Question to the brain

Funktioniert das Gehirn wirklich wie ein Computer?

Questioner: Christian P. aus Ingolstadt via Facebook

Published: 14.02.2015

In den Medien wird unser Gehirn immer wieder gerne als informationsverarbeitende Maschine oder als leistungsstarker Rechner beschrieben. Funktioniert das Gehirn tatsächlich wie ein Computer?

The editor's reply is:

Antwort von Ipke Wachsmuth, Seniorprofessor am Center for Cognitive Interaction Technology der Universität Bielefeld:

Seit man darauf gekommen ist, dass das Gehirn im Körper eine besondere Rolle spielt, hat man es mit Metaphern beschrieben, die dem jeweiligen Stand der Technik gemäß waren. Da sollte es einmal wie ein Räderwerk funktionieren, einmal wie mit Körperteilen verbundene kommunizierende Röhren, einmal wie eine Telefonzentrale und nun wie ein Computer.

Man kann durchaus sagen, das Gehirn ist ein informationsverarbeitendes System, und das ist der Computer auch. Aber dann ist es mit der Ähnlichkeit auch schon vorbei. Das sehen wir schon an den unterschiedlichen „Begabungen“ von Gehirn und Computer. Wir tun uns schwer mit Aufgaben, die Computer in Sekundenbruchteilen erledigen: große Zahlen multiplizieren, Quadratwurzeln ziehen. Umgekehrt ist es sehr schwierig, Dinge, die uns leicht fallen, etwa Handlungen zu planen oder Sprache zu verstehen, in Computern zu realisieren.

Das Gehirn funktioniert sicher nicht wie ein klassischer Digitalcomputer, in dem alle Verarbeitungsschritte nacheinander ablaufen. Im Gehirn laufen stets sehr viele Prozesse parallel und die sind weit über das ganze Gehirn verteilt. Doch um die Computer zu verbessern, versuchen Forscher heute, einzelne Aspekte der Funktionsweise des Gehirns im Rechner nachzubauen. Etwa in Form künstlicher neuronaler Netze. Das sind Programme, die im Computer ablaufen und deren Struktur der Verknüpfung der Neuronen des Gehirns abgeschaut ist.

Sie werden nicht programmiert, sondern an Beispielen trainiert, wobei sich die Gewichtung der Verknüpfungen zwischen den Komponenten verändert, ähnlich wie sich die Verbindungen zwischen Neuronen verändern. Künstliche neuronale Netze können lernen und mit unvollständiger Information umgehen, also etwa ein Gesicht erkennen, das zum Teil verdeckt ist. Zudem sind sie robuster als die klassischen Computerprogramme, sie fallen nicht gleich ganz aus, wenn eine Komponente defekt ist. Es gibt auch Ansätze, etwa im Rahmen des Human Brain Projects, spezielle Computer-​Chips zu bauen, bei denen das „Feuern“ der Nervenzellen des Gehirns mit elektrischen Kondensatoren simuliert wird.

Trotzdem sind die Unterschiede zwischen Gehirn und Computer noch immer riesig. Im Gehirn finden schon auf der Ebene der einzelnen Zellen komplexe Verarbeitungsprozesse statt, nicht nur „feuern“ oder „nicht-​feuern“. Zudem umfasst das Gehirn um die hundert verschiedene Arten von Nervenzellen, nicht nur eine einzige. Ein weiterer Unterschied: Das Gehirn ist immer aktiv, der Cortex befasst sich zum größten Teil mit selbstgenerierter Aktivität, nicht etwa nur mit Signalen, die aus den Sinnesorganen kommen. Der Computer hingegen verknüpft Input mit Output, und wenn kein Input kommt, tut er gar nichts. Dennoch kommt ein Gehirn mit einer Leistung von etwa 20 Watt aus. Der derzeit schnellste Supercomputer braucht dagegen 18 Millionen Watt. Und für einen Supercomputer, der die Arbeit des menschlichen Gehirns simulieren kann, wird man ein eigenes Kraftwerk bauen müssen.

Aber das wichtigste ist: Ein Gehirn für sich funktioniert gar nicht. Es ist ein Organ des Körpers, mit dem es eng und vielfältig vernetzt ist. Und alles, was wir denken, planen, erkennen, wird von Emotionen begleitet. Während man Bewertungen in Ansätzen auch in Computern realisieren kann, ist noch gar nicht verstanden, wie aus neuronaler Aktivität Bewusstsein entstehen kann. Man kann also sagen: Nein, das Gehirn funktioniert nicht wie ein Computer, aber dort, wo die Weiterentwicklung der Computer sich am menschlichen Gehirn orientiert, nimmt die Ähnlichkeit zu.

Aufgezeichnet von Manuela Lenzen

Link:

Ipke Wachsmuth, Universität Bielefeld

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Cortex

Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex

Der Cortex cerebri, kurz Cortex genannt, bezeichnet die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2.

Emotionen

Emotionen/-/emotions

Unter „Emotionen“ verstehen Neurowissenschaftler psychische Prozesse, die durch äußere Reize ausgelöst werden und eine Handlungsbereitschaft zur Folge haben. Emotionen entstehen im limbischen System, einem stammesgeschichtlich alten Teil des Gehirns. Der Psychologe Paul Ekman hat sechs kulturübergreifende Basisemotionen definiert, die sich in charakteristischen Gesichtsausdrücken widerspiegeln: Freude, Ärger, Angst, Überraschung, Trauer und Ekel.

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