Wie das Gehirn von Menschen mit großem Allgemeinwissen aussieht
Wie heißt die Hauptstadt von Tadschikistan? Wann stellte Einstein seine berühmte Relativitätstheorie auf? Und wann starb Goethe? Manche Menschen scheinen auf jede Wissensfrage eine Antwort zu haben. Warum? Darum.
Veröffentlicht: 31.07.2019
Die Gehirne von Menschen mit hohem Allgemeinwissen sind besonders effizient vernetzt. Das zeigten Neurowissenschaftlerinnen und -wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum und der Humboldt-Universität zu Berlin mittels Magnetresonanztomografie. „Obwohl wir das Allgemeinwissen von Menschen präzise messen können und dieser Wissensschatz sehr bedeutend für die individuellen Lebenswege ist, wissen wir bislang wenig über die Zusammenhänge zwischen Allgemeinwissen und der Beschaffenheit des Gehirns“, sagt Dr. Erhan Genç aus der Bochumer Arbeitseinheit für Biopsychologie. Die Ergebnisse schildert das Team im European Journal of Personality vom 28. Juli 2019.
Magnetresonanztomographie
Magnetresonanztomographie/-/magnetic resonance imaging
Ein bildgebendes Verfahren, das Mediziner zur Diagnose von Fehlbildungen in unterschiedlichen Geweben oder Organen des Körpers einsetzen. Die Methode wird umgangssprachlich auch Kernspin genannt. Sie beruht darauf, dass die Kerne mancher Atome einen Eigendrehimpuls besitzen, der im Magnetfeld seine Richtung ändern kann. Diese Eigenschaft trifft unter anderem auf Wasserstoff zu. Deshalb können Gewebe, die viel Wasser enthalten, besonders gut dargestellt werden. Abkürzung: MRT.
Gehirnaufnahmen und Wissenstest
Die Forscherinnen und Forscher untersuchten die Gehirne von 324 Männern und Frauen mit einer besonderen Form der Magnetresonanztomografie, der sogenannten Diffusions-Tensor-Bildgebung. Sie ermöglicht es, die Verläufe von Nervenfasern zu rekonstruieren und so einen Einblick in die strukturelle Vernetzung des Gehirns zu erhalten. Mithilfe von mathematischen Berechnungen wiesen die Forscherinnen und Forscher dem Gehirn jedes Teilnehmers einen individuellen Wert zu, welcher die Effizienz eben dieser strukturellen Vernetzung widerspiegelte.
Außerdem absolvierten die Probandinnen und Probanden einen in Bochum von Dr. Rüdiger Hossiep entwickelten Allgemeinwissenstest, Bochumer Wissenstest genannt. Er umfasst mehr als 300 Fragen aus unterschiedlichen Wissensgebieten wie Kunst und Architektur oder Biologie und Chemie. Zuletzt untersuchte das Team um Erhan Genç, ob die Effizienz der strukturellen Vernetzung mit der Menge an gespeichertem Allgemeinwissen assoziiert ist.
Das Ergebnis: Menschen mit einem sehr effizienten Fasernetzwerk verfügten über mehr Allgemeinwissen als jene mit einer weniger effizienten strukturellen Vernetzung.
Diffusions-Tensor-Bildgebung
Diffusions-Tensor-Bildgebung/-/diffusion tensor imaging
Die Diffusions-Tensor-Bildgebung ist eine Form der Magnetresonanztomografie. Mit ihrer Hilfe können Forscher und Mediziner darstellen, wie sich Wasser über die Zeit im Raum verteilt, und so beispielsweise Nervenbahnen im Gehirn rekonstruieren. Bestimmte Veränderungen, wie sie etwa infolge eines Schlaganfalls entstehen, lassen sich mit Diffusions-Tensor-Bildgebung besser erkennen als mit klassischer Magnetresonanztomografie.
Teilinformationen verbinden
„Wir nehmen an, dass einzelne Wissensinhalte in Form von Teilinformationen über das gesamte Gehirn verstreut sind“, erklärt Erhan Genç. „Um die Informationen, die in unterschiedlichen Gehirnarealen abgelegt sind, zusammenzufügen und einen Wissensinhalt erfolgreich abzurufen, ist eine effiziente Vernetzung des Gehirns unabdingbar.“
Ein Beispiel: Um die Frage zu beantworten, welche Konstante in Einsteins Relativitätstheorie vorkommt, muss man die Bedeutung des Begriffs „Konstante“ mit dem Wissen über die Relativitätstheorie verbinden. „Wir vermuten, dass eine effizientere strukturelle Vernetzung des Gehirns zu einer besseren Integration der Teilinformationen beiträgt und somit zu besseren Ergebnissen in einem Allgemeinwissenstest führt“, so der Bochumer Forscher.
Originalpublikation
Erhan Genç, Christoph Fraenz, Caroline Schlüter, Patrick Friedrich, Manuel C. Voelkle, Rüdiger Hossiep, Onur Güntürkün: The Neural Architecture of General Knowledge, in: European Journal of Personality, 2019, DOI: 10.1002/per.2217