Steckbrief Alkohol
Wie wirkt Alkohol? Eines der ältesten bekannten Rauschmittel ist auch heute gesellschaftlich akzeptiert – trotz hoher Risiken für Gesundheit und Psyche und immensen Folgekosten für die Gesellschaft.
Wissenschaftliche Betreuung: Dr. Christian Müller
Veröffentlicht: 29.05.2015
Niveau: mittel
- Ethanol beeinflusst verschiedene Neurotransmittersysteme und wirkt bereits in geringen Mengen.
- Ethanol kann abhängig machen, auch weil es im Belohnungssystem Dopamin freisetzt.
- Ethanol kann zahlreiche Organe wie etwa das Gehirn und die Leber schädigen.
- Ethanol ist das häufigste Suchtmittel in Deutschland mit etwa 74.000 Toten und geschätzten Folgekosten von etwa 26 Milliarden Euro jährlich.
Mesolimbisches System
Mesolimbisches System/-/mesolimbic pathway
Ein System aus Neuronen, die Dopamin als Botenstoff verwenden und das entscheidend an der Entstehung positiver Gefühle beteiligt ist. Die Zellkörper liegen im unteren Tegmentums und ziehen unter anderem in die Amygdala, den Hippocampus und – besonders wichtig – den Nucleus accumbens, wo sie ihre Endköpfchen haben.
Dopamin
Dopamin/-/dopamine
Dopamin ist ein wichtiger Botenstoff des zentralen Nervensystems, der in die Gruppe der Catecholamine gehört. Es spielt eine Rolle bei Motorik, Motivation, Emotion und kognitiven Prozessen. Störungen in der Funktion dieses Transmitters spielen eine Rolle bei vielen Erkrankungen des Gehirns, wie Schizophrenie, Depression, Parkinsonsche Krankheit, oder Substanzabhängigkeit.
Was im allgemeinen Sprachgebrauch Alkohol genannt wird, heißt in der Fachsprache Ethanol – eine spezielle Form aus der chemischen Gruppe der Alkohole, die aus zwei Kohlenstoffatomen besteht. Ethanol ist ein organisches Lösungsmittel, das entsteht, wenn Pilze in zuckerhaltigen Flüssigkeiten einen Gärungsprozess auslösen. Ethanol wird getrunken; es ist eine der wenigen legalen Drogen.
Pharmakologische Wirkung
Alkohol wird im Verdauungstrakt nahezu vollständig vom Körper aufgenommen. Er passiert zudem fast ungehindert die Blut-Hirn-Schranke, kommt also leicht in das Gehirn. Anders als viele andere Drogen wirkt er nicht spezifisch auf einen Rezeptor oder einen Neurotransmitter, sondern beeinflusst viele verschiedene Transmittersysteme, etwa das GABAerge, glutamaterge und das dopaminerge System.
Konkret wirkt Ethanol auf spezifische Proteine in der Membran von Nervenzellen ein und verändert so die Funktion von Rezeptoren und Ionenkanälen. So bindet er neben weiteren etwa an glutamaterge NMDA-Rezeptoren und hemmt diese. Er interagiert auch mit GABA-A-Rezeptoren, deren Aktivität in Folge steigt. Welche Funktionen im Gehirn auf diese Weise beeinflusst werden, ist noch unklar. Fest steht jedoch, dass bereits bei geringen Mengen von 0,15 Promille ein erstes Gefühl des Beschwipstseins auftritt, dass also bereits geringe Mengen Alkohol Effekte zeigen.
Nach der ersten Interaktion mit den diversen Rezeptoren greift Alkohol in einer zweiten Welle indirekt in das Belohnungssystem ein: Er induziert eine Ausschüttung von Endorphinen in den Nucleus accumbens und sorgt so für angenehme Gefühle bis hin zur Euphorie. Weiterhin führt er zu einer Steigerung der Dopamin-Ausschüttung. Das Abhängigkeitspotential von Alkohol wird vor allem über diese Eigenschaft erklärt.
Rezeptor
Rezeptor/-/receptor
Signalempfänger in der Zellmembran. Chemisch gesehen ein Protein, das dafür verantwortlich ist, dass eine Zelle ein externes Signal mit einer bestimmten Reaktion beantwortet. Das externe Signal kann beispielsweise ein chemischer Botenstoff (Transmitter) sein, den eine aktivierte Nervenzelle in den synaptischen Spalt entlässt. Ein Rezeptor in der Membran der nachgeschalteten Zelle erkennt das Signal und sorgt dafür, dass diese Zelle ebenfalls aktiviert wird. Rezeptoren sind sowohl spezifisch für die Signalsubstanzen, auf die sie reagieren, als auch in Bezug auf die Antwortprozesse, die sie auslösen.
Neuron
Neuron/-/neuron
Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.
Rezeptor
Rezeptor/-/receptor
Signalempfänger in der Zellmembran. Chemisch gesehen ein Protein, das dafür verantwortlich ist, dass eine Zelle ein externes Signal mit einer bestimmten Reaktion beantwortet. Das externe Signal kann beispielsweise ein chemischer Botenstoff (Transmitter) sein, den eine aktivierte Nervenzelle in den synaptischen Spalt entlässt. Ein Rezeptor in der Membran der nachgeschalteten Zelle erkennt das Signal und sorgt dafür, dass diese Zelle ebenfalls aktiviert wird. Rezeptoren sind sowohl spezifisch für die Signalsubstanzen, auf die sie reagieren, als auch in Bezug auf die Antwortprozesse, die sie auslösen.
Mesolimbisches System
Mesolimbisches System/-/mesolimbic pathway
Ein System aus Neuronen, die Dopamin als Botenstoff verwenden und das entscheidend an der Entstehung positiver Gefühle beteiligt ist. Die Zellkörper liegen im unteren Tegmentums und ziehen unter anderem in die Amygdala, den Hippocampus und – besonders wichtig – den Nucleus accumbens, wo sie ihre Endköpfchen haben.
Nucleus
Nucleus/Nucleus/nucleus
Nucleus, Plural Nuclei, bezeichnet zweierlei: Zum einen den Kern einer Zelle, den Zellkern. Zum zweiten eine Ansammlung von Zellkörpern im Gehirn.
Nucleus accumbens
Nucleus accumbens/Nucleus accumbens/nucleus accumbens
Der Nucleus accumbens ist ein Kern in den Basalganglien, der dopaminerge (auf Dopamin reagierende) Eingänge vom ventralen Tegmentum bekommt. Er wird mit Belohnung und Aufmerksamkeit, aber auch mit Sucht assoziiert. In der Schmerzverarbeitung ist er an motivationalen Aspekten des Schmerzes (Belohnung, Schmerzabnahme) sowie an der Wirkung von Placebos beteiligt.
Effekte auf Körper und Psyche
In niedrigen Dosierungen enthemmt Alkohol vor allem. Dadurch wird man euphorisch und redselig, Ängste verschwinden, man überschätzt sich selbst. Auch das berühmte „doppelt Sehen“ kann schon bei geringen Alkoholdosen auftreten (Warum sehen wir unter Alkoholeinfluss doppelt?). Bei höheren Dosierungen, etwa bei einem Richtwert von einem bis zwei Promille, stört Alkohol die Selbstkontrolle und die Koordination und beeinträchtigt die Bewegungsfähigkeit. Die Stimmung beginnt zu kippen, einige Menschen werden sehr aggressiv. Ab etwa zwei Promille ist bei vielen Menschen auch das Bewusstsein gestört und der Betrunkene wird zunehmend müde. Ab einem Richtwert von etwa drei Promille wird es spätestens lebensbedrohlich, man kann das Bewusstsein verlieren, der Kreislauf kann zusammen brechen, die Atmung aussetzen. In der Folge drohen Koma und Tod. Der regelmäßige Konsum von Alkohol kann abhängig machen.
Möglicher therapeutischer Nutzen
Alkohol wird bei akuter Methanolvergiftung eingesetzt, da das alkoholabbauende Enzym eine höhere Anziehung für Ethanol als für Methanol besitzt. Dadurch kann Methanol ausgeschwemmt werden, bevor durch dessen enzymatischen Abbau Formaldehyd und Ameisensäure entstehen, die Organe schädigen und tödlich wirken können.
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Risiken
Der Konsum von Alkohol reduziert bereits bei geringen Mengen die Konzentrations– und Reaktionsfähigkeit– und damit auch die Fahrtüchtigkeit: Bereits ab 0,4 Promille steigt die Unfallhäufigkeit, bei 1,5 Promille ist sie 25 Mal höher als im nüchternen Zustand. Deshalb darf man ab 0,5 Promille kein Fahrzeug mehr führen. Unter Alkoholeinfluss steigt zudem die Zahl der Gewaltdelikte.
Eine Alkoholabhängigkeit entwickelt sich oft schleichend. Im zentralen Nervensystem kommt es bei chronischem Konsum zu einer Toleranz und zu Entzugssymptomen bei Unterbrechung: Brechreiz, Durst, Zittern, Verstimmung, Angst, Halluzinationen, Schlafstörungen, Reizbarkeit. Dabei kann es auch zu lebensgefährlichen Entzugserscheinungen wie beispielsweise epileptischen Anfällen oder einem Delirium tremens kommen. Bei Letzterem können unter anderem Halluzinationen und Verwirrtheit bis hin zum Koma auftreten. Wird das Delirium tremens nicht behandelt, verläuft es bei etwa einem Viertel der Betroffenen tödlich.
Weil Alkohol überall verfügbar ist, ist es besonders schwer, nach einem Entzug abstinent zu bleiben (Alkoholsucht verlernen). Längerfristiger Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit können zu Stimmungsschwankungen, Angstzuständen, Depressionen bis hin zu Suizidgedanken führen. Alkoholgenuss in der Schwangerschaft kann zu schwersten Schädigungen des Kindes führen (Wie wirkt sich Alkoholkonsum auf das Ungeborene aus?).
Zudem gibt es zahlreiche schwerwiegende Langzeitschäden: Chronischer Alkoholkonsum kann zu einer Verminderung des Hirnvolumens führen. Neben einer Schädigung des zentralen Nervensystems kann es auch zu Schädigungen des peripheren Nervensystems kommen (Polyneuropathie). Außerdem können im Verdauungstrakt Entzündungen und Tumore entstehen, es kann weiterhin zur Leberverfettung, Leberentzündung und schliesslich zur Leberzirrhose kommen. Auch der Herzmuskel kann durch Alkohol geschädigt werden (Kardiomyopathie).
Depression
Depression/-/depression
Phasenhaft auftretende psychische Erkrankung, deren Hauptsymptome die traurige Verstimmung sowie der Verlust von Freude, Antrieb und Interesse sind.
Trivia
Alkohol ist eines der ältesten bekannten Rauschmittel. Die Sumerer brauten bereits vor 4000 Jahren Bier. Schon in der griechischen Antike gab es einen Gott des Weines und des Rausches: Dionysos. Bei den Gelagen zu Ehren des Gottes galt Wein als das Blut Gottes. Weil aber Alkohol nicht immer verfügbar war, entwickelten sich vermutlich seltener Abhängigkeiten.
Ethanol ist das in Deutschland am häufigsten gebrauchte Suchtmittel. Etwa 1,61 Millionen Deutsche trinken nach Angaben des „Jahrbuchs Sucht 2014“ „in missbräuchlicher Weise“, etwa 1,77 Millionen gelten als abhängig. Bei in deutschen Krankenhäusern stationär behandelten Männern sind alkoholbedingte Krankheiten die zweithäufigste Hauptdiagnose. Jährlich sterben etwa 74.000 Deutsche an direkten und indirekten Folgen des Alkohols. Die volkswirtschaftlichen Kosten werden mit 26,7 Milliarden Euro beziffert – pro Jahr.
In Deutschland werden 32 Prozent der Gewaltdelikte, 25 Prozent der Morde und 17 Prozent der Suizide unter Alkoholeinfluss begangen. Europaweit stehen bei den 15- bis 29-jährigen Männern 25 Prozent und bei Frauen zehn Prozent der Todesfälle in Verbindung mit Alkoholkonsum.
zum Weiterlesen:
- Kaffee, Käse, Karies… Biochemie im Alltag, hg von Jan Koolman, Hans Moeller, Klaus-Heinrich Röhm, Wiley-VCH, Weinheim (2003)
- Handbuch der Rauschdrogen, Wolfgang Schmidbauer, Jürgen vom Scheidt, Fischer Verlag, Frankfurt am Main (2004)
- Pharmakologie und Toxikologie, Hans-Herbert Wellhöner, Harms Verlag, Lindhöft (2014).