Torwart oder Ecke? Wie das Gehirn flexible Entscheidungen ermöglicht

Unser Gehirn ist bemerkenswert flexibel darin, unterschiedliche Reaktionen auf vermeintlich vergleichbare Situationen hervorzubringen. So können dieselben sensorischen Informationen je nach Verhaltenskontext zu unterschiedlichen Entscheidungen führen. Ein Beispiel dafür ist ein Elfmeter im Fußball: Ein Spieler kann entweder die leere Ecke des Tores als Ziel wählen oder direkt auf den Torwart zielen, in der Hoffnung, dass dieser zur Seite springt. Beide Entscheidungen basieren auf derselben Wahrnehmung der Position des Torwarts, führen jedoch zu völlig unterschiedlichen Handlungen. Neurowissenschaftler*innen am Deutschen Primatenzentrum (DPZ) – Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen haben untersucht, wie das Gehirn diese Art von Flexibilität umsetzt. Ihre Ergebnisse zeigen, dass unser Gehirn je nach Anforderung entweder bekannte neuronale Lösungswege wiederverwendet oder neue Muster entwickelt, um Bewegungen kontextabhängig auszuwählen. Zielgerichtetes Verhalten und kognitive Flexibilität können also auf unterschiedliche Weise erreicht werden, je nachdem durch welchen Umstand die flexible Anpassung des Verhaltens notwendig wurde. Die Befunde helfen zu verstehen, warum es für manche neue Situationen schwieriger ist, sich anzupassen als für andere – sei es in sozialen Interaktionen oder bei motorischen Aufgaben (Nature Communications).
Veröffentlicht: 03.02.2025
Neuronale Mechanismen der Bewegungsplanung: Rhesusaffen passen sich an unterschiedliche Aufgabenkontexte an
Die Forschenden trainierten Rhesusaffen, Armbewegungen zu planen und zeichneten dabei die Aktivität von Neuronen im Gehirn auf, die an der Planung dieser Bewegungen beteiligt sind. Die Affen führten die Aufgabe in zwei verschiedenen Kontexten aus. Im ersten Kontext ging es darum, anhand einer gelernten Regel zu entscheiden, ob sie auf das am Bildschirm angezeigte Ziel („Torwart") zeigen oder die gegenüberliegende Seite des Bildschirms („leere Ecke") wählen sollten. Im zweiten Kontext mussten sich die Affen an eine veränderte sensorische Umgebung anpassen, indem sie die Aufgaben unter spiegelverkehrten Sichtbedingungen ausführten. Auch hierbei wurde ein auf einer Seite gezeigtes Ziel mit einer Bewegung zur gegenüberliegenden Seite verknüpft.
Neuron
Neuron/-/neuron
Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.
Neuronale Anpassungsstrategien
Die Studie zeigte, dass das Gehirn in beiden Situationen auf unterschiedliche Weise arbeitet. Im ersten Kontext, der auf gelernten Regeln basiert, griff das Gehirn auf bestehende neuronale Muster zurück. Es nutzte die bereits vorhandenen Netzwerke, um die Bewegung zu planen, ohne grundlegende Veränderungen in den neuronalen Verbindungen vorzunehmen. Im zweiten Kontext, bei dem sich die sensorische Umgebung geändert hatte, musste das Gehirn neue neuronale Muster entwickeln, um die Aufgabe zu bewältigen. Die Flexibilität des Gehirns, dieselben sensorischen Informationen je nach Situation unterschiedlich zu interpretieren und darauf zu reagieren, wird also auf verschiedene Weise erreicht.
Originalpublikation
Guo H, Kuang S, Gail A (2024): Sensorimotor environment but not task rule reconfigures population dynamics in rhesus monkey posterior parietal cortex. Nature Communications, https://www.nature.com/articles/s41467-025-56360-5
posterior
posterior/-/posterior
Eine Lagebezeichnung – posterior bedeutet „nach hinten, hinten gelegen“. Im Bezug auf das Nervensystem handelt es sich um eine Richtung zum Schwanz hin.