Frage an das Gehirn
Wie misst man Intelligenz bei Tieren?
Veröffentlicht: 12.09.2015
Tiere sind grundverschieden, ihre Lebensräume variieren stark. Wie kann man dennoch ihre Intelligenz messen?
Die Antwort der Redaktion lautet:
Prof. Andreas Nieder, Institut für Neurobiologie, Universität Tübingen: Will man die Intelligenz von Tieren messen, kann man nicht auf IQ-Tests zurückgreifen wie beim Menschen. Ein solches einheitliches Maß gibt es für Tiere nicht. Daher muss man erstmal definieren, was man unter Intelligenz versteht, und wie man beim jeweiligen Tier herausfinden kann, wie gut es diese Kriterien erfüllt.
Ein mögliches Maß für Intelligenz ist die Fähigkeit, Probleme in einer sich verändernden Umwelt zu lösen. Je mehr, schneller und zielgerichteter Herausforderungen gelöst werden, desto intelligenter ist ein Tier. Wie lange braucht es, um den Mechanismus zu durchschauen, mit dem es einen Kasten öffnen kann, in dem Futter versteckt ist? Kommt es auf die Idee, Werkzeuge zu benutzen, um nach einer Leckerei zu angeln? Machen andere Tiere in der Gruppe das nach und entwickeln so neue Verhaltensmuster? Solche Innovationen, also Weiterentwicklungen im Verhalten, untersucht man beispielsweise bei Wildtieren. Ein prominenten Beispiel, bei dem man das gut beobachten kann, ist die Neukaledonien-Krähe, die sehr geschickt sogar mehrere Werkzeuge nacheinander nutzt, um an Futter zu gelangen.
Im Labor kann man außerdem das Arbeitsgedächtnis als Maß für Intelligenz nehmen. Es speichert Inhalte vorübergehend und befähigt dazu, die Umwelt überhaupt so wahrzunehmen, dass ein Problem erkannt wird und neue Lösungen angestrebt werden. Platt gesagt: Ein Tier, das keinen „Arbeitsspeicher“ hat, entwickelt auch keine neuen Verhaltensstrategien.
Im Experiment prüfen wir etwa das visuelle Arbeitsgedächtnis, indem wir Tieren Bilder oder Objekte zeigen. In späteren Versuchsrunden sollen sie signalisieren, ob sie Bilder wieder erkennen. Das kann ein Affe etwa dadurch tun, dass er einen Hebel bedient. Eine Krähe kann mit dem Schnabel auf die Taste picken. Anhand solcher Tests kann man sehen, dass das Arbeitsgedächtnis eines Rhesusaffen besser ist als das eines Weißkopfäffchens, dieses aber wiederum die Katze übertrifft.
Allerdings muss man mit der Interpretation aller Untersuchungen zu Intelligenz sehr vorsichtig sein. Wir Menschen neigen dazu, einem Tier, das sich in einer bestimmten Situation sehr clever verhält, insgesamt eine hohe Intelligenz zuzusprechen. Meist sind die Leistungen aber stark auf einen bestimmten Bereich beschränkt. Nehmen wir zum Beispiel den Kiefernhäher, einen nordamerikanischen Rabenvogel. Der ist extrem geschickt darin, bis zu zehntausend Futterverstecke anzulegen und sich diese auch zu merken. Unterzieht man ihn aber einem Gedächtnistest, in dem er Bilder behalten soll, schneidet er sogar schlechter ab als andere Rabenvögel.
Außerdem muss man aufpassen, was man vergleicht. Wie drückt das Tier aus, dass es eine veränderte Situation erkennt oder ihm ein Bild bekannt vorkommt? Ein Affe kann einen Hebel drücken, ein Vogel mit dem Schnabel darauf picken. Aber ein Fisch müsste schon hin und her schwimmen. Das kann zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen. Daher kann man verschiedene Affen miteinander gut vergleichen, oder verschiedene Vögel. Der Vergleich von Affen mit Fischen ist schon deutlich schwieriger.
Aufgezeichnet von Stefanie Reinberger
Intelligenz
Intelligenz/-/intelligence
Sammelbegriff für die kognitive Leistungsfähigkeit des Menschen. Dem britischen Psychologen Charles Spearman zufolge sind kognitive Leistungen, die Menschen auf unterschiedlichen Gebieten erbringen, mit einem Generalfaktor (g-Faktor) der Intelligenz korreliert. Demnach lasse sich die Intelligenz durch einen einzigen Wert ausdrücken. Hierzu hat u.a. der US-Amerikaner Howard Gardner ein Gegenkonzept entwickelt, die „Theorie der multiplen Intelligenzen“. Dieser Theorie zufolge entfaltet sich die Intelligenz unabhängig voneinander auf folgenden acht Gebieten: sprachlich-linguistisch, logisch-mathematisch, musikalisch-rhythmisch, bildlich-räumlich, körperlich-kinästhetisch, naturalistisch, intrapersonal und interpersonal.
Arbeitsgedächtnis
Arbeitsgedächtnis/-/working memory
Eine Form des Kurzzeitgedächtnisses. Es beinhaltet gerade aufgenommene Informationen und die Gedanken darüber, also Gedächtnisinhalte aus dem Langzeitgedächtnis, die mit den neuen Informationen in Verbindung gebracht werden. Das Konzept beinhaltet nach Alan Baddeley eine zentrale Exekutive, eine phonologische Schleife und ein visuell-räumliches Notizbuch.