Epigenetische Veränderung programmiert Astrozyten zu Hirnstammzellen um

© GerryShaw / Wikipedia
Eine in Gewebekultur gezüchtete Astrozytenzelle, gefärbt mit Antikörpern gegen GFAP und Vimentin.

Ruhende Hirnstammzellen unterscheiden sich kaum von normalen Astrozyten, die im Gehirn die Nervenzellen unterstützen. Wie können nahezu identische Zellen so unterschiedliche Funktionen wahrnehmen? Der Schlüssel liegt in der Methylierung ihres Erbguts, die diesen speziellen Astrozyten Stammzell-Eigenschaften verleiht. Das veröffentlichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der Universität Heidelberg in der Fachzeitschrift Nature. Die Forschenden zeigten an Mäusen, dass experimentell ausgelöster Durchblutungsmangel im Gehirn die Astrozyten epigenetisch zu Hirnstammzellen umprogrammiert, die wiederum Nervenvorläuferzellen hervorbringen können. Diese Entdeckung zeigt, dass Astrozyten möglicherweise für die regenerative Medizin genutzt werden könnten, um geschädigte Nervenzellen zu ersetzen.

Quelle: Deutsches Krebsforschungszentrum - DKFZ

Veröffentlicht: 04.09.2024

Im Gehirn arbeiten viele verschiedene Zellarten zusammen. Bei Menschen machen die Nervenzellen (Neuronen) weniger als die Hälfte der Zellen aus. Der Rest wird als „Glia" bezeichnet. Die häufigsten Gliazellen sind Astrozyten. Sie versorgen die Neuronen mit Nährstoffen, bilden einen Teil der Blut-Hirn-Schranke, regulieren die Synapsen und unterstützen die Abwehrzellen.

Ein kleiner Anteil der Astrozyten ist jedoch in der Lage, Nervenzellen und andere Arten von Gehirnzellen hervorzubringen. Diese speziellen Astrozyten werden daher auch als Hirnstammzellen bezeichnet. Hirnstammzellen und gewöhnliche Astrozyten unterscheiden sich kaum in ihrer Genexpression, also in der Aktivität ihrer Gene. „Wie sie so unterschiedliche Funktionen ausüben können und was die Stammzell-Eigenschaften ausmacht, war bislang völlig unklar", erklärt Ana Martin-Villalba, Stammzellforscherin am DKFZ.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Gliazellen

Gliazellen/-/glia cells

Gliazellen stellen neben den Neuronen die zweite Gruppe große Gruppe von Zellen im Gehirn. Sie wurden lange Zeit als die inaktiven Elemente des Gehirns, als „Nervenkitt“ bezeichnet. Heute weiss man, dass die verschiedenen Typen von Gliazellen (Astrozyten, Oligodendrozyten und Mikrogliazellen) klar definierte Aufgaben im Nervensystem erfüllen. So reagieren sie z. B. auf Krankheitserreger, spielen eine wichtige Rolle bei der Ernährung der Nervenzellen oder isolieren Nervenfasern. Ihr Anteil im Vergleich zu den Neuronen liegt bei etwas über 50 Prozent.

Astrozyt

Astrozyt/-/astrocyte, astroglia

Astrozyten sind die größten unter den Gliazellen. Zu ihren Aufgaben gehören z.B. die Immunabwehr (auch Blut-​Hirn-​Schranke) oder die Wiederaufnahme ausgeschütteter Neurotransmitter (Botenstoffen im Gehirn).

Synapse

Synapse/-/synapse

Eine Synapse ist eine Verbindung zwischen zwei Neuronen und dient deren Kommunikation. Sie besteht aus einem präsynaptischen Bereich – dem Endknöpfchen des Senderneurons – und einem postsynaptischen Bereich – dem Bereich des Empfängerneurons mit seinen Rezeptoren. Dazwischen liegt der sogenannte synaptische Spalt.

Gen

Gen/-/gene

Informationseinheit auf der DNA. Den Kernbestandteil eines Gens übersetzen darauf spezialisierte Enzyme in so genannte Ribonukleinsäure (RNA). Während manche Ribonukleinsäuren selbst wichtige Funktionen in der Zelle ausführen, geben andere die Reihenfolge vor, in der die Zelle einzelne Aminosäuren zu einem bestimmten Protein zusammenbauen soll. Das Gen liefert also den Code für dieses Protein. Zusätzlich gehören zu einem Gen noch regulatorische Elemente auf der DNA, die sicherstellen, dass das Gen genau dann abgelesen wird, wenn die Zelle oder der Organismus dessen Produkt auch wirklich benötigen.

Methylierung ist der Schlüssel

Um dieses Rätsel zu lösen, isolierten die Teams um Martin-Villalba und Simon Anders vom BioQuant-Zentrum der Universität Heidelberg sowohl gewöhnliche Astrozyten als auch Hirnstammzellen aus einer der Regionen des Gehirns, in der auch bei ausgewachsenen Mäusen noch junge Neuronen entstehen, der „ventrikulär-subventrikulären Zone" (vSVZ). Die Forschenden analysierten dazu auf Ebene einzelner Zellen die Genexpression durch mRNA-Sequenzierung sowie die Muster der Methylierung („Methylom") im gesamten Erbgut. Dabei half ein eigens entwickeltes Tool zur Analyse der Methylierungsdaten*.

Unter DNA-Methylierung versteht man chemische „Markierungen", mit denen die Zelle ungenutzte Teile ihrer DNA abschalten kann. Dadurch ist die Methylierung entscheidend für die Identität der Zellen.

Den Stammzellexperten fiel bei dieser Untersuchung auf, dass Hirnstammzellen ein besonderes DNA-Methylierungsmuster aufweisen, dass sie von anderen Astrozyten unterscheidet. „Anders als bei gewöhnlichen Astrozyten sind in Hirnstammzellen bestimmte Gene demethyliert, die sonst nur von Nervenvorläuferzellen verwendet werden. Dadurch ist es den Hirnstammzellen möglich, diese Gene zu aktivieren, um selbst Nervenzellen hervorzubringen", erklärt Lukas Kremer, Erstautor der aktuellen Publikation. Ko-Erstautor Santiago Cerrizuela ergänzt: „Dieser Weg ist gewöhnlichen Astrozyten verwehrt, da die erforderlichen Gene durch DNA-Methylierung blockiert werden."

Astrozyt

Astrozyt/-/astrocyte, astroglia

Astrozyten sind die größten unter den Gliazellen. Zu ihren Aufgaben gehören z.B. die Immunabwehr (auch Blut-​Hirn-​Schranke) oder die Wiederaufnahme ausgeschütteter Neurotransmitter (Botenstoffen im Gehirn).

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Gen

Gen/-/gene

Informationseinheit auf der DNA. Den Kernbestandteil eines Gens übersetzen darauf spezialisierte Enzyme in so genannte Ribonukleinsäure (RNA). Während manche Ribonukleinsäuren selbst wichtige Funktionen in der Zelle ausführen, geben andere die Reihenfolge vor, in der die Zelle einzelne Aminosäuren zu einem bestimmten Protein zusammenbauen soll. Das Gen liefert also den Code für dieses Protein. Zusätzlich gehören zu einem Gen noch regulatorische Elemente auf der DNA, die sicherstellen, dass das Gen genau dann abgelesen wird, wenn die Zelle oder der Organismus dessen Produkt auch wirklich benötigen.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Mangeldurchblutung löst Umprogrammierung von Astrozyten zu Stammzellen aus und steigert Nerven-Neubildung

Könnten sich durch Methylierung auch in anderen Regionen des Gehirns, außerhalb der vSVZ, Astrozyten zu Hirnstammzellen umwandeln lassen? „Das wäre ein wichtiger Schritt für die regenerative Medizin, um geschädigte Hirnareale wieder zu reparieren", sagt Ana Martin-Villalba.

Ältere Studien hatten bereits gezeigt, dass Durchblutungsmangel, wie er beispielsweise bei Hirnverletzungen oder Schlaganfällen auftritt, die Anzahl der neugeborenen Nervenzellen steigert. Spielen dabei veränderte Methylierungsprofile eine Rolle? Um das zu untersuchen, unterbrachen die Forschenden bei Mäusen für kurze Zeit die Blutversorgung des Gehirns. Wenig später ließen sich auch außerhalb der vSVZ Astrozyten mit dem typischen Stammzell-Methylierungsprofil nachweisen, außerdem eine erhöhte Anzahl von Nervenvorläuferzellen.

„Unsere Theorie ist, dass normale Astrozyten im gesunden Gehirn keine Nervenzellen bilden, weil ihr Methylierungsmuster sie daran hindert", erklärt Studienleiterin Martin-Villalba. „Techniken zur gezielten Veränderung des Methylierungsprofils könnten einen neuen therapeutischen Ansatz darstellen, um neue Neuronen zu erzeugen und Nervenerkrankungen zu behandeln."

„Der Durchblutungsmangel bewirkt offenbar, dass Astrozyten in bestimmten Bereichen des Gehirns die Methylmarkierungen auf ihrer DNA so umverteilen, dass ihr Stammzellen-Programm zugänglich wird. Daraufhin beginnen sich die umprogrammierten Zellen zu teilen und Vorläufer für neue Neuronen zu bilden", fasst Simon Anders zusammen und ergänzt: „Wenn wir diese Vorgänge besser verstehen, können wir möglicherweise in Zukunft die Bildung neuer Neuronen gezielt stimulieren. So könnten wir z.B. nach einem Schlaganfall die Selbstheilungskräfte des Gehirns, die im Normalfall einfach nicht genügend zum Einsatz zu kommen scheinen, so stärken, dass der Schaden repariert werden kann".

Astrozyt

Astrozyt/-/astrocyte, astroglia

Astrozyten sind die größten unter den Gliazellen. Zu ihren Aufgaben gehören z.B. die Immunabwehr (auch Blut-​Hirn-​Schranke) oder die Wiederaufnahme ausgeschütteter Neurotransmitter (Botenstoffen im Gehirn).

Schlaganfall

Schlaganfall/Apoplexia cerebri/stroke

Bei einem Schlaganfall werden das Gehirn oder Teile davon zeitweilig nicht mehr richtig mit Blut versorgt. Dadurch kommt es zu einer Unterversorgung mit Sauerstoff und dem Energieträger Glukose. Häufigster Auslöser des Schlafanfalls ist eine Verengung der Arterien. Zu den häufigsten Symptomen zählen plötzliche Sehstörungen, Schwindel sowie Lähmungserscheinungen. Als Langzeitfolgen können verschiedene Arten von Gefühls– und Bewegungsstörungen auftreten. In Deutschland ging 2006 jeder dritte Todesfall auf einen Schlaganfall zurück.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Schlaganfall

Schlaganfall/Apoplexia cerebri/stroke

Bei einem Schlaganfall werden das Gehirn oder Teile davon zeitweilig nicht mehr richtig mit Blut versorgt. Dadurch kommt es zu einer Unterversorgung mit Sauerstoff und dem Energieträger Glukose. Häufigster Auslöser des Schlafanfalls ist eine Verengung der Arterien. Zu den häufigsten Symptomen zählen plötzliche Sehstörungen, Schwindel sowie Lähmungserscheinungen. Als Langzeitfolgen können verschiedene Arten von Gefühls– und Bewegungsstörungen auftreten. In Deutschland ging 2006 jeder dritte Todesfall auf einen Schlaganfall zurück.

Originalpublikation

Lukas PM Kremer, Santiago Cerrizuela, Hadil El-Sammak, Mohammad E Al Shukairi, Tobias Ellinger, Jannes Straub, Aylin Korkmaz, Katrin Volk, Jan Brunken, Susanne Kleber, Simon Anders, Ana Martin-Villalba: DNA methylation controls stemness of astrocytes in health and ischemia.
Nature 2024, DOI: 10.1038/s41586-024-07898-9

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