Question to the brain
Warum brauchen wir Lernpausen?
Published: 20.05.2012
Experten raten, zwischen dem Lernen immer mal wieder Pausen einzulegen und etwas anderes machen. Warum ist das sinnvoll, und was hat das mit dem Gehirn und seinen Prozessen zu tun?
The editor's reply is:
Martin Korte, Professor für Zelluläre Neurobiologie am Institut für Zoologie, TU Braunschweig:
Zunächst einmal ist die Beobachtung richtig, dass kurze, häufige Wiederholungen beim Lernen effektiver sind, als stundenlang Stoff aus dem gleichen Bereich zu lernen. Präzise, genau auf diese Fragestellung hin gemünzte Experimente, die die molekulare Natur dieses Lernphänomens entschlüsseln, gibt es beim Menschen leider nicht. Es gibt aber eine Reihe von tierexperimentellen Studien, die eine Antwort erlauben. Unsere Arbeitsgruppe beispielsweise hat sich eine Gruppe von Nervenzellen angeschaut. Diese Nervenzellen können an ihren synaptischen Kontakten ein Phänomen zeigen, das man Langzeitpotenzierung nennt. Das heißt, sie können sich in ihren Verschaltungseigenschaften verstärken. Die synaptische Übertragung wird lang andauernd verstärkt. Diese Veränderungen der Synapsen – der Kontaktstellen zwischen Nervenzellen – sind wohl eine der zellulären Grundlagen von Lernen und Gedächtnis.
Wenn wir nun einen Großteil der Synapsen dieser Nervenzellen mit elektrischen Methoden verstärken, dann sieht man, dass ein einkommender Reiz zu keiner weiteren Reaktion der Zellen führt. Es gibt also wahrscheinlich einen bestimmten Punkt, an dem Nervenzellen auf Grund von Übersättigung aufhören, diese Art von Langzeitpotenzierung zu steigern und – damit in der Konsequenz –, keine neuen Informationen abspeichern.
Aktuell untersuchen wir ein Molekül, das nach unserer Auffassung neuronale Netze stabilisiert, so dass sie nur noch schwer verändert werden können. Das hat nun auch seinen guten Grund: Informationen sind in unserem Gehirn in raumzeitlichen Mustern abgespeichert. Wann immer wir uns erinnern, wird ein vergleichbares Muster aktiviert, das bei der Einspeicherung ursprünglich dazu geführt hatte, dass Nervenzellen ihre Verschaltungseigenschaften verändert haben. Wenn wir uns dann beispielsweise in einen Stadtplan von Braunschweig reinarbeiten wollen, möchten wir natürlich nicht den Stadtplan von Berlin vergessen. Das würde aber eben passieren, wenn sich die entsprechenden neuronalen Nervennetze nicht stabilisierten.
Außerdem sind die Nervenzellen wohl ab einem bestimmten Punkt einfach nicht mehr bereit, weitere Informationen zu speichern. Denn es gibt das Problem der so genannten Interferenz: Wollen wir beispielsweise zwei benachbarte Sprachen wie Portugiesisch und Spanisch lernen, wird ungewollt beim Abrufen der Vokabel aus der einen Sprache auch die verwandte Vokabel aus der anderen Sprache im Gehirn abgerufen. Damit es nicht zu einer Überlagerung kommt, hört das Gehirn irgendwann auf, offen für neue Informationen zu sein, wenn wir stundenlang das Gleiche lernen, damit nicht die gleichen Nervenzellen in zu vielen verschiedenen neuronalen Netzwerken des Gedächtnisses beteiligt sind.
Auf einer anderen Ebene handelt es sich um ein Problem der Aufmerksamkeit. Lernt man über längere Dinge aus einem einzigen Bereich, sind immer die gleichen Nervenzellen im Stirnhirn für die entsprechenden Aufmerksamkeitsleitungen aktiv. Und diese ermüden irgendwann.
Antwort aufgezeichnet von Christian Wolf
Neuron
Neuron/-/neuron
Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.
Langzeitpotenzierung
Langzeitpotenzierung/-/long-term potention
Die Langzeitpotenzierung ist die zelluläre Grundlage für Lernen und Gedächnisbildung. Sie beruht auf einer verbesserten Kommunikation zwischen zwei Zellen, man spricht von einer Stärkung der Verbindung. Diese Stärkung kann z.B. durch eine Vergrößerung der Verbindungsstelle, einen Einbau neuer Kanäle oder einer vermehrten Ausschüttung von Transmittern (Botenstoffen) erfolgen.
Synapse
Synapse/-/synapse
Eine Synapse ist eine Verbindung zwischen zwei Neuronen und dient deren Kommunikation. Sie besteht aus einem präsynaptischen Bereich – dem Endknöpfchen des Senderneurons – und einem postsynaptischen Bereich – dem Bereich des Empfängerneurons mit seinen Rezeptoren. Dazwischen liegt der sogenannte synaptische Spalt.
Gedächtnis
Gedächtnis/-/memory
Gedächtnis ist ein Oberbegriff für alle Arten von Informationsspeicherung im Organismus. Dazu gehören neben dem reinen Behalten auch die Aufnahme der Information, deren Ordnung und der Abruf.
Gedächtnis
Gedächtnis/-/memory
Gedächtnis ist ein Oberbegriff für alle Arten von Informationsspeicherung im Organismus. Dazu gehören neben dem reinen Behalten auch die Aufnahme der Information, deren Ordnung und der Abruf.
Aufmerksamkeit
Aufmerksamkeit/-/attention
Aufmerksamkeit dient uns als Werkzeug, innere und äußere Reize bewusst wahrzunehmen. Dies gelingt uns, indem wir unsere mentalen Ressourcen auf eine begrenzte Anzahl von Bewusstseinsinhalten konzentrieren. Während manche Stimuli automatisch unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, können wir andere kontrolliert auswählen. Unbewusst verarbeitet das Gehirn immer auch Reize, die gerade nicht im Zentrum unserer Aufmerksamkeit stehen.
Präfrontaler Cortex
Präfrontaler Cortex/-/prefrontal cortex
Der vordere Teil des Frontallappens, kurz PFC ist ein wichtiges Integrationszentrum des Cortex (Großhirnrinde): Hier laufen sensorische Informationen zusammen, werden entsprechende Reaktionen entworfen und Emotionen reguliert. Der PFC gilt als Sitz der exekutiven Funktionen (die das eigene Verhalten unter Berücksichtigung der Bedingungen der Umwelt steuern) und des Arbeitsgedächtnisses. Auch spielt er bei der Bewertung des Schmerzreizes eine entscheidende Rolle.