Frage an das Gehirn
Warum sind wir abergläubisch?
Veröffentlicht: 24.05.2013
Ich weiß, es ist nicht rational: Aber ich schaue doch immer wieder in mein Horoskop. Oder ich fahre nicht gern am 13. eines Monats in Urlaub. Warum kann ich mich dem Aberglauben nicht entziehen?
Die Antwort der Redaktion lautet:
Peter Brugger, Professor für Verhaltensneurologie und Neuropsychiatrie an der Universität Zürich:
Zunächst müssen wir einmal bestimmen, was Aberglaube überhaupt bedeuten soll. Ein wichtiger Aspekt des Aberglaubens ist unsere Neigung, einen ursächlichen Zusammenhang dort zu unterstellen, wo zwei Ereignisse zufällig zusammentreffen. Wenn ich beispielsweise von jemandem angerufen werde, an den ich gerade gedacht habe, dann sage ich mir: „Das kann doch kein Zufall sein.“ Man kommt dann schnell auf die Idee, das Denken an den Anrufer müsse diesen veranlasst haben, mich anzurufen. In diesem sehr allgemeinen Sinne sind wir alle abergläubisch.
Überhaupt hat der Glaube an Übersinnliches wenig mit Intelligenz oder dem Bildungshintergrund zu tun. Aberglaube ist unter ungelernten Hilfsarbeitern ähnlich stark verbreitet wie unter Akademikern.
Die Neigung, bedeutungsvolle Zusammenhänge in Ereignisse gedanklich hineinzuprojizieren, ist eine grundlegende biologische Eigenschaft. Sie lässt sich schon im Tierreich finden. Das zeigten bereits frühe Experimente des Psychologen Burrhus Frederic Skinner. Er gab hungrigen Tauben in unregelmäßigen Abständen immer wieder Futterkörner zu fressen. Instinktiv suchten die Tiere nach einem Grund für den Futtersegen und entwickelten daraufhin „abergläubische“ Verhaltensweisen. Manche Tiere hatten etwa immer dann zufällig auf einem Bein gestanden, als sie in den Genuss des Futters gekommen waren. Daraufhin begannen sie, vermehrt auf einem Bein zu stehen.
Neuropsychologische Experimente haben mittlerweile gezeigt: Der Glaube an Außersinnliches hat seine Quelle in einer übertriebenen Bereitschaft, Assoziationen zu bilden. So deuten abergläubische Menschen in die an sich bedeutungslosen Tintenkleckse des psychologischen Rorschach-Tests viel mehr hinein als „Ungläubige“.
Auch ein anderes psychologisches Experiment belegt die stärkere Assoziationsbereitschaft: Hören Versuchspersonen das Wort „Mähne“, vergehen einige Millisekunden, bis im Gehirn automatisch der Begriff „Löwe“ aktiviert wird. Die Länge dieses Zeitraums ist unabhängig vom Glauben der Versuchsperson an Übersinnliches.
Anders ist die Sachlage aber, wenn man die Zeit bis zur Aktivierung des bedeutungsmäßig weiter entfernten Begriffs „Tiger“ misst. Der Zeitraum bis zur Assoziation ist bei den Menschen kürzer, die an Übersinnliches glauben. Abergläubische Menschen assoziieren also speziell dann schneller als Ungläubige, wenn die Begriffe, die verbunden werden sollen, bedeutungsmäßig weiter auseinander liegen.
Abergläubische Menschen stellen leicht Bezüge her. Diese Fähigkeit haben sie mit kreativen Menschen gemein. Kreativität zeichnet sich gerade durch die Fähigkeit aus, über herkömmliche Kategoriengrenzen hinweg zu assoziieren. Man denke nur an den Traum einer sich in den Schwanz beißenden Schlange, die den Chemiker Friedrich August Kékulé auf die Ringstruktur des Benzolmoleküls aufmerksam machte. Diese „kreative“ Seite des Aberglaubens könnte der Grund sein, warum er trotz aller unbestrittenen Nachteile evolutionär überlebt hat.
Aufgezeichnet von Christian Wolf
Intelligenz
Intelligenz/-/intelligence
Sammelbegriff für die kognitive Leistungsfähigkeit des Menschen. Dem britischen Psychologen Charles Spearman zufolge sind kognitive Leistungen, die Menschen auf unterschiedlichen Gebieten erbringen, mit einem Generalfaktor (g-Faktor) der Intelligenz korreliert. Demnach lasse sich die Intelligenz durch einen einzigen Wert ausdrücken. Hierzu hat u.a. der US-Amerikaner Howard Gardner ein Gegenkonzept entwickelt, die „Theorie der multiplen Intelligenzen“. Dieser Theorie zufolge entfaltet sich die Intelligenz unabhängig voneinander auf folgenden acht Gebieten: sprachlich-linguistisch, logisch-mathematisch, musikalisch-rhythmisch, bildlich-räumlich, körperlich-kinästhetisch, naturalistisch, intrapersonal und interpersonal.