Wie sakkadische Augenbewegungen Säugetieren die Jagd in komplexer Umgebung ermöglichen
![Ein Frettchen rennt durch den Schnee](https://www.dasgehirn.info/sites/default/files/styles/scale_768_w/public/teaser/PM_Sakkaden%20Bewegung.jpg?itok=u54MxDSh)
Im Auge des Jägers. Wie nutzen Räuber ihr Sehvermögen, während sie ihre Beute verfolgen, die um ihr Leben rennt und das auch noch in völlig unübersichtlichem Terrain? Die Jagd ist eine enorme Herausforderung und das nicht nur, weil das Beutetier ständig die Richtung wechselt. Durch die eigene Bewegung des Räubers verschwimmt zudem das Bild der Umgebung. In einer neuen Studie, veröffentlicht in der renommierten Fachzeitschrift Current Biology, haben Forschende rekonstruiert, was genau Frettchen sehen, wenn sie ein Objekt verfolgen. Sie konnten zeigen, das schnelle Augenbewegungen, sogenannte Sakkaden, welche im eigenen Ruhezustand normalerweise dazu dienen, Objekte zu fixieren, in einer Jagdsituation die Bewegung der Umgebung (den optischen Fluss) an der Netzhaut ausrichten und nicht das eigentliche Zielobjekt. Dies reduziert die Bewegungsunschärfe in der Zone des schärfsten Sehens, so dass der Räuber ein möglichst deutliches Bild der Umgebung erhält, durch die er seine Beute verfolgt.
Veröffentlicht: 04.02.2025
Sakkaden fixieren nicht das Zielobjekt
Wenn wir stillsitzen, nutzt unser visuelles System schnelle, koordinierte Augenbewegungen, die Sakkaden, um interessante Objekte im Blick zu behalten – beispielsweise, wenn wir bewegte Objekte auf einem Bildschirm betrachten. Aber was passiert, wenn ein Tier mit Höchstgeschwindigkeit hinter seiner Beute herjagt, die wiederum mit unberechenbaren Richtungsänderungen um ihr Leben flieht?
Mittels spezieller, kopfgetragener Kameras hat ein Forschende unserer Abteilung für Organisation des Gehirns und Verhaltens. gemeinsam mit Kollegen des Max Planck Florida Institute for Neuroscience in den USA Kopf- und Augenbewegungen von sich frei bewegenden Frettchen exakt vermessen. Sie konnten so die Gesichtsfelder beider Augen rekonstruieren und untersuchen, was die Tiere während der Verfolgungsjagd sehen. Befand sich die „Beute“, ein Ball, direkt vor dem Frettchen, so konnte das Frettchen ihr in gerader Linie hinterherjagen. Bei einer derartigen Jagd befindet sich das Bild der Beute in der Zone des schärfsten Sehens der Netzhaut des Auges - was nicht überraschend ist. Eine Überraschung erlebten die Forschenden aber, als sie mit dem Computer simulierten, was passiert, wenn entweder die Sakkaden oder aber die Kopfbewegungen digital entfernt werden: Die Position des Zielobjekts auf der Netzhaut lag immer noch in dieser Region des Auges und änderte sich nicht signifikant. Dies legt nahe, dass die Sakkaden nicht dazu da sind, das Objekt auf die Zone des schärfsten Sehens des Auges auszurichten, wie angenommen. Aber was ist dann die Funktion der Sakkaden?
Auge
Augapfel/Bulbus oculi/eye bulb
Das Auge ist das Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Lichtreizen – von elektromagnetischer Strahlung eines bestimmten Frequenzbereiches. Das für den Menschen sichtbare Licht liegt im Bereich zwischen 380 und 780 Nanometer.
Netzhaut
Netzhaut/Retina/retina
Die Netzhaut oder Retina ist die innere mit Pigmentepithel besetzte Augenhaut. Die Retina zeichnet sich durch eine inverse (umgekehrte) Anordnung aus: Licht muss erst mehrere Schichten durchdringen, bevor es auf die Fotorezeptoren (Zapfen und Stäbchen) trifft. Die Signale der Fotorezeptoren werden über den Sehnerv in verarbeitende Areale des Gehirns weitergeleitet. Grund für die inverse Anordnung ist die entwicklungsgeschichtliche Entstehung der Netzhaut, es handelt sich um eine Ausstülpung des Gehirns.
Die Netzhaut ist ca 0,2 bis 0,5 mm dick.
Sakkaden richten die Bewegung der Umgebung an der Retina aus
Um diese Frage zu beantworten, hat das Forscherteam genau analysiert, wie das Bewegungsmuster der Umgebung, der sogenannte optische Fluss, auf der Netzhaut abgebildet wird. Die Daten zeigen, dass die Sakkaden dazu dienen, die Zone des schärfsten Sehens auf die Zielrichtung des Tieres auszurichten, also den Ort, wo es hinlaufen möchte, was gleichzeitig die Zone mit der geringsten Bewegungsunschärfe ist. Dieser Mechanismus ist unabhängig vom Zielobjekt, da die Sakkaden auch ohne den Ball vorhanden waren. „Ein Beutetier im Blick zu behalten, das um sein Leben flieht und unkontrollierbare Richtungswechsel macht, ist sehr schwierig, insbesondere dann, wenn der Räuber selber rennt. Die eigene Bewegung vorherzusehen und diese auszugleichen, um klare Sicht in die Laufrichtung zu haben, ist dagegen einfacher. Das visuelle System von Säugetieren scheint sich dies zunutze zu machen.“, erklärt Damian Wallace, Wissenschaftler in der Abteilung Organisation des Gehirns und Verhaltens.
Netzhaut
Netzhaut/Retina/retina
Die Netzhaut oder Retina ist die innere mit Pigmentepithel besetzte Augenhaut. Die Retina zeichnet sich durch eine inverse (umgekehrte) Anordnung aus: Licht muss erst mehrere Schichten durchdringen, bevor es auf die Fotorezeptoren (Zapfen und Stäbchen) trifft. Die Signale der Fotorezeptoren werden über den Sehnerv in verarbeitende Areale des Gehirns weitergeleitet. Grund für die inverse Anordnung ist die entwicklungsgeschichtliche Entstehung der Netzhaut, es handelt sich um eine Ausstülpung des Gehirns.
Die Netzhaut ist ca 0,2 bis 0,5 mm dick.
Ein generalisierter Mechanismus
Das Forscherteam konnte die dem hier beschriebenen Mechanismus zugrunde liegenden synchronisierten Augen- und Kopfbewegungen nicht nur in Frettchen, sondern auch in sich frei bewegenden Spitzhörnchen, Ratten und Mäusen zeigen. Dies legt nahe, dass sie hier einen generalisierten Mechanismus in Säugetieren entdeckt haben. Seine präzise zeitliche Synchronisierung erlaubt dem Tier, flexibel auf erratische Richtungsänderungen zu reagieren, beispielsweise wenn das Beutetier einen scharfen Haken schlägt.
Originalpublikation
Damian J. Wallace, Kay-Michael Voit, Daniela Martin Machado, Mohammadreza Bahadorian, Juergen Sawinski, David S. Greenberg, Paul Stahr, Carl D. Holmgren, Giacomo Bassetto, Federica B. Rosselli, Aneta Koseska, David Fitzpatrick, Jason N.D. Kerr; Eye saccades align optic flow with retinal specializations during object pursuit in freely moving ferrets; Current Biology 2/25
https://www.cell.com/current-biology/fulltext/S0960-9822(24)01700-7