Wie Gedanken den Schmerz steuern
Schmerz hat viele Dimensionen. Unser Denken und Fühlen kann das Schmerzempfinden verstärken oder schwächen. Wer dem Schmerz eine positive Bedeutung gibt, leidet weniger.
Wissenschaftliche Betreuung: Prof. Dr. Tobias Schmidt-Wilcke
Veröffentlicht: 07.09.2016
Niveau: mittel
- Emotionale, psychologische, soziale und kulturelle Faktoren entscheiden über das Schmerzempfinden und -verhalten. Besonders die kognitive Komponente beeinflusst die Schmerzerfahrung.
- Angst ist eine typische Begleiterscheinung. Ängste, Erfahrungen, Erwartungen, Stress und Aufmerksamkeit beeinflussen das Schmerzempfinden.
- Schmerz und Depression stehen eng miteinander in Verbindung, insbesondere bei chronischen Schmerzen.
- Wer dem Schmerz eine positive Bedeutung beimisst, leidet weniger als jemand, der seine Schmerzen für nutzlos hält.
- Die stressinduzierte Analgesie führt während einer Stresssituation oder bei großen Verletzungen zu einer körpereigenen Schmerzhemmung.
- Die Wertigkeit von Schmerz lässt sich im Rahmen einer Therapie auf kognitiver Ebene verändern, um besser mit Schmerzen umzugehen.
Aufmerksamkeit
Aufmerksamkeit/-/attention
Aufmerksamkeit dient uns als Werkzeug, innere und äußere Reize bewusst wahrzunehmen. Dies gelingt uns, indem wir unsere mentalen Ressourcen auf eine begrenzte Anzahl von Bewusstseinsinhalten konzentrieren. Während manche Stimuli automatisch unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, können wir andere kontrolliert auswählen. Unbewusst verarbeitet das Gehirn immer auch Reize, die gerade nicht im Zentrum unserer Aufmerksamkeit stehen.
Depression
Depression/-/depression
Phasenhaft auftretende psychische Erkrankung, deren Hauptsymptome die traurige Verstimmung sowie der Verlust von Freude, Antrieb und Interesse sind.
Schmerzen können vermutlich auch durch einen körpereigenen Kontrollmechanismus gehemmt werden. Als eines der evolutionär wahrscheinlich ältesten schmerzhemmenden Systeme gilt das Diffuse-noxious-inhibitory-Controls-System, welches 1979 von dem Franzosen LeBars entdeckt wurde. Durch schmerzhafte Reize an irgendeiner Körperstelle soll dabei der ursprüngliche Schmerz gesteuert und sogar gehemmt werden. Das könnte auch die Schmerzhemmung durch Reizung besonders empfindlicher Akupunkturpunkte erklären (dazu hier mehr).
In einer Studie von Jean Decety von der Universität Chicago zum Empathieverhalten von Ärzten wurden die Hirnregionen, die für die Schmerzwahrnehmung zuständig sind, untersucht. Bereiche wie der somatosensorische Cortex, die vordere Inselrinde oder der vordere cinguläre Cortex waren bei Versuchspersonen besonders aktiv, wenn sie sich in einem Video anschauten, wie Menschen mit einer Nadel gestochen werden, aber nicht, wenn sie beobachteten, wie Menschen mit Wattestäbchen berührt wurden. Im Gehirn von Ärzten jedoch wurden die Schmerzareale weder bei dem einen noch bei dem anderen Video aktiviert. Stattdessen aktivierte die Nadelszene Hirnbereiche, die mit der Kontrolle von Emotionen in Verbindung gebracht werden. Die Studie zeigt somit, dass Ärzte lernen, ihre angeborene Mitleidreaktion zu unterdrücken - möglicherweise, weil sie Patienten therapiebedingt auch Schmerzen zufügen müssen.
Insellappen
Insellappen/Lobus insularis/insula
Der Insellappen ist ein eingesenkter Teil des Cortex (Großhirnrinde), der durch Frontal-, Temporal– und Parietallappen verdeckt wird. Diese Überlagerung wird Opercula (Deckel) genannt. Die Insula hat Einfluss auf die Motorik und Sensorik der Eingeweide und gilt in der Schmerzverarbeitung als Verbindung zwischen kognitiven und emotionalen Elementen.
Cingulärer Cortex
Cingulärer Cortex/Cortex cingularis/cingulate cortex
Ein Bestandteil des präfrontalen Cortex, der sich auf der Stirnseite des Gehirns befindet. Wie ein halber Donut windet sich der cinguläre Cortex um den Balken. Funktionell gehört er zum limbischen System, das triebgesteuerte Verhaltensweisen reguliert.
Emotionen
Emotionen/-/emotions
Unter „Emotionen“ verstehen Neurowissenschaftler psychische Prozesse, die durch äußere Reize ausgelöst werden und eine Handlungsbereitschaft zur Folge haben. Emotionen entstehen im limbischen System, einem stammesgeschichtlich alten Teil des Gehirns. Der Psychologe Paul Ekman hat sechs kulturübergreifende Basisemotionen definiert, die sich in charakteristischen Gesichtsausdrücken widerspiegeln: Freude, Ärger, Angst, Überraschung, Trauer und Ekel.
- Unter Qualia verstehen Philosophen subjektive und unabhängig von dem zugehörigen Objekt wahrgenommene Eigenschaften, etwa die Farbe rot, der Geruch einer Rose - oder das Gefühl von Schmerz. Philosophen sprechen von Eigenschaften erster Ordnung, die auch als Grundbausteine des Bewusstseins angehen werden.
- Schmerz ist immer ein subjektives psychosomatisches Phänomen - seine Qualität - etwa brennend, dumpf - ebenso wie die Intensität. Schmerz lässt sich deshalb nicht ausschließlich naturwissenschaftlich erklären und nicht direkt objektivieren.
- Schmerz existiert nur in der Person, die ihn empfindet. Man kann ihn nicht delegieren, sein Erleben ist nicht im anderen reproduzierbar - dies ist bis heute nicht neurobiologisch eindeutig zu erklären.
- Je nach Stärke und Dauer kann der Schmerz das Denken und Sein einer Person umfassend vereinnahmen und auch eine lebensverändernde bis -zerstörerische Kraft sein. Unter Schmerzen erscheint vieles andere als unwesentlich. Zudem kann es unsere Vergänglichkeit bewusstmachen.
- Schmerz gehört zum Menschen dazu und ist nicht ausschließlich als Unheil zu betrachten. Ohne Schmerz können wir vieles nicht begreifen. Schmerz schärft unsere Wahrnehmung, mitunter bringt er auch Erkenntnis. Akuter Schmerz macht uns wach, zwingt unser Bewusstsein, ihm auf den Grund zu gehen, und für die Zukunft schmerzvolle Erlebnisse zu vermeiden. Er öffnet unser Gedächtnis, lässt uns lernen, bahnt unser Verhalten, selektiert unser Wissen und prägt unsere Persönlichkeit.
- Keinen Schmerz zu kennen, ist mit dem Leben kaum vereinbar. Durch den Schmerz entdecken wir den Mitleidenden. Wir sehen, dass wir nicht allein sind.
- Das menschliche Schmerzerleben zeichnet sich durch eine kognitive Komponente aus, die das tierische Schmerzerleben nicht beinhaltet.
- Psychosomatisch bedingte Schmerzen treten beim Menschen sehr oft auf, sie sind im Tierreich mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zu finden.
- Der Mensch erleidet häufiger Schmerzen als das Tier, da nicht nur physische Verletzungen, sondern auch mentale Zustände Schmerzen auslösen können.
- Mensch hat die Möglichkeit, mit therapeutischen Maßnahmen den Schmerz zu kontrollieren, bspw. durch Operationen unter Narkose, Einnahme von Schmerzmitteln, Durchführung von Verhaltenstherapien.
Der Torwart wirft sich waghalsig einem gegnerischen Stürmer entgegen und wird von dessen Knie mit voller Wucht im Nacken getroffen. Der Keeper kommt zu Fall. Doch er steht wieder auf und spielt weiter, wie in Trance. Immer wieder fasst er sich während des Spiels an den Hals. Dieser heftige Zusammenstoß muss bei Bert Trautmann, dem in England legendären deutschen Torwart, heftige Schmerzen verursacht haben. Aber er hält durch und verhilft Manchester City 1956 im Finale des wichtigen FA Cups zum Sieg. Erst Tage nach dem Spiel wird er untersucht: Sein Genick ist gebrochen, die Verletzung hätte ihn töten können. Monatelang muss er eine Halsstütze tragen – und einen Gips, der ihm vom Kopf bis zur Hüfte reicht.
“Bei so einem wichtigen Spiel befindet sich der Spieler in einer extremen Anspannungssituation”, sagt Schmerzforscher Walter Magerl vom Centrum für Biomedizin und Medizintechnik in Mannheim. “Die ganze Aufmerksamkeit des Torwarts lag in dem Moment darin, zu gewinnen“, erklärt Magerl. „Störende Faktoren wurden komplett ausgeblendet.”
Schmerz hat viele Dimensionen: Bei einem sportlichen Wettkampf bleiben selbst schwerste Verletzungen bisweilen erträglich. Dagegen kann ein kleines Loch im Zahn unsägliche Schmerzen erzeugen, besonders abends beim Einschlafen, wenn es keine Ablenkung gibt. Wie wir Schmerz wahrnehmen, hängt eben zu großen Teilen auch von unserem Denken und Fühlen ab. Emotionale und psychologische, aber auch soziale und kulturelle Faktoren entscheiden darüber mit. Besonders die kognitive Komponente spielt dabei eine entscheidende Rolle. Das Positive daran: Wir sind Schmerzen nicht hilflos ausgeliefert. Wer sie versteht und auf bestimmte Weise mit ihnen umgeht, kann sie beeinflussen und so erträglicher machen.
Aufmerksamkeit
Aufmerksamkeit/-/attention
Aufmerksamkeit dient uns als Werkzeug, innere und äußere Reize bewusst wahrzunehmen. Dies gelingt uns, indem wir unsere mentalen Ressourcen auf eine begrenzte Anzahl von Bewusstseinsinhalten konzentrieren. Während manche Stimuli automatisch unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, können wir andere kontrolliert auswählen. Unbewusst verarbeitet das Gehirn immer auch Reize, die gerade nicht im Zentrum unserer Aufmerksamkeit stehen.
Aufmerksamkeit beeinflusst das Schmerzempfinden
Was Trautmann bei seinem Finalspiel erlebte, kennen viele von uns selbst in abgeschwächter Form: “Man sitzt den ganzen Tag bei der Arbeit am Computer, hat Stress und ist konzentriert und abends zu Hause merkt man erst, dass der Nacken total verspannt ist”, sagt Sigrid Elsenbruch, Professorin für Experimentelle Psychobiologie am Uniklinikum Essen. Diese so genannte stressinduzierte Analgesie führt dazu, dass der Schmerz gedämpft wird und wir ihn nicht wahrnehmen. Bei Stress, gravierenden Verletzungen oder in bedrohlichen Situationen sei diese Dämpfung durch körpereigene Canabinoide oder Opiate besonders groß. “Für eine gewisse Zeit sind Sie dann schmerzunempfindlich”, sagt Magerl. Evolutionsbiologisch macht das durchaus Sinn. “In einer gefährlichen Situation können wir Schmerzen nicht gebrauchen, deshalb schaltet der Körper sie aus, damit wir handlungsfähig bleiben”, bestätigt Frauke Nees, Psychologin am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. Erst wenn der Mensch zur Ruhe komme, spüre er die Schmerzen.
Angst und Hilflosigkeit verstärken den Schmerz
“Wir wissen, dass negative Gefühle wie Angst und Hilflosigkeit zu einer Verstärkung der Schmerzen führen können”, berichtet Elsenbruch. Angst ist eine ganz typische Begleiterscheinung von Schmerzen, und Schmerzen und Ängste können sich wechselseitig verstärken. “Je mehr Furcht ich vor Schmerzen habe, desto mehr Raum nehmen sie ein”, sagt Elsenbruch. “Dann bestimmen die Ängste unser Verhalten und begünstigen damit eine Chronifizierung.” (Gelernter Schmerz)
Bisweilen kommt es auch zu einer so genannten Katastrophisierung der Situation: Der Betroffene gerät in Panik und empfindet den Schmerz als besonders schlimm. Magerl schildert den Fall eines 17-Jährigen, der einen Sportunfall hatte. “Der junge Mann ist ein vielsprechender jugendlicher Sportler, für den sich schon Talentscouts interessiert haben. Und jetzt hat er diese Schmerzen am Knie, die einfach nicht verschwinden.” Der Junge habe große Angst, dass sein Traum von einer Profisportkarriere zerbricht. “Er betrachtet seine Situation zunehmend wie unter einer Art kognitiven Lupe.” Seine Hilflosigkeit und Angst können seine Schmerzen verstärken und sogar in eine Depression münden. Das Fatale: “Wir wissen von Patienten, die depressiv sind, dass sie mehr als doppelt so häufig chronische Schmerzerkrankungen haben wie Nichtdepressive”, sagt Magerl (dazu mehr hier).
Depression
Depression/-/depression
Phasenhaft auftretende psychische Erkrankung, deren Hauptsymptome die traurige Verstimmung sowie der Verlust von Freude, Antrieb und Interesse sind.
Der Einfluss der Erwartungen
Auch unsere Erwartungen und Erfahrungen beeinflussen, wie wir mit Schmerzen umgehen. Das Schmerzempfinden ist anders, wenn man etwa zu einer Blutentnahme geht und weiß, dass man dabei mit einer Nadel gestochen wird, als in einer Situation, in der ein Nadelstich unerwartet kommt. Es genügt schon die reine Schmerzerwartung, um die Angst und damit die Intensität des tatsächlich empfundenen Schmerzes zu steigern. So wurde zum Beispiel in einer Studie bei elektrischen Schmerzreizen die subjektive Schmerzhaftigkeit bereits durch einen bloßen Gebrauch des Wortes “Schmerz” erheblich gesteigert.
“Jeder bewertet den Schmerz anders in Hinblick auf seine Intensität, aber auch darauf, wie subjektiv belastend er empfunden wird”, so Elsenbruch (Siehe Infokasten). “Bei dem Bewertungsprozess vergleichen wir auch die aktuellen Schmerzen mit Schmerzen aus der Vergangenheit”, sagt Elsenbruch. “Das hat viel mit Lernen zu tun, mit Wissen, Beobachtungen und Erfahrungen, die wir in Bezug auf unsere Schmerzen gemacht haben.” Wie subjektiv Schmerzen sind, zeigen eindrücklich die ganz unterschiedlichen Berichte von Frauen über ihre Erfahrungen bei der Geburt ihrer Kinder.
Empfohlene Artikel
Wer den Schmerz positiv sieht, leidet weniger
Es gibt auch Hinweise darauf, dass Menschen, die dem Schmerz einen Sinn beimessen, weniger unter ihm leiden als jemand, der seine Schmerzen für nutzlos und unbeeinflussbar hält. Beim Geburtsschmerz hilft es der gebärenden Frau beispielsweise, wenn sie versteht, dass der Schmerz ihr zeigt, wie sie sich bewegen muss, um dem Baby durch den Geburtskanal zu helfen. Elsenbruch: “Wenn wir die Ursache und den Sinn dieser Schmerzen verstehen, und am besten auch irgendwie kontrollieren können, dann fällt es uns leichter, ruhig zu bleiben und den Schmerz gut zu bewältigen.” Auch ein Läufer etwa wird seine Muskelschmerzen nach einem intensiven Training eher als positiv bewerten. “Es ist ein Schmerz, der vorhersehbar und erklärbar ist”, sagt Elsenbruch. “Der Sportler wird denken, dass er seine Muskeln gut trainiert hat und seine Leistung dadurch steigern wird.” Diesen Zusammenhang zwischen der eigenen Rollenwahrnehmung und dem Schmerzempfinden belegten auch Züricher Forscher um Gerd Folkers von der ETH in Zürich in einer Studie, in der sie Probanden in Rollenspielen entweder heldenhaft eine Prinzessin retten oder kläglich im Labyrinth umherirren ließen. Die Helden entwickelten in der Folge eine höhere Schmerztoleranz.
Alle Schmerzreize stehen unter der Kontrolle des Hirns. Die kognitiven Vorgänge werden im präfrontalen Cortex gesteuert, wo auch die mit dem Schmerz verknüpften Erwartungen, Aufmerksamkeit und Bewertungen erzeugt werden. “Der Cortex entscheidet, was wichtig ist und was nicht, potentiell störende oder unwichtige Dinge werden ausgefiltert”, so Magerl. “Daher tritt beispielsweise ein gleichstarkes Schmerzsignal bei jedem Menschen auf ganz unterschiedliche Dispositionen.” Und es gibt deshalb auch keine einfache direkte Beziehung zwischen einer Verletzung und dem erlebten Schmerz - eine Eigenart, die Philosophen auch gern mit der speziellen Verfasstheit dieser Empfindung, der Qualia erklären (siehe Infokasten).
Präfrontaler Cortex
Präfrontaler Cortex/-/prefrontal cortex
Der vordere Teil des Frontallappens, kurz PFC ist ein wichtiges Integrationszentrum des Cortex (Großhirnrinde): Hier laufen sensorische Informationen zusammen, werden entsprechende Reaktionen entworfen und Emotionen reguliert. Der PFC gilt als Sitz der exekutiven Funktionen (die das eigene Verhalten unter Berücksichtigung der Bedingungen der Umwelt steuern) und des Arbeitsgedächtnisses. Auch spielt er bei der Bewertung des Schmerzreizes eine entscheidende Rolle.
Aufmerksamkeit
Aufmerksamkeit/-/attention
Aufmerksamkeit dient uns als Werkzeug, innere und äußere Reize bewusst wahrzunehmen. Dies gelingt uns, indem wir unsere mentalen Ressourcen auf eine begrenzte Anzahl von Bewusstseinsinhalten konzentrieren. Während manche Stimuli automatisch unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, können wir andere kontrolliert auswählen. Unbewusst verarbeitet das Gehirn immer auch Reize, die gerade nicht im Zentrum unserer Aufmerksamkeit stehen.
Cortex
Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex
Der Cortex cerebri, kurz Cortex genannt, bezeichnet die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2.
Es hilft, die Wertigkeit des Schmerzes zu verändern
Der Umkehrschluss all dieser Erkenntnisse kann durchaus als gute Nachricht aufgefasst werden: Wir können die Wertigkeit von Schmerz auf kognitiver Ebene verändern und damit möglicherweise besser mit Schmerzen umgehen und diese so lindern. “Das ist ein wichtiger Bestandteil der kognitiven Verhaltenstherapie”, erklärt Magerl. Manchmal ginge es einfach darum, etwas zu akzeptieren, das man nicht ändern könne. “Ich kann möglicherweise bestimmte Dinge nicht mehr tun, aber trotzdem ein freudvolles Leben haben.” Das alleine führe oft schon zu einer Reduktion des wahrgenommenen Schmerzes. “Es geht darum, seinen Realitätssinn zu schärfen und zu prüfen, ob man tatsächlich so eingeschränkt ist, wie man denkt”, betont Magerl. Eine andere Wahrnehmung der schmerzhaften Ereignisse ließe die eigene Situation wieder in die richtige Perspektive rücken.
Magerl empfiehlt Verhaltens- und Schmerztherapien, bei denen es um eine andere Fokussierung der eigenen Wahrnehmung geht - weg vom Schmerz hin zu neuen intensiv erlebten Aktivitäten, seien dies nun Kinobesuche oder Gespräche mit Freunden. Wichtig ist positives Denken, das weiß man auch aus der Placebo-Forschung. Elsenbruch: “Positive Erwartungen können zu einer Schmerzfreiheit durch Placebos führen.”
Wahrnehmung
Wahrnehmung/Perceptio/perception
Der Begriff beschreibt den komplexen Prozess der Informationsgewinnung und –verarbeitung von Reizen aus der Umwelt sowie von inneren Zuständen eines Lebewesens. Das Gehirn kombiniert die Informationen, die teils bewusst und teils unbewusst wahrgenommen werden, zu einem subjektiv sinnvollen Gesamteindruck. Wenn die Daten, die es von den Sinnesorganen erhält, hierfür nicht ausreichen, ergänzt es diese mit Erfahrungswerten. Dies kann zu Fehlinterpretationen führen und erklärt, warum wir optischen Täuschungen erliegen oder auf Zaubertricks hereinfallen.
zum Weiterlesen:
- Verena Schmid: Der Geburtsschmerz (2005).