Otto Creutzfeldt – Mittler zwischen den Disziplinen
Otto Detlev Creutzfeldt war ein Vorreiter in der Neurophysiologie. Doch er trug nicht nur durch seine Experimente zum Verständnis des Gehirns bei, er prägte als Doktorvater und Mentor eine ganze Generation von Neurowissenschaftlern.
Wissenschaftliche Betreuung: Prof. Dr. Heinz Wässle
Veröffentlicht: 28.09.2012
Niveau: mittel
- Der Neurophysiologe Otto Detlev Creutzfeldt lieferte grundlegende Arbeiten zum Krankheitsbild der Epilepsie und zum Verständnis der Hirnrinde beim Sehen und Sprechen.
- In den 60er Jahren arbeitete er an der intrazellulären Ableitung von cortikalen Neuronen. Zusammen mit Kollegen half er, die neurophysiologischen Grundlagen des EEGs zu verstehen.
- Creutzfeldt prägte als Lehrer und Mentor viele Neurowissenschaftler. Zu seinen Schülern gehört der Nobelpreisträger Bert Sakmann sowie die Forscher Heinz Wässle, Henning Scheich und Wolf Singer.
Cortex
Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex
Der Cortex cerebri, kurz Cortex genannt, bezeichnet die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2.
Neuron
Neuron/-/neuron
Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.
1. April 1927: Otto Detlev Creutzfeldt wird in Berlin geboren
1945: Studium der Geschichte, Philosophie und Theologie in Tübingen
1948: Studium der Medizin
1953: Promotion in Freiburg, Thema: Experimentelle Epilepsie des Ammonhornes
1960/61: Forschungsaufenthalt an der University of California in Los Angeles
1963: Habilitation in der klinischen Neurophysiologie am Max-Plack-Institut für Psychiatrie in München
1965: Wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft
1968: Direktor der Abteilung Neurobiologie am Max-Plack-Institut in Göttingen
23. Januar 1992: Creutzfeldt stirbt
Einige Wissenschaftler machen sich einen Namen in ihrer Disziplin mit herausragender Forschung. Nur wenigen gelingt es, darüber hinaus einer ganzen Forschergeneration Inspiration zu sein. Der Neurophysiologe Otto Creutzfeldt gehört zu ihnen. „Kaum ein Wissenschaftler hat mich so geprägt wie Creutzfeldt, der mich dazu brachte, mich für eine Karriere in den Neurowissenschaften zu entscheiden.“ Das sagte etwa der Nobelpreisträger Bert Sakmann über ihn. Er lernte als Doktorand bei Creutzfeldt. Auch später arbeiteten die beiden zusammen: In der Abteilung von Creutzfeldt gelangen Sakmann seine herausragenden Forschungen zu Ionenkanälen der Zellmembran. Dafür wurde er 1991 zusammen mit Erwin Neher mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet.
Zahlreiche weitere Doktoranden von Creutzfeldt prägen noch heute die Neurowissenschaften in Deutschland, sie wurden Professoren an Universitäten, Max-Planck– und Leibniz-Instituten. Henning Scheich beispielsweise gehört heute zu den renommiertesten Fachleuten, wenn es um das Thema Lernen geht. Heinz Wässle ist ein weltweit anerkannter Neuroanatom. Und der Hirnforscher Wolf Singer ist der Öffentlichkeit bekannt geworden durch seine Thesen über den freien Willen. Ihnen allen hat Creutzfeldt nicht nur die Grundlagen der Neurophysiologie vermittelt, er hat ihnen auch seinen Enthusiasmus und seine Faszination für die Erforschung des Gehirns mit auf den Weg gegeben.
Viele denken bei dem Namen Creutzfeldt zuerst an die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit. Das ist jenes seltene neurodegenerative Leiden, das mit BSE bei Kühen in Zusammenhang gebracht wird. Doch es war der Vater von Otto Creutzfeldt, Hans-Gerhard, der die Krankheit entdeckte: Er war Neurologe und fand 1913 bei einer Patientin mit damals unbekannter Krankheit ungewöhnliche Veränderungen im Gehirn. 1922 wird nach ihm und seinem Kollegen Alfons Maria Jakob die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit benannt und der Familiennamen untrennbar mit den Neurowissenschaften verbunden. Und Sohn Otto wächst schon in Kindertagen auf in einem Umfeld, das sich mit Nerven und Krankheiten beschäftigt.
Neurodegeneration
Neurodegeneration/-/neurodegeneration
Sammelbegriff für Krankheiten, in deren Verlauf Nervenzellen sukzessive ihre Struktur oder Funktion verlieren, bis sie teilweise sogar daran zugrunde gehen. Vielfach sind falsch gefaltete Proteine der Auslöser – wie etwa bestimmte Formen der Eiweiße Beta-Amyloid und Tau im Falle von Alzheimer. Bei anderen Krankheiten, beispielsweise bei Parkinson oder Chorea Huntington, werden Proteine innerhalb der Neurone nicht richtig abgebaut. In der Folge lagern sich dort toxische Aggregate ab, was zu den jeweiligen Krankheitserscheinungen führt. Während Chorea Huntington eindeutig genetisch bedingt ist, scheint es bei Parkinson und Alzheimer allenfalls bestimmte Ausprägungsformen von Genen zu geben, welche ihre Entstehung begünstigen. Keine dieser neurodegenerativen Erkrankungen kann bisher geheilt werden.
Der Humanist
Doch zunächst zieht es ihn nach dem Abitur in eine andere Richtung, er beginnt 1945 ein Studium der Theologie, Geschichte und Philosophie an den Universitäten von Kiel und Tübingen. Philosophische Themen faszinieren ihn ein Leben lang, sind vielleicht sogar die Ursache seiner wissenschaftlichen Motivation. Wolf Singer bezeichnet ihn später als „wahren Humanisten“. Er wolle die Rätsel des Lebens verstehen, das Wesen des Menschen.
Die Geisteswissenschaften allein reichen ihm dazu nicht aus. Nach drei Jahren bricht er sein Studium ab und wendet sich der Forschungsdisziplin seines Vaters zu: Er studiert nun Medizin und Neurophysiologie. In Freiburg promoviert Creutzfeldt 1953: Er erforscht eine Hirnstruktur, das Ammonhorn. Schädigungen in dieser Windung des Großhirns lösen häufig epileptische Anfälle aus. Bis 1959 arbeitet er als wissenschaftlicher Assistent von Richard Jung, dem berühmten Freiburger Neurologen. Diese Zeit hat Creutzfeldt geprägt wie keine andere. Sein Doktorvater arbeitet damals an der Messung elektrischer Aktivitäten im Säugetiergehirn. Die Verbindung von Hirnströmen zu Verhalten, Sinneseindrücken und Krankheiten lässt ihn nicht mehr los.
Er veröffentlicht grundlegende Arbeiten zum Schlaf-Wach-Rhythmus, zum Sehsinn und zur Sprache. Zudem versucht er wie Jung, elektrische Ströme von einzelnen Zellen zu messen – eine zu der damaligen Zeit anspruchsvolle und schwierige Technik. Denn man muss eine Mikroelektrode in das Gehirn einführen, ohne es zu verletzen. Gelangt die Elektrodenspitze in die Nähe eines Neurons, so lassen sich dessen elektrische Aktivitäten messen. Creutzfeldt beginnt, die Methode für die Untersuchungen einer der komplexesten Strukturen des Gehirns einzusetzen: Die Hirnrinde. Sie zu verstehen, wird eine der größten Herausforderungen seiner wissenschaftlichen Karriere bleiben. Vor allem der Sehsinn und die dazugehörigen Strukturen im Cortex untersucht er bis zuletzt. Sein Wissen über die Struktur und die Funktion der Großhirnrinde bündelt er später in seinem für viele Neurowissenschaftler wesentlichen Lehrbuch „Cortex Cerebri“.
Motivation
Motivation/-/motivation
Ein Motiv ist ein Beweggrund. Wird dieser wirksam, spürt das Lebewesen Motivation – es strebt danach, sein Bedürfnis zu befriedigen. Zum Beispiel nach Nahrung, Schutz oder Fortpflanzung.
Cortex
Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex
Der Cortex cerebri, kurz Cortex genannt, bezeichnet die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2.
Cortex
Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex
Der Cortex cerebri, kurz Cortex genannt, bezeichnet die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2.
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Einblicke ins Gehirn
In seinen ersten Lehrjahren aber ist er noch nicht so fokussiert, er schnuppert in all das hinein, was ihn interessiert: Die Physiologie, die Psychiatrie und die Neurologie. In Freiburg hat er dafür eine gute Adresse gefunden. Denn die Klinik, die Richard Jung leitet, erforscht nicht nur die Ursachen von psychischen und neurologischen Störungen, hier werden Erkrankte auch behandelt. Das hilft ihm sehr beim Verständnis des Gehirns, er muss sich nicht mit Tierversuchen begnügen, er kann auch am Menschen sehen, was passiert, wenn im Hirn etwas gestört ist.
Creutzfeldt hat hier zudem die Möglichkeit, mit Wissenschaftlern wie Otto-Joachim Grüsser, Hans Kornhuber, Günther Baumgartner und Rudolph von Baumgarten zu arbeiten, zu forschen, Theorien aufzustellen, zu verwerfen und zu verbessern. Die Klinik zieht junge Neurologen an, deren wissenschaftliche Karrieren hier geprägt werden. Und aus den Kollegen werden Freunde.
Nach der Promotion und einem Forschungsaufenthalt in Los Angeles wechselt Creutzfeldt nach München, um am Max-Planck-Institut für Psychiatrie zu forschen und sich in der klinischen Neurophysiologie zu habilitieren. Wieder sind es die Hirnströme, die ihn beschäftigen. Hier gelingt es ihm, innerhalb von einzelnen Nervenzellen des Cortex Spannungsänderungen zu messen. Das hilft ihm beim Verständnis, wie Nachrichten in höheren Hirnzentren weiterverarbeitet werden, zudem bekommt er so Einblicke in die Struktur des Gehirns. Auch gelingt es ihm, eine grundsätzliche Frage zu klären: Schon lange haben Wissenschaftler und Mediziner mit Elektroden auf der Kopfhaut Ströme messen können. Wie die Signale auf dem Elektroencephalographen (EEG) zustande kommen, war nicht vollends bekannt. Creutzfeldt nun schafft es in den 60er Jahren zusammen mit Manfred Klee und Hans Dieter Lux, die Herkunft der Hirnströme zu klären. Sie narkotisierten Katzen und maßen die Ströme in Neuronen des Cortex. So fanden sie heraus: Das EEG-Signal ist die Summe der Aktivitäten von vielen einzelnen Nervenzellen der Großhirnrinde.
Neuron
Neuron/-/neuron
Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.
Cortex
Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex
Der Cortex cerebri, kurz Cortex genannt, bezeichnet die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2.
EEG
Elektroencephalogramm/-/electroencephalography
Bei dem Elektroencephalogramm, kurz EEG handelt es sich um eine Aufzeichnung der elektrischen Aktivität des Gehirns (Hirnströme). Die Hirnströme werden an der Kopfoberfläche oder mittels implantierter Elektroden im Gehirn selbst gemessen. Die Zeitauflösung liegt im Millisekundenbereich, die räumliche Auflösung ist hingegen sehr schlecht. Entdecker der elektrischen Hirnwellen bzw. des EEG ist der Neurologe Hans Berger (1873−1941) aus Jena.
Neuron
Neuron/-/neuron
Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.
Die Schüler Creutzfeldts
Doch auch in München bleibt Creutzfeldt nicht lange. 1968 holt ihn der Biophysiker Manfred Eigen als Direktor der Abteilung Neurobiologie an das neu gegründete Max-Plack-Institut für Biophysikalische Chemie nach Göttingen – seine letzte wissenschaftliche Station.
Ihm geht es nun wie vielen Wissenschaftlern, die in eine Leitungsfunktion kommen: Er muss viel Schreibarbeit machen und ist häufig ans Büro gefesselt. Dennoch lässt er es sich nicht nehmen, ins Labor zurückzukehren und zu experimentieren. Der wissenschaftliche Versuch und der Spaß an Experimenten bleibt ein wichtiger Teil seines Lebens. Kaum hat er in einem Feld Antworten gefunden, kommen neue Fragen, nicht nur aus der Wissenschaft. Auch über die ethischen Konsequenzen seine Arbeit macht er sich Gedanken. Besonders beschäftigt er sich mit philosophischen Vorstellungen zum Bewusstsein. Immer wieder fragt er sich, wie der Geist mit den Nervenzellen zusammenhängt. Das Denken ist zwar gebunden an den Apparat des Gehirns, aber ist es damit auch geklärt? Durch zahlreiche Reden, Aufsätze und Arbeiten versucht Creutzfeldt zu verbinden, was ihm am Herzen liegt: die Neurowissenschaften und die Geisteswissenschaften.
Im Labor bildet er derweil junge Wissenschaftler aus, die einige Jahre später Wissenschaftsgeschichte schreiben. Neben Nobelpreisträger Bert Sakmann ist das etwa Wolf Singer: Er war von einem Seminar von Creutzfeldt am Max-Planck-Institut für Psychiatrie so fasziniert, dass er seine Doktorarbeit in diesem Bereich schrieb. Heute ist Singer emeritierter Direktor am Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt – und wirkte viele Jahre selbst prägend für die folgende Forschergeneration.
Am 23. Januar 1992 stirbt Creutzfeldt wenige Monate vor seinem 65. Geburtstag. Im gleichen Jahr wird Creutzfeldt posthum der Zülch-Preis für seine Arbeiten auf dem Gebiet der Neurophysiologie des Sehens und der Sprache verliehen. Als 2006 das Otto Creutzfeldt Center für Cognitive and Behavioral Neuroscience (OCC) an der Universität Münster eröffnet, ist auch Creutzfeldts Frau Mary dabei. Noch einmal erinnert sie an den Enthusiasmus ihres Mannes: „Er hatte die Arbeit immer mit dem Spaß gleichgestellt.“
Neuron
Neuron/-/neuron
Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.
zum Weiterlesen:
- Creutzfeldt, Otto Detlev: Cortex Cerebri, Leistung, Strukturelle und Funktionelle Organisation der Hirnrinde, Springer-Verlag, 1983.
- Reichardt, W. und V. Henn: In memoriam, Otto D. Creutzfeldt 1927 – 1992; Biological Cybernetics. 1992; 67:386 – 386.
Cortex
Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex
Der Cortex cerebri, kurz Cortex genannt, bezeichnet die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2.
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