Hochauflösende MRT macht bisher verborgene Gebiete des menschlichen Gehirns sichtbar
Ein Team von Neurowissenschaftlern an der Technischen Universität Dresden hat eine neuartige, nicht-invasive bildgebungsbasierte Methode zur Untersuchung des visuell-sensorischen Thalamus entdeckt. Der visuell-sensorische Thalamus ist eine Schlüsselregion im Gehirn, welche die Augen mit der Großhirnrinde verbindet und deren Schädigung mit vielen Störungen des Sehens einhergeht. Die neue Methode könnte in naher Zukunft ein vertieftes Verständnis der visuellen Sinnesverarbeitung ermöglichen.
Veröffentlicht: 08.10.2021
Ein Team von Neurowissenschaftlern an der Technischen Universität Dresden hat eine neuartige, nicht-invasive bildgebungsbasierte Methode zur Untersuchung des visuell-sensorischen Thalamus entdeckt. Der visuell-sensorische Thalamus ist eine Schlüsselregion im Gehirn, welche die Augen mit der Großhirnrinde verbindet und deren Schädigung mit vielen Störungen des Sehens einhergeht. Die neue Methode könnte in naher Zukunft ein vertieftes Verständnis der visuellen Sinnesverarbeitung ermöglichen.
Der visuell-sensorische Thalamus ist eine wichtige Struktur des menschlichen Gehirns, die aus zwei Teilen besteht. Die Symptome vieler Krankheiten, wie Legasthenie und Grünem Star, werden mit Veränderungen in dieser Region in Verbindung gebracht. Bisher war es sehr schwierig, diese beiden Teile am lebenden Menschen zu untersuchen, da sie winzig sind und sich sehr tief im Inneren des Gehirns befinden.
Diese Schwierigkeit, den visuell-sensorischen Thalamus im Detail zu untersuchen, hat das Verständnis über die Funktionsweise der visuellen Sinnesverarbeitung in der Vergangenheit stark beeinträchtigt. Christa-Müller Axt ist Doktorandin und beschäftigt sich in der Abteilung von Neurowissenschaftlerin Prof. Katharina von Kriegstein an der TU Dresden mit dem visuell-sensorischen Thalamus. Durch Zufall entdeckte die Doktorandin in Neuroimaging-Daten Strukturen, die den beiden visuell-sensorischen Thalamus-Teilen ähnelten. Die Neuroimaging-Daten waren einzigartig, da sie eine äußerst hohe räumliche Auflösung aufwiesen und mit einem speziellen Magnetresonanztomographen (MRT) am MPI-CBS in Leipzig aufgenommen wurden, wo von Kriegsteins Gruppe neurowissenschaftliche Studien zu Legasthenie durchführte. Christa Müller-Axt verfolgte diese Entdeckung in einer Reihe weiterer neuartiger Experimente, bei denen sie in-vivo-(am lebenden Objekt gewonnene) und post-mortem-(am toten Objekt gewonnene) MRT-Daten mit hoher räumlicher Auflösung sowie post-mortem Histologie (Wissenschaft von den Geweben des menschlichen Körpers) analysierte, und war sich bald sicher, die beiden Teile des visuell-sensorischen Thalamus entdeckt zu haben.
Die Ergebnisse zeigen, dass die zwei Teile des visuell-sensorischen Thalamus durch unterschiedliche Mengen an weißer Hirnsubstanz (Myelin) gekennzeichnet sind. Diese Information lässt sich in den neuartigen MRT-Daten erkennen und kann somit zur detaillierten Untersuchung des visuell-sensorischen Thalamus beim lebenden Menschen verwendet werden.
"Die Erkenntnis, dass wir die Teile des visuell-sensorischen Thalamus bei lebenden Menschen darstellen können, ist fantastisch. In naher Zukunft kann man damit die visuell-sensorische Verarbeitung sowohl bei gesunden, als auch bei kranken Menschen untersuchen", sagt Erstautorin Christa Müller-Axt und erklärt: "Post-mortem Studien bei Legasthenie haben gezeigt, dass es speziell in einem der beiden Teile des visuell-sensorischen Thalamus strukturelle Veränderungen gibt. Jedoch gibt es nur sehr wenige dieser post-mortem Untersuchungen, weswegen es schwierig zu sagen ist, ob alle Legastheniker diese Art von Veränderungen im visuell-sensorischen Thalamus aufweisen. Außerdem können post-mortem Daten nichts über die funktionellen Auswirkungen dieser Veränderungen und ihren spezifischen Beitrag zu den Entwicklungssymptomen der Legasthenie aussagen. Daher erwarten wir, dass unser neuartiger in-vivo Ansatz die Forschung über die Rolle des visuell-sensorischen Thalamus bei Legasthenie erheblich erleichtern und vorantreiben wird."
Thalamus dorsalis
Thalamus dorsalis/Thalamus dorsalis/thalamus
Der Thalamus ist die größte Struktur des Zwischenhirns und ist oberhalb des Hypothalamus gelegen. Der Thalamus gilt als „Tor zum Bewusstsein“, da seine Kerne Durchgangstation für sämtliche Information an den Cortex (Großhirnrinde) sind. Gleichzeitig erhalten sie auch viele kortikale Eingänge. Die Kerne des Thalamus werden zu Gruppen zusammengefasst.
Auge
Augapfel/Bulbus oculi/eye bulb
Das Auge ist das Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Lichtreizen – von elektromagnetischer Strahlung eines bestimmten Frequenzbereiches. Das für den Menschen sichtbare Licht liegt im Bereich zwischen 380 und 780 Nanometer.
Magnetresonanztomographie
Magnetresonanztomographie/-/magnetic resonance imaging
Ein bildgebendes Verfahren, das Mediziner zur Diagnose von Fehlbildungen in unterschiedlichen Geweben oder Organen des Körpers einsetzen. Die Methode wird umgangssprachlich auch Kernspin genannt. Sie beruht darauf, dass die Kerne mancher Atome einen Eigendrehimpuls besitzen, der im Magnetfeld seine Richtung ändern kann. Diese Eigenschaft trifft unter anderem auf Wasserstoff zu. Deshalb können Gewebe, die viel Wasser enthalten, besonders gut dargestellt werden. Abkürzung: MRT.
Histologie
Histologie/-/histology
Die Histologie ist die Gewebelehre. In ihr werden Gewebeproben untersucht. Das Gewebe wird mit unterschiedlichen Verfahren aufgearbeitet und eingefärbt und in dünne Schichten geschnitten, die eine Untersuchung am Mikroskop erlauben.
Myelin
Myelin/-/myelin
Myelin ist eine fetthaltige Substanz, die aus Gliazellen gebildet wird. Sie umhüllt die Axone (lange faserartige Fortsätze) von Nervenzellen und isoliert diese, so dass Nachrichten nicht ungehindert auf benachbarte Nervenzellen übergehen können. Zudem wird so die Signalleitung enorm beschleunigt.
Originalpublikation
Christa Müller-Axt, Cornelius Eichner, Henriette Rusch, Louise Kauffmann, Pierre-Louis Bazin, Alfred Anwander, Markus Morawski, Katharina von Kriegstein. Mapping the human lateral geniculate nucleus and its cytoarchitectonic subdivisions using quantitative MRI, NeuroImage, Volume 244, 2021, 118559. https://doi.org/10.1016/j.neuroimage.2021.118559
lateral
lateral/-/lateral
Eine Lagebezeichnung – lateral bedeutet „zur Seite hin“ gelegen. Im Bezug auf das Nervensystem handelt es sich um eine Richtung im rechten Winkel zur neuralen Achse, also nach rechts oder links.