Question to the brain

Was passiert beim Grübeln im Gehirn?

Questioner: Manuela K aus Graz

Published: 10.05.2022

Manchmal komme ich ins Grübeln und kann gar nicht wieder aufhören. Warum ist das so und was passiert dabei im Gehirn?

The editor's reply is:

Prof. Dr. Simone Kühn, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin: Wir haben vor einiger Zeit eine Studie durchgeführt mit einer größeren Gruppe von Personen, die bei uns eigentlich an einer kognitiven Studie teilnahmen. Wir haben die Probanden an jedem Trainingstag gefragt, wieviel intrusive Gedanken sie hatten, also wie oft sie ein Thema nicht aus ihrem Kopf herausbekommen haben, wie oft sie etwas immer und immer wieder gedacht haben. Danach haben wir untersucht, ob dieses Grübeln – in der Fachsprache Ruminieren – genannt, mit Hirnaktivität zusammenhängt, während die Personen gerade keine bestimmte Aufgabe hatten.

Die Untersuchung von Hirnaktivität wird typischerweise in einem MRT durchgeführt, indem die Testperson meist eine Aufgabe erhält, um eine bestimmte Art der Hirnaktivität anzuregen. Während solcher Untersuchungen gibt es auch immer wieder Phasen, in der die Person nichts tut und nur abwartet. Wir haben uns mit der Idee beschäftigt, dass man das Grübeln irgendwie in der Gehirnaktivität von Personen sehen müsste, die häufiger grübeln im Vergleich zu Personen die weniger häufig grübeln. Daher haben wir uns auf die Phasen konzentriert, in denen Personen keine spezifische Aufgabe lösen mussten, sondern abgewartet haben. In diesen Phasen konnten wir tatsächlich beobachten, dass Personen, die angeben mehr zu grübeln, mehr Aktivität im linken Gyrus frontalis inferior aufweisen. Das ist eine Region, die besonders beim Verbalisieren, also beim offenen und lauten Reden, aktiv ist. Diese Region wird auch Broca-Areal genannt. Die Region ist also umso stärker aktiv, je mehr die Personen im Durchschnitt angeben, im Alltag zu grübeln. Das ist für uns ein Hinweis darauf, dass Grübeln mit Sprachproduktion zu tun, es ist also ein Mit-sich-selbst-sprechen. Das passt gut damit zusammen, wie Personen, die das Phänomen des Grübelns erleben, es selbst beschreiben.

Zusätzlich haben wir Studien durchgeführt, bei denen wir nach strukturellen Unterschieden im Gehirn von Personen gesucht haben, die viel grübeln. Dabei wurden Personen gebeten, Fragebögen zum Thema Grübeln auszufüllen, in denen beispielsweise gefragt wurde, wie häufig die Personen wiederkehrende Gedanken haben, oder wie häufig sie nach solchen Gedanken traurig sind, da es beim Grübeln oft um negative Gedankeninhalte geht. Im Anschluss wurde das Gehirn der Personen im MRT auf seine Struktur hin untersucht. Dabei konnten wir bei Personen, die angaben, mehr zu grübeln, weniger graue Gehirnsubstanz im rechten Gyrus frontalis inferior weniger graue Hirnsubstanz nachweisen.

Der Gyrus frontalis inferior ist typischerweise mit Handlungsinhibition verbunden. Ein Beispiel für Handlungsinhibition ist es, eine Person zu bitten, eine bestimmte Handlung durchzuführen und ihr dann im letzten Moment ein Signal zu geben, es doch nicht zu tun. Die Fähigkeit, in diesem letzten Moment doch noch innehalten zu können, ist ganz stark mit dem rechten Gyrus frontalis inferior verknüpft. Das ist für uns ein Hinweis darauf, dass Personen, die viel grübeln, ein Problem damit haben, das Grübeln – oder das Mit-sich-selbst-sprechen – abzustellen. Es ist wohl mehr oder weniger normal, dass man mal mit sich redet oder Dinge in seinem Kopf hin und her wälzt. Aber Personen, die nicht grübeln, haben offensichtlich eine bessere Fähigkeit, solche Gedanken auch wieder zu stoppen.

In einer dritten Studie haben wir Personen, während sie im MRT lagen und nicht an einer konkreten Aufgabe gearbeitet haben, auf ihre Gehirnaktivität untersucht. Personen, die angaben, in genau dieser Zeit der Messung viel gegrübelt zu haben, zeigten eine geringere Aktivität im präfrontalen Cortex als Personen, die wenig oder gar nicht gegrübelt haben. Dieses Ergebnis stützt unsere These, dass das Problem beim Grübeln ist, es nicht stoppen zu können.

Auch wenn Frauen häufiger grübeln als Männer, haben unsere Studien keinen Hinweis auf Unterschiede im Gehirn zwischen den Geschlechtern geliefert. Das häufigere Grübeln von Frauen ist wohl eher mit der höheren Rate von Depressionen bei Frauen verbunden, da starkes Grübeln eines der ersten Frühwarnzeichen für eine Depression ist.

Zusammenfassend kann man festhalten, dass Grübeln wohl etwas ganz Normales ist, aber gesunde Menschen es auch gut wieder abstellen können.

Aufgezeichnet von Stefanie Flunkert

Magnetresonanztomographie

Magnetresonanztomographie/-/magnetic resonance imaging

Ein bildgebendes Verfahren, das Mediziner zur Diagnose von Fehlbildungen in unterschiedlichen Geweben oder Organen des Körpers einsetzen. Die Methode wird umgangssprachlich auch Kernspin genannt. Sie beruht darauf, dass die Kerne mancher Atome einen Eigendrehimpuls besitzen, der im Magnetfeld seine Richtung ändern kann. Diese Eigenschaft trifft unter anderem auf Wasserstoff zu. Deshalb können Gewebe, die viel Wasser enthalten, besonders gut dargestellt werden. Abkürzung: MRT.

inferior

inferior/inferior/inferior

Eine anatomische Lagebezeichnung — inferior bedeutet weiter unten gelegen, der untere Teil.

Broca-Areal

Broca-Areal/-/Broca´s area

Ein Areal des präfrontalen Cortex (Großhirnrinde) der dominanten Hemisphäre, das maßgeblich an der motorischen Erzeugung von Sprache beteiligt ist. Erstmals beschrieben von dem französischen Neurologen Paul Pierre Broca im Jahr 1861.

Präfrontaler Cortex

Präfrontaler Cortex/-/prefrontal cortex

Der vordere Teil des Frontallappens, kurz PFC ist ein wichtiges Integrationszentrum des Cortex (Großhirnrinde): Hier laufen sensorische Informationen zusammen, werden entsprechende Reaktionen entworfen und Emotionen reguliert. Der PFC gilt als Sitz der exekutiven Funktionen (die das eigene Verhalten unter Berücksichtigung der Bedingungen der Umwelt steuern) und des Arbeitsgedächtnisses. Auch spielt er bei der Bewertung des Schmerzreizes eine entscheidende Rolle.

Depression

Depression/-/depression

Phasenhaft auftretende psychische Erkrankung, deren Hauptsymptome die traurige Verstimmung sowie der Verlust von Freude, Antrieb und Interesse sind.

Depression

Depression/-/depression

Phasenhaft auftretende psychische Erkrankung, deren Hauptsymptome die traurige Verstimmung sowie der Verlust von Freude, Antrieb und Interesse sind.

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