Sport: Rundum-glücklich-Paket für Körper und Geist

Grafik: MW

Dass Sport gesund ist, wissen wir alle. Trotzdem kriegen wir den Hintern oft nicht hoch. Vielleicht hilft es, sich nochmals klarzumachen, welche vielfältigen positiven Effekte regelmäßige Bewegung hat – nicht zuletzt auf das Gehirn. 

Wissenschaftliche Betreuung: Prof. Dr. Melanie Krüger

Veröffentlicht: 01.09.2021

Niveau: leicht

Das Wichtigste in Kürze
  • Vielfältige Bewegung fördert die kognitive Entwicklung von Kindern.
  • Sport fördert die Selbstregulation und verbessert damit auch die schulische Leistung von Kindern und Jugendlichen. 
  • Im Erwachsenenalter dient Bewegung vor allem dem Ausgleich sowie der Prävention körperlicher und geistiger Erkrankungen.
  • Tanzen ist gut geeignet, um Demenz vorzubeugen, denn es stellt besonders vielfältige Ansprüche.
  • Auch bei dementen Menschen kann Bewegung noch viel bewirken – wenn man es richtig angeht. 
Dranbleiben ist mental

Für manche Menschen gibt es keine Ausreden: Bei jedem Wetter schnüren sie die Laufschuhe oder schwingen sich aufs Fahrrad. Anderen fällt es oft schwer, sich zum Sport zu motivieren. Laut einer Studie von US-amerikanischen Forschern hängt das damit zusammen, welche Art von Motivation die Menschen mitbringen. Personen, die durch intrinsische Gründe wie Spaß, Herausforderung oder Stressbewältigung motiviert waren, trainierten demnach häufiger als solche, die es nur aus gesundheitlichen Gründen taten. Ob die Menschen eher Einzel- oder Gruppenübungen, Krafttraining oder Mannschaftssportarten bevorzugten, hing ebenfalls von ihren persönlichen Motiven ab. 

„Im Wesentlichen gibt es drei Beweggründe“, sagt Sportwissenschaftler Harald Lange von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. 

 

  1. Fitness. Man trainiert, um ein bestimmtes Körperbild zu erreichen: 10 Kilogramm weniger, einen Waschbrettbauch oder einen strammen Bizeps. Dranbleiben lässt das Fett schmelzen und stärkt die Muskulatur. Auch Kondition und Koordination werden besser. 
  2. Wohlgefühl. „Viele Menschen haben nicht das Produkt, sondern das gute Gefühl vor Augen, das sie durch den Sport bekommen“, sagt Lange. Das gelte besonders für rhythmische Bewegungen wie Tanzen. „Der Einklang zwischen Bewegung und Musik kann ein Harmoniegefühl erzeugen“, erklärt er. Außerdem lösten alle Bewegungen, die mit dem Gleichgewicht zu tun haben, eine gewisse Spannung und Faszination in uns aus. Bei Kindern ließe sich das besonders gut beobachten.
  3. Soziales Erlebnis: Sich gemeinsam mit anderen Menschen zu bewegen, seine Bewegungen auf den anderen zu beziehen und abzustimmen – das ist für viele Menschen, besonders für Kinder, das Schönste und Wichtigste beim Sport. In Zeiten der Corona-Pandemie ist das aber oft nicht möglich. Um den Aspekt, der derzeit vielen Menschen fehlt, ein Stück weit zu kompensieren, arbeiten Lange und seine Kollegen derzeit an einem virtuellen Coaching-Konzept: „Wir stellen Gruppen zusammen, die sich per Videochat über ihre Erlebnisse, Erfolge und Probleme beim Training austauschen“, erklärt er. Das hält der Sportwissenschaftler für noch wichtiger als die fachliche Anleitung, die sonst der Trainer oder die Trainerin übernimmt. „Das lassen wir für den Moment lieber herunterfallen und brechen die Aufgabe so herunter, dass sie quasi jeder übernehmen kann“, erklärt er und empfiehlt jedem: „Suchen Sie sich jemanden, der ein offenes Ohr für Sie und Ihr Training hat.“

Für die meisten Kinder gibt es nichts Schöneres, als gemeinsam mit anderen herumzutollen, sich viel und möglichst frei zu bewegen. Das macht nicht nur Spaß, sondern kommt auch ihren kognitiven und motorischen Fähigkeiten zugute. Schon im Kindergartenalter zeigt sich: Kinder, die in Sachen Kraft, Schnelligkeit, Beweglichkeit und Koordination gut abschneiden, sind auch geistig fitter als Altersgenossen. 

„Draußen und drinnen herumtoben, klettern, auch mal auf die Nase fallen, wieder aufstehen – all das sind Dinge, die für die die kognitive Entwicklung von Kindern extrem wichtig sind“, sagt der Würzburger Bildungsforscher Heinz Reinders. Insbesondere gelte das im Alter zwischen 0 und 6 Jahren.

Nase

Nase/Nasus/nose

Das Riechorgan von Wirbeltieren. In der Nasenhöhle wird die Luft durch Flimmerhärchen gereinigt, im oberen Bereich liegt das Riechepithel, mit dem Gerüche aufgenommen werden.

Bessere Noten durch Fußball

Eine Untersuchung von Reinders und seinen Kollegen an der Universität Würzburg hat ergeben, dass Jugendliche, die viel Fußball spielen, in der Schule besser abschneiden. Sowohl in Mathematik als auch in Deutsch waren Vereinsfußballerinnen und -fußballer zwischen 15 und 16 Jahren ihren Klassenkameraden bis zu einer halbe Note voraus. „Damit konnten wir mit dem Vorurteil aufräumen, dass Leistungssport hinderlich für schulische Entwicklung ist“, sagt Studienleiter und Fußballtrainer Reinders. Häufig bekomme er von Eltern die Rückmeldung, ihr Kind könne nicht zum Training kommen, weil es für eine Klassenarbeit lernen müsse. „Aber gerade dann ist es wichtig, dass das Kind sich mal austoben kann und den Kopf frei bekommt“, sagt Reinders.

Sport alleine macht vielleicht nicht schlau, ist aber ein entscheidender Faktor für die schulische Motivation. Wenn sich Kinder und Jugendliche beim Sport anstrengen, sehen sie Erfolge. Und das übertragen sie nach Ansicht des Bildungsforschers auch auf den schulischen Kontext, sagt Reinders. „Sie merken: Anstrengung lohnt sich.“ Sportliche Kinder hätten zudem eine höhere Selbstregulation. Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang von exekutiven Funktionen. „Sie nehmen ihre eigenen Gefühle, Pläne und Ziele bewusster wahr und richten ihr Handeln stärker danach aus“, erklärt Reinders. So merken sie auch schneller, wenn sie beim Lernen mit den Gedanken abschweifen und ein Ziel nicht erreichen. 

Mehr noch: „Beim Fußball lernt man, Gedanken schnell in Handlungen zu übersetzen. Denn es gilt, im Bruchteil von Sekunden Entscheidungen zu treffen.“ Wichtig ist dafür aber, dass Handlungen nicht stereotyp eingeübt werden, sondern eigenständig und kreativ. Reinders gibt seinen Spielerinnen und Spielern anfangs keine Regeln vor. Er stellt ihnen Aufgaben – aber ohne konkrete Anweisungen. Das fördert die exekutiven Funktionen besonders gut. Denn: „Die Jugendlichen müssen das Problem erfassen, sich eine Lösung überlegen und sie mit ihrem Körper auf den Platz bringen.“ Doch keine Sorge, wenn der Nachwuchs sich nicht für Fußball interessiert. „Egal welche Sportart – das wichtigste ist eine große Bewegungsvielfalt und möglichst wenig Routine“, sagt Reinders. 

Jede Minute Training zählt

Laut einem Forscherteam der University of Minnesota verfügen Menschen, die in ihrer Jugend oder im jungen Erwachsenenleben viel Sport getrieben haben, im Alter über ein besseres Gedächtnis. Je länger es ihren durchschnittlich 25-jährigen Probanden gelang, sich auf einem immer schneller werdenden Laufband zu halten, desto besser schnitten sie in einem Gedächtnistest ab, den sie 20 Jahre später durchführten. Pro zusätzlicher Minute Laufband konnten sie sich aus einer Liste von 15 Wörtern rund 0,1 Wörter mehr merken. „Diese Veränderung mag bescheiden wirken, aber sie ist bedeutsam“, wird Studienautor David Jacobs in einer Pressemitteilung zitiert. Denn genau solche Tests könnten anzeigen, wer später im Leben Gefahr laufe, eine Demenz zu entwickeln. „Unsere Studie soll junge Erwachsene daran erinnern, wie wichtig Aktivitäten wie Laufen, Schwimmen, Radfahren für die Gehirngesundheit sind“, so Jacobs.  

Wer nun denkt „Mist, Chance verpasst“, liegt glücklicherweise falsch: Auch später kann Sport noch viel bewirken. „Sporttreiben – besonders, wenn man es regelmäßig tut – führt zu einer besonderen Form der Ausgeglichenheit“, weiß Sportwissenschaftler Harald Lange von der Universität Würzburg. Vor allem für Menschen, die sich während ihrer Arbeitszeit nur wenig bewegen, ist Sport eine ausgezeichnete Kompensation.

Unser Körper ist nicht für stundenlanges Sitzen, sondern für viel Bewegung gemacht. Zahlreiche Untersuchungen deuten darauf hin, dass langes Sitzen das Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht. Diese zählen in Deutschland zu den häufigsten Todesursachen. Die gute Nachricht: Durch regelmäßige Bewegung lässt sich vielen Krankheiten vorbeugen. 

Sport hat vielfältige positive Effekte auf die Gesundheit.  So wird beim Training überschüssiges Fett ab- und Muskelmasse aufgebaut. Das kurbelt den Stoffwechsel an, denn schon im Ruhezustand verbrauchen Muskeln mehr Energie. Wenn wir sie beanspruchen, braucht die Muskulatur viel Sauerstoff. Um sie damit zu versorgen, muss das Herz stärker pumpen, die Gefäße werden gut durchgespült. Das macht sie elastischer und wirkt Ablagerungen entgegen, die sonst früher oder später einen Schlaganfall oder Herzinfarkt auslösen können. Zudem reagieren die Zellen des Körpers durch das Training wieder sensibler auf Insulin, jenes Hormon, das die Aufnahme von Zucker aus dem Blut steuert. Selbst bei Menschen, die bereits an Diabetes Typ 2 erkrankt sind, lässt sich durch regelmäßige Bewegung eine Verbesserung erzielen. Und auch Erkrankungen des Gehirns kann Sport entgegenwirken. In einer Übersicht aktueller Studien kommen Experten der australischen Universität Queensland zu dem Schluss, dass sich durch regelmäßigen Sport das Risiko, an Demenz zu erkranken, um 18 Prozent reduzieren lässt. 

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Tanzen gegen Demenz

Tanzen ist offenbar besonders gut. „Die Leute müssen sich neue Tanzschritte merken, sich im Raum orientieren und ihre Bewegungen an die Musik anpassen“, erklärt Notger Müller. Er leitet die Forschungsgruppe Neuroprotektion am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen in Magdeburg. Hinzu kommt die soziale Komponente: Die Tanzpartner interagieren miteinander, nicht nur während des Tanzens, sondern auch davor und danach.

„Aus Versuchen mit Mäusen wissen wir, dass eine Kombination aus physischer und psychischer Stimulation besonders gut geeignet ist, um die Bildung neuer Nervenzellen im Hippocampus anzuregen und diese dauerhaft in neuronale Netzwerke zu integrieren,“ berichtet der Neurologe. Diese Hirnregion ist besonders wichtig für die Gedächtnisbildung; sie ist bei Alzheimer-Patienten stark betroffen. Aber auch, wenn keine Demenzerkrankung vorliegt, schrumpft der Hippocampus im Alter jährlich um etwa ein Prozent.  

Ein Trost: Auch Erwachsene können im Hippocampus noch neue Nervenzellen und Verknüpfungen ausbilden. Deshalb haben Müller und seine Kollegen untersucht, wie sich Tanzen auf das Gehirn gesunder Senioren auswirkt. Nach sechs Monaten konnten sie zwar in einigen Gehirnregionen positive Veränderungen feststellen, der Hippocampus war aber leider nicht gewachsen. „Deshalb haben wir die Menschen weiter tanzen lassen“, sagt Müller. Nach insgesamt 18 Monaten konnte das Team dann auch im Hippocampus und angrenzenden Regionen einen Größenzuwachs feststellen. Auch in Gedächtnistests schnitten die Tänzerinnen und Tänzer besser ab – allerdings erst nach einer Studiendauer von fünf Jahren. Um nicht nur dem altersbedingten Abbau entgegenzuwirken, sondern auch kognitive Verbesserungen zu erzielen, braucht es also einen langen Atem.  

Es ist nie zu spät, um anzufangen

Aber was, wenn man bereits an Demenz erkrankt ist? „Auch dann kann Bewegung helfen“, sagt Klaus Hauer. Er leitet die Forschungsabteilung am Agaplesion Bethanien Krankenhaus Heidelberg. Vor einigen Jahren habe es seitens der Krankenkassen Bestrebungen gegeben, dementen Patienten eine Rehabilitation zu verwehren, berichtet er. Begründet wurde dies mit Studienergebnissen, laut denen eine Reha bei solchen Personen wenig Wirkung zeige. „Bei diesen Studien wurden aber keine demenzorientierte Konzepte angewendet“, kritisiert Hauer. „Unsere Ergebnisse, und auch die anderer Forschungsgruppen, zeigen, dass Menschen mit einer beginnenden bis mittelgradigen kognitiven Einschränkung sehr wohl trainierbar sind“, sagt der Bewegungswissenschaftler und Biologe. 

Anstatt auf ihre Defizite müsse man sich auf die Ressourcen der Menschen konzentrieren, betont er. Es gelte zu schauen: Was können die Menschen noch und wie kann ich mit ihnen trainieren? Dabei erlebe man mitunter große Überraschungen: „Auch mit 85-Jährigen, dementen Patienten kann man wunderbar Krafttraining an Geräten machen“, berichtet Hauer. Auch so genannte Exergames – virtuelle Spiele, die zu körperlichen Bewegungen und Reaktionen auffordern – eigneten sich hervorragend für das Training Hochbetagter. „Sie verbinden den Spielcharakter mit wissenschaftlich belegten Trainingskonzepten. Damit erreicht man auch Menschen, die früher niemals Sport getrieben haben“, erklärt Hauer. Natürlich müssten Aufgaben und Schwierigkeitsgrad entsprechend angepasst werden.

Zu spüren: „Ich kann ja doch noch was“ motiviere die Menschen ungemein, sagt Hauer. In der Psychologie wird dieses Gefühl auch als Selbstwirksamkeit bezeichnet. Diese kommt Hochbetagten häufig abhanden – auch, weil Angehörige versuchen, ihnen alles abzunehmen. Durch ein gut auf sie zugeschnittenes Training können sie ein Stück Selbstwirksamkeit zurückgewinnen. In der Folge fällt es ihnen leichter, funktionelle Schlüsselfunktionen – gehen, stehen, Treppen steigen – zu trainieren und ihren Alltag wieder besser zu meistern. Bewegung ist also nicht nur ideal für kleine Kinder: Körper und Geist werden es Ihnen in jedem Alter danken.

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