Spezialisierte Nervenzellen machen Lust auf fettreiche Nahrung
Hochkalorische, energiedichte Nahrungsmittel sind in unserer modernen Gesellschaft ständig verfügbar. Forschende vom Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung in Köln haben herausgefunden, dass eine Gruppe von Nervenzellen im Gehirn von Mäusen den Konsum von fettreicher Nahrung fördert. Werden diese sogenannten Nozizeptin-Neurone im Hypothalamus aktiviert, beginnen die Tiere mehr zu fressen.
Veröffentlicht: 25.04.2020
Seit den 1980er Jahren steigt die Zahl von Menschen mit Übergewicht (Adipositas) – und von damit einhergehenden Krankheiten wie Diabetes mellitus und Herzkreislauf-Erkrankungen. Forschende vom Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung aus dem Labor von Jens Brüning haben in Tierversuchen an Mäusen untersucht, welche Nervenzellen genau das „Überessen“ von hochkalorischer Nahrung steuern. Dazu wurden die Tiere mit einer besonders fettreichen Nahrung gefüttert und anschließend untersucht. „Schon drei Tage fettreiche Ernährung reichten aus, um erhöhte Aktivität von Nozizeptin-Neuronen im Nucleus arcuatus des Hypothalamus nachzuweisen,“ so Alexander Jais, Erstautor der Studie.
In einem weiteren Experiment wurden Mäusen selektiv die Nozizeptin-Neurone im Nucleus arcuatus des Hypothalamus entfernt. Als Folge „überfraßen“ sich diese Mäuse nicht mehr an der Hochfettdiät. Normales Futter fraßen die Tiere dagegen wie zuvor. Die Nozizeptin-Neurone können folglich spezifisch die Nahrungsaufnahme von fettreicher Nahrung steuern.
In weiteren Versuchen nutzten die Forschenden genetisch veränderte Mäuse, bei denen sich die Aktivität der Nozizeptin-Neurone im Hypothalamus mittels Licht kontrollieren lässt. „Die Aktivierung dieser Gehirnzellen führte zu einer übermäßigen Nahrungsaufnahme bei den Tieren“ erläutert Jais. „Durch die Aktivierung von Nozizeptin-Neuronen werden das Sattheitsgefühl regulierende Neurone gehemmt, und die Tiere nehmen dadurch mehr Nahrung zu sich.“
Neuron
Neuron/-/neuron
Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.
Nucleus
Nucleus/Nucleus/nucleus
Nucleus, Plural Nuclei, bezeichnet zweierlei: Zum einen den Kern einer Zelle, den Zellkern. Zum zweiten eine Ansammlung von Zellkörpern im Gehirn.
Nucleus infundibularis
Nucleus infundibularis/Nucleus infundibularis/infundibular nucleus
Der Nucleus infundibularis wird aufgrund seiner gebogenen Form auch Nucleus arcuatus genannt. Er liegt im Hypothalamus und spielt eine wichtige Rolle bei der Regulation der Ernährung und der Entstehung von Hungergefühlen.
Hypothalamus
Hypothalamus/-/hypothalamus
Der Hypothalamus gilt als das Zentrum des autonomen Nervensystems, er steuert also viele motivationale Zustände und kontrolliert vegetative Aspekte wie Hunger, Durst oder Sexualverhalten. Als endokrine Drüse (die – im Gegensatz zu einer exokrinen Drüse – ihre Hormone ohne Ausführungsgang direkt ins Blut abgibt) produziert er zahlreiche Hormone, die teilweise die Hypophyse hemmen oder anregen, ihrerseits Hormone ins Blut abzugeben. In dieser Funktion spielt er auch bei der Reaktion auf Schmerz eine wichtige Rolle und ist in die Schmerzmodulation involviert.
Gen
Gen/-/gene
Informationseinheit auf der DNA. Den Kernbestandteil eines Gens übersetzen darauf spezialisierte Enzyme in so genannte Ribonukleinsäure (RNA). Während manche Ribonukleinsäuren selbst wichtige Funktionen in der Zelle ausführen, geben andere die Reihenfolge vor, in der die Zelle einzelne Aminosäuren zu einem bestimmten Protein zusammenbauen soll. Das Gen liefert also den Code für dieses Protein. Zusätzlich gehören zu einem Gen noch regulatorische Elemente auf der DNA, die sicherstellen, dass das Gen genau dann abgelesen wird, wenn die Zelle oder der Organismus dessen Produkt auch wirklich benötigen.
Neuron
Neuron/-/neuron
Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.
Beginnt Übergewicht im Kopf?
Energiereiche Nahrung führt dazu, dass in kurzer Zeit deutlich mehr Kalorien konsumiert werden. „Wir sind permanent von fett- und kohlenhydratreichen Lebensmitteln umgeben, und unser Gehirn ist so verdrahtet, dass wir genau diese hochkalorischen Nahrungsmittel besonders gerne essen“, so Jais. „Es ist nach wie vor nicht bekannt, warum einige Menschen es schaffen, nur so viel zu Essen, wie sie brauchen und andere nicht. Eine mögliche Erklärung könnte nun die individuelle Aktivität von Nozizeptin-Neuronen liefern.“
Um das weltweite Problem des Anstiegs der Adipositas-Erkrankungen besser zu kontrollieren, ist ein grundlegendes Verständnis der Steuerung des Stoffwechsels wichtig. „Auch die aktuelle Covid-19-Pandemie führt uns vor Augen, dass Adipositas und damit verbundenen Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes Risikofaktoren darstellen. Auch deshalb müssen wir besser verstehen, wie das Nervensystem den Verzehr hochkalorischer, fett- und kohlenhydratreicher Nahrungsmittel steuert“, so Jais.
Originalpublikation:
- Jais et al. PNOCARC Neurons Promote Hyperphagia and Obesity upon High Fat Diet Feeding; Neuron; April 2020