Frage an das Gehirn

Warum klingen Tierlaute unterschiedlich?

Fragesteller/in: Elke K.-F. aus Berlin via E-Mail

Veröffentlicht: 25.11.2013

Kikeriki und wauwau: Hören wir anders? Für mich klingen Hähne und Hunde in China, Frankreich, Deutschland gleich. Wie kommt es also, dass Lautmalereien der Menschen so unterschiedlich ausfallen?

Die Antwort der Redaktion lautet:

Prof. Dr. Dr. Georg Schuppener, Onomatopoetika-​Forscher an der Universität Erfurt:

Auch wenn Tiere überall die gleiche „Tiersprache“ sprechen: Wir Menschen hören das tatsächlich unterschiedlich. In der chinesischen Sprache sind verschiedene Tonhöhen wichtig – wir Deutschen können diese Tonhöhen nicht ohne weiteres voneinander unterscheiden. Und im Arabischen gibt es behauchte und nicht behauchte Laute – das entspricht auch nicht unseren Hörgewohnheiten. Auch Rhythmus, Tonfall und Artikulation prägen unsere Hörerfahrung. Deswegen können schon Babys zum Beispiel Deutsch von Französisch unterscheiden. Und deswegen kann man wohl auch Tierlaute unterschiedlich hören. Die Rezeption von Tierlauten ist also ein Grund, warum Lautmalereien, sogenannte Onomatopoetika, in jeder Sprache anders sind.

Ein anderer Grund ist: Sprachen haben unterschiedliche phonetische Repertoires, verschiedene Laute. Eine Kuh macht nicht wirklich „muh“ und ein Hahn nicht wirklich „kikeriki“: Wenn wir die Tiere nachmachen, versuchen wir, nahe an die Äußerungen des Tieres heranzukommen. Im Deutschen haben wir Doppellaute wie „ei“ und „äu“; aber solche Diphthonge gibt es nicht in allen Sprachen. Und umgekehrt gibt es zum Beispiel im Slawischen das Silben bildende r wie in „krk“, was es im Deutschen nicht gibt. Wenn man also einen Tierlaut aus verschiedenen Repertoires aufschreibt oder ausspricht, dann kann schon deswegen nicht dieselbe Lautmalerei herauskommen. Und so macht der Hund im Deutschen „wau-​wau“, im Englischen „wow-​wow“ und im Tschechischen „haf-​haf“. Aber man merkt: Die Vokale sind sich oft gleich. Das zeigt auch das Beispiel der Kuh: Die macht im Deutschen „muh“ und im Tschechischen „buh“.

Hinzu kommt, dass Buchstaben, also die Zuordnung von Zeichen zu Lauten, nur eine Konvention sind. Einmal sollten meine Studierenden Onomatopoetika sammeln und aus der mündlichen Sprache dann niederschreiben. Da sah man sehr gut, dass die Buchstaben nur bedingt das wiedergeben, was ausgedrückt werden soll.

Wichtig ist außerdem: Lautmalereien von Tieren sind kulturell bedingt. Zum Beispiel habe ich einmal einen Test mit meinen Studierenden gemacht und ihnen Tierlaute aus verschiedenen Sprachen vorgespielt. Sie sollten da zum Beispiel sagen, welches Tier „gnik-​gnik“ macht. Keiner hat das zuordnen können. „Gnik-​gnik“ macht das Pferd im Schwedischen. Oder wie macht eine Ente? „Nak-​nak“ oder „gak-​gak“ oder „quak-​quak“? Wer „nak-​nak“ sagt, ist wahrscheinlich in der DDR aufgewachsen – mit Pittiplatsch und Schnatterinchen. Schnatterinchen war die Ente in der Kindersendung „Sandmännchen“ gewesen, und sie hat immer „nak-​nak“ gesagt. Im Westen Deutschlands sagt man eher „gak-​gak“ oder „quak-​quak“.

Wir hören also die Tierlaute nicht nur unterschiedlich, sondern die verschiedenen Sprachen bilden sie auch unterschiedlich ab – nicht zuletzt, weil sie auf unterschiedliche Aspekte des Tierlautes Bezug nehmen.

Aufgezeichnet von Franzsika Badenschier

Mehr dazu:
Beispiele für deutsch-​französische Onomatopoetika in der ARTE-​Sendung „Karambolage“, Rubrik „Die Lautmalerei“: http://​www​.arte​.tv/​d​e​/​a​l​l​e​-​r​u​b​r​i​k​e​n​/​2​4​8​8​5​9​2​.html

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