detail sind und ob sich ihre kognitive Leistung mit der von Primaten vergleichen lässt, muss noch weiter erforscht werden.
Aufgezeichnet von Anke Lorenz-Hoppe