Neue Rolle für Geschmacksrezeptoren

© Antonella Di Pizio / Leibniz-LSB@TUM
Modelldarstellung des Bitterrezeptors TAS2R14. Die für die Ligandenbindung relevanten Seitenkettenreste sind gelb dargestellt.

Bitterrezeptoren könnten als endogene Sensoren für Gallensäuren dienen

Quelle: Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie

Veröffentlicht: 03.07.2023

Geschmacksrezeptoren für Bitteres finden sich nicht nur auf der Zunge, sondern auch auf Zellen außerhalb des Mundraums. Wie eine neue Studie des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München nun zeigt, kämen solche extraoralen Bitterrezeptoren auch als endogene Sensoren für Gallensäuren infrage. Diese Entdeckung legt nahe, dass neben Nahrungsbestandteilen auch körpereigene Substanzen die Evolution der Bitterrezeptoren beeinflusst haben könnten. Ferner liefert die Studie neue Ansätze, um gesundheitliche Effekte von Lebensmittelinhaltstoffen zu erforschen, an denen extraorale Bitterrezeptoren beteiligt sind.

Als Geschmackssensoren dienen Bitterrezeptoren dazu, potentielle Giftstoffe in der Nahrung zu erkennen und zu vermeiden. Relativ neue Befunde weisen zudem darauf hin, dass sich Bitterrezeptoren auch auf Zellen der Lunge, des Gehirns, des Magen-Darmtrakts sowie auf Blutzellen und Spermien finden. Ein Fakt, der auf weitere, noch unbekannte Rezeptorfunktionen im Körper schließen lässt. Insbesondere, da der menschliche Körper auch selbst Bitterstoffe produziert.

Aufgrund dieser Erkenntnisse stellt sich die Frage, ob sich Bitterrezeptoren in erster Linie als Geschmacksrezeptoren entwickelt haben oder eher als endogene Sensoren, die mit körpereigenen Bitterstoffen interagieren. Letzteres würde natürlich erfordern, dass die Konzentrationen der körpereigenen Stoffe in den entsprechenden Körperflüssigkeiten ausreichen, um die endogenen Bitterrezeptoren auf extraoralen Geweben und Zellen zu aktivieren.

Bitterrezeptoren

Bitterrezeptoren/-/taste receptors, type 2

Eine von fünf verschiedenen Gruppen von Sensoren, die darauf spezialisiert sind, eine bestimmte Geschmacksqualität wahrzunehmen. Die Sinneszellen, in denen die Geschmacksrezeptoren ihren Dienst tun, befinden sich in den Geschmacksknopsen auf der Zunge sowie in den umgebenden Schleimhäuten. Bitterrezeptoren gehören zur Familie der G-​Protein-​gekoppelten Rezeptoren. Eine einzige Zelle kann mehrere unterschiedliche Bitterrezeptoren enthalten. Folglich antwortet sie auf verschiedene Bitterstoffe mit demselben Signal. Dies macht es für uns unmöglich, einzelne Bitterstoffe geschmacklich auseinanderzuhalten.

Gallensäuren sind körpereigene Bitterstoffe

Gallensäuren sind ein gutes Beispiel für körpereigene Bitterstoffe und sind in unterschiedlichen Körperflüssigkeiten enthalten. Daher hat ein Team um Maik Behrens vom Freisinger Leibniz-Institut untersucht, welche der etwa 25 menschlichen Bitterrezeptortypen auf physiologisch relevante Gallensäuren-Konzentrationen reagieren. Hierzu verwendete das Team ein etabliertes zelluläres Testsystem und kombinierte zudem funktionelle Experimente mit molekularen Modellierungsansätzen. Zu den acht getesteten Gallensäuren gehörten sowohl primäre, sekundäre, tertiäre als auch konjugierte Gallensäuren.

Wie das Team zeigt, sprechen fünf Bitterrezeptortypen auf die getesteten Gallensäuren an. „Dabei stimmten die gemessenen Aktivierungsschwellen der Rezeptoren und die für menschliche Körperflüssigkeiten in der Literatur angegebenen Gallensäuren-Konzentrationen sehr gut überein“, sagt Florian Ziegler, der als Doktorand am Leibniz-Institut maßgeblich zur Studie beigetragen hat. „Außerdem konnten wir die Bindung von Gallensäuren an den Bittergeschmacksrezeptor TAS2R1 nicht nur mit Hilfe von Modellierungsstudien charakterisieren, sondern sogar die Unterschiede der experimentellen Aktivitätsdaten reproduzieren“, ergänzt Antonella Di Pizio, die am Leibniz-Institut die Arbeitsgruppe Molecular Modeling leitet.

Rezeptor

Rezeptor/-/receptor

Signalempfänger in der Zellmembran. Chemisch gesehen ein Protein, das dafür verantwortlich ist, dass eine Zelle ein externes Signal mit einer bestimmten Reaktion beantwortet. Das externe Signal kann beispielsweise ein chemischer Botenstoff (Transmitter) sein, den eine aktivierte Nervenzelle in den synaptischen Spalt entlässt. Ein Rezeptor in der Membran der nachgeschalteten Zelle erkennt das Signal und sorgt dafür, dass diese Zelle ebenfalls aktiviert wird. Rezeptoren sind sowohl spezifisch für die Signalsubstanzen, auf die sie reagieren, als auch in Bezug auf die Antwortprozesse, die sie auslösen.

Gallensäuren aktivieren extraorale Bitterrezeptoren

„Unsere Ergebnisse lassen annehmen, dass in der Tat eine physiologische Beziehung zwischen Gallensäuren und bestimmten extraoralen Bitterrezeptoren besteht und letztere als endogene Sensoren für Gallensäurespiegel fungieren. Sie untermauern zudem die These, dass nicht nur äußere Faktoren wie bittere Nahrungsbestandteile die Evolution der Bitterrezeptoren beeinflusst haben, sondern auch körpereigene“, fasst Studienleiter Maik Behrens zusammen. Weitere Studien seien jedoch dringend erforderlich, um die genauen biologischen Funktionen der extraoralen Rezeptoren aufzuklären, sagt der Biologe weiter. Denn diese könnten viel über gesundheitliche Effekte von Nahrungsbestandteilen verraten, wenn letztere mit den extraoralen Bitterrezeptor-Liganden-Systemen interagieren.

Bitterrezeptoren

Bitterrezeptoren/-/taste receptors, type 2

Eine von fünf verschiedenen Gruppen von Sensoren, die darauf spezialisiert sind, eine bestimmte Geschmacksqualität wahrzunehmen. Die Sinneszellen, in denen die Geschmacksrezeptoren ihren Dienst tun, befinden sich in den Geschmacksknopsen auf der Zunge sowie in den umgebenden Schleimhäuten. Bitterrezeptoren gehören zur Familie der G-​Protein-​gekoppelten Rezeptoren. Eine einzige Zelle kann mehrere unterschiedliche Bitterrezeptoren enthalten. Folglich antwortet sie auf verschiedene Bitterstoffe mit demselben Signal. Dies macht es für uns unmöglich, einzelne Bitterstoffe geschmacklich auseinanderzuhalten.

Rezeptor

Rezeptor/-/receptor

Signalempfänger in der Zellmembran. Chemisch gesehen ein Protein, das dafür verantwortlich ist, dass eine Zelle ein externes Signal mit einer bestimmten Reaktion beantwortet. Das externe Signal kann beispielsweise ein chemischer Botenstoff (Transmitter) sein, den eine aktivierte Nervenzelle in den synaptischen Spalt entlässt. Ein Rezeptor in der Membran der nachgeschalteten Zelle erkennt das Signal und sorgt dafür, dass diese Zelle ebenfalls aktiviert wird. Rezeptoren sind sowohl spezifisch für die Signalsubstanzen, auf die sie reagieren, als auch in Bezug auf die Antwortprozesse, die sie auslösen.

Originalpublikation

Ziegler, F., Steuer, A., Di Pizio, A., and Behrens, M. (2023). Physiological Activation of Human and Mouse Bitter Taste Receptors by Bile Acids. Communications Biology 6, 612. 10.1038/s42003-023-04971-3. https://www.nature.com/articles/s42003-023-04971-3

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