Frage an das Gehirn
Wie unterscheiden sich Bewusstsein und Selbstbewusstsein?
Veröffentlicht: 03.01.2015
In der Philosophie aber auch in den Neurowissenschaften ist häufiger von dem großen Rätsel des Bewusstseins die Rede. Auch das Selbstbewusstsein hat in den letzten Jahren das Interesse der Hirnforschung geweckt. Doch was genau unterscheidet denn überhaupt Bewusstsein von Selbstbewusstsein?
Die Antwort der Redaktion lautet:
Antwort von Thomas Metzinger, Professor für Theoretische Philosophie an der Universität Mainz:
Bewusstsein ist einfach die Tatsache, dass Erlebnisse da sind, es ist das Erscheinen einer Welt. Bewusstsein hat verschiedene Komponenten, die drei wichtigsten sind: Es gibt ein einheitliches Weltmodell. Das heißt, im Gehirn eines Organismus entsteht ein Bild der Welt, in dem Gehörtes und Gesehenes und Gefühltes sich zum Erleben einer einheitlichen Welt zusammenfügen. Zweitens gibt es ein Jetzt, man erlebt, dass es Zeit gibt und dass diese Welt jetzt gegenwärtig ist. Und schließlich wird dieses Modell der Welt nicht als Modell erlebt, sondern als direkt und unmittelbar gegeben, vermeintlich als die Wirklichkeit selbst. Wenn diese drei Komponenten gegeben sind, erscheint einem Tier oder einem Menschen eine Welt.
Selbstbewusstsein hingegen ist Bewusstsein mit einem sehr besonderen Inhalt, dem Selbst. Auch das ist ein Modell, das das Gehirn generiert, und das macht es so gut, dass wir es meistens nicht als Modell erkennen. Wir identifizieren uns mit seinem Inhalt und halten uns für dieses Selbst. Es gibt verschiedene Stufen des Selbstbewusstseins und Forscher und Philosophen streiten darüber, welche die niedrigste und grundlegendste Stufe ist. Man erlebt sich auf jeden Fall als ein Selbst, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind: wenn es eine Grenze von Selbst und Welt gibt; wenn dieses Selbst in Raum und Zeit lokalisiert erlebt und zudem als etwas erfahren wird, das Handlungen auslösen und kontrollieren kann und im Prinzip auch anders handeln könnte – wenn man also das Gefühl hat, selbsttätig eine Kette von Ursachen anfangen zu können. Trotzdem gibt es auch unterhalb von Denken, Sprache, Gefühlen und Handeln ein tiefstes Selbstgefühl – die Selbstlokalisierung in einem Hier und einem Jetzt. Beim Menschen ist der immer gegenwärtige Körper die Urquelle, aus der das Ichgefühl entsteht.
Gewöhnlich geht Bewusstsein beim Menschen mit Selbstbewusstsein einher. Aber ich bin überzeugt, dass es Bewusstsein auch ohne Selbstbewusstsein gibt. Wir können uns das nicht recht vorstellen, weil schon der Versuch, sich das vorzustellen, immer wieder ein Ich-Gefühl erzeugt. Denn der Versuch ist ja bereits eine geistige Handlung. Das ist, als wenn man immer wieder den Kühlschrank aufmacht, um zu sehen, ob das Licht ausgegangen ist. Aber man kann sich ja auch Bewusstsein ohne Farben vorstellen, etwa bei Farbenblinden. Oder man kann sich ein Bewusstsein ohne Gedanken ausmalen, etwa bei Tieren, die Gefühle und Wahrnehmungen haben, aber nicht in Begriffen denken können.
Zudem berichten die Mystiker aller Zeiten und Traditionen von einem bewussten Erleben ohne Ich-Gefühl. Ähnliche Berichte kennen wir auch von Menschen, die schwer geistig krank sind oder psychoaktive Substanzen eingenommen haben.
Die Suche nach den neuronalen Grundlagen von Bewusstsein und Selbstbewusstsein im Gehirn ist in vollem Gange. Für das Bewusstsein deutet sich an, dass diejenigen Aktivitätsmuster im Gehirn, die räumlich und zeitlich sehr weit ausgedehnt sind, bewusst werden. Wenn man einen Klick-Ton ins Ohr bekommt, den man bewusst wahrnimmt, breitet sich das Aktivierungsmuster im Gehirn sehr weit aus. Wenn man dasselbe unter Narkose macht, bleibt die Aktivierung sehr lokal auf den auditorischen Cortex begrenzt. Für das Selbstbewusstsein ist der temporo-parietale Übergang ein heißer Kandidat. Hier werden viele Körperwahrnehmungen aus den verschiedenen Sinnen zusammengeführt und in einen räumlichen Bezugsrahmen eingebettet: Meine Empfindungen sind hier bei mir, und nicht in dem Tisch da drüben. Es wäre aber nicht seriös zu behaupten, dass es hier schon sichere Ergebnisse gibt. Wir wissen sehr Vieles einfach noch nicht.
Antwort aufgezeichnet von Manuela Lenzen
Ohr
Ohr/Auris/ear
Das Ohr ist nicht nur das Organ des Hörens, sondern auch des Gleichgewichts. Unterschieden werden das äußere Ohr mit Ohrmuschel und äußerem Gehörgang, das Mittelohr mit Trommelfell und den Gehörknöchelchen sowie das eigentliche Hör– und Gleichgewichtsorgan, das Innenohr mit der Gehörschnecke (Cochlea) und den Bogengängen.
Auditorischer Cortex
Auditorischer Cortex/-/auditory cortex
Der auditorische Cortex ist ein Teil des Temporallappens, der mit der Verarbeitung akustischer Signale befasst ist. Er unterteilt sich in primäre und sekundäre Hörrinde.