Frage an das Gehirn

Musik im Kopf

Fragesteller/in: Thomas B aus Ellwangen

Veröffentlicht: 16.01.2022

Wie entsteht eigentlich ein Ohrwurm? Und wie wird man ihn wieder los?

Die Antwort der Redaktion lautet:

Prof. Dr. med. Eckart Altenmüller: Direktor des Instituts für Musikphysiologie und Musikermedizin der Hochschule für Musik, Theater und Medien, Hannover: Darüber wie ein Ohrwurm entsteht, gibt es inzwischen einige schlüssige Theorien. So weit, wie wir das erforscht haben, ist ein Ohrwurm eine Endlosschleife im Gehirn. Und zwar zwischen den Zentren, die das auditive Gehörgedächtnis programmieren und den Zentren im Gehirn, die innerlich die Mund- und Kehlkopfmuskulatur ansteuern und das sogenannte innere Singen beim Ohrwurm verantworten. Im Grunde ist es so, dass unser System am Abend, wenn wir müde und etwas entspannter sind, nachlässiger wird im Abwehren von Erinnerungsspuren. Wenn plötzlich Melodiefetzen in uns auftauchen, werden die motorischen Steuerprogramme aktiviert, die unsere Stimmfalten, unsere Mund-, Zungen und Lippenmuskulatur ansprechen. Und diese Programme haben wir gespeichert. Wir können uns also innerlich vorstellen, dass wir s ingen ohne und dessen bewusst zu sein .

Das passiert mehrere hundert Mal am Tag. Aber erst, wenn wir uns entspannen , überprüft und verhindert unser System dies nicht mehr und sdie Melodiefetzen nisten sich als Ohrwurm ein. Das ist auch nachvollziehbar, denn es gibt eine automatische Vernetzung und eine Netzwerkbildung zwischen Hören und Singen. In unserem Gehirn gibt es die motorischen Steuerprogramme, die unsere Stimmfalten, unsere Mund-, Zungen und Lippenmuskulatur ansprechen. Und diese Programme haben wir gespeichert.

Wir können uns also innerlich vorstellen, dass wir singen ohne es bewusst zu machen. Sobald wir diese Programme ansteuern wird das gleichzeitig auch direkt an unser Gehör weitergegeben und wir hören innerlich das Lied oder die Melodie. Das wird auch als Hörillusion bezeichnet. Gleichzeitig ist unser auditives Gedächtnis sehr mächtig und stark mit Emotionen belegt. Alle Ohrwurmmelodien kann man gut singen und sie appellieren stark an unsere Emotionen. Das kann dann auch mal ein Lied sein, das wir eigentlich nicht so sehr mögen, wie zum Beispiel ein Schlager. Diese thematisieren die großen Themen wie Liebe, Tod, Trennung, Vergänglichkeit oder Natur. Und das berührt uns emotional sehr, auch wenn unser Intellekt die Musik vielleicht gar nicht so gerne mag. Alles, was wir hören, wird, bevor es in unser Bewusstsein dringt, in den Emotionszentren abgelegt und gespeichert. Hören ist DER emotionale Sinn nach dem Riechen.

Um einen Ohrwurm wieder loszuwerden gibt es zwei ganz gute Strategien: E ntweder man konzentriert sich stark auf etwas anderes. Dazu müssen wir uns aber etwas suchen, was von uns wirklich Aufmerksamkeit erfordert, wie zum Beispiel die Steuererklärung. Oder man bewegt den Mund intensiv und macht Kaubewegungen. Es gibt eine Studie, die belegt, da s s Kaugummikauen die Endlosschleife unterbricht. D abei aktivieren wir unsere Zunge, im Prinzip die Gesangsmodule – aber in einem anderen Zusammenhang, hier bei der Ernährung. Essen und Kaugummi kauen können also Ohrwürmer stoppen. Es gibt noch eine dritte Strategie, die aber etwas "gefährlich" ist: W ir singen einfach ein anderes Lied. Da ist aber das Risiko relativ groß, dass der eine Ohrwurm den anderen Ohrwurm ablöst. Im Grunde sind Ohrwürmer aber harmlos und wirklich nur in sehr, sehr seltenen Fällen pathologisch.

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