Krankheit der 1000 Fragen?
Nach mehr als 100 Jahren Forschung sind die Ursachen der Multiplen Sklerose noch immer rätselhaft. Auch den Verlauf der Krankheit können Mediziner nur schwer vorhersehen. Doch sie erwarten in den kommenden Jahren insbesondere in der Therapie deutliche Fortschritte.
Veröffentlicht: 14.05.2013
Niveau: mittel
Prüfend fährt Richard Freys rechte Hand über den türkisfarbenen Griff, der über seinem Kopf in die Kletterwand geschraubt ist. In acht Metern Höhe steht der 52-Jährige, gesichert durch ein Seil, auf einem kleinen Vorsprung. Die Finger finden Halt, jetzt sind die Füße dran. Unter ihm bugsiert die Trainerin der Gruppe behutsam seine Zehenspitzen auf den nächsten Tritt. Jetzt kann Frey den Karabiner am Ende der Route berühren. »Ab!« Wieder auf dem Boden der Halle im Münchner Olympiapark, lässt er sich in seinen Rollstuhl sinken. Die Trainingspartner machen Komplimente. Einige haben einen Rollator vor sich stehen, manche sitzen wie Frey ebenfalls im Rollstuhl. Sie alle waren schon da oben an der Wand – und sie alle haben Multiple Sklerose.
Über zwei Millionen Menschen weltweit sind an MS erkrankt. Ihr Immunsystem attackiert fälschlicherweise die schützenden Ummantelungen der Nervenfasern in Gehirn und Rückenmark, die so genannten Myelinscheiden. Das führt zu Störungen in der Reizweiterleitung – mit vielen möglichen Folgen, von Sehproblemen bis hin zu Lähmungen. MS ist die häufigste entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, bis heute unheilbar und nur begrenzt zu behandeln. Erst seit Kurzem sind Wissenschaftler in der Lage, die Vorgänge, die sich dabei im Körper abspielen, zumindest teilweise zu erklären. Doch die immer zahlreicheren Erkenntnisse könnten die MS-Behandlung in den kommenden Jahren deutlich verbessern.
In Deutschland leiden etwa 130.000 Menschen an Multipler Sklerose Die Krankheit tritt typischerweise bei jungen Menschen um die 30 zum ersten Mal auf – bei Frauen doppelt so häufig wie bei Männern. Über 80 Prozent der Betroffenen haben akute, Tage oder Wochen andauernde Krankheitsschübe, nach denen die Beschwerden aber teilweise oder ganz wieder zurückgehen. Ob und wann der nächste Schub kommt, ist nicht vorhersagbar. Die Krankheit geht etwa bei der Hälfte aller Patienten mit schubförmiger MS nach durchschnittlich elf Jahren in eine chronische Form über. Bei dem selteneren »primär chronisch progredienten Verlauf« schreiten die Funktionsstörungen dagegen von Beginn an fortlaufend voran.
Somit gibt es zwar Erkrankte, die im Rollstuhl sitzen oder mit anderen auffälligen Einschränkungen leben. Andere hingegen haben keine oder kaum sichtbare Beschwerden. Manche können keine zehn Meter weit laufen, mit etwas Hilfestellung aber eine überhängende Wand erklimmen – wie einige Mitglieder der Münchner Klettergruppe. Es existiert kein typischer MS-Patient: Multiple Sklerose ist die »Krankheit der 1000 Gesichter«.
Frauke Zipp, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universität Mainz, kennt viele dieser Gesichter. Während ihres Medizinstudiums erlebte sie immer wieder junge Menschen, die nach der Diagnose am Boden zerstört schienen – Szenen, die in Erinnerung blieben. Heute erforscht sie die Krankheit: mit dem »Zwei-Photonen-Mikroskop«, mit dem sich Vorgänge im Körper in leuchtend bunten Bildern verfolgen lassen. »Da kann man sehen, wie die Lymphozyten Nervenzellen angreifen«, sagt Zipp und beschreibt damit den zentralen Vorgang der Multiplen Sklerose, die zerstörerische Attacke so genannter T-Lymphozyten oder T-Zellen aus dem Immunsystem.
Multiple Sklerose
Multiple Sklerose/Encephalomyelitis disseminata/multiple sclerosis
Eine häufige neurologische Krankheit, die vorwiegend im jungen Erwachsenenalter auftritt. Aus noch ungeklärtem Grund greifen körpereigene Zellen die Myelinscheiden der Nervenzellen an und zerstören diese. Das kann im gesamten zentralen Nervensystem geschehen, weshalb zwei verschiedene Multiple-Sklerose-Patienten an ganz unterschiedlichen Symptomen leiden können. Besonders häufig sind Sehstörungen und Taubheitsgefühle in den Gliedmaßen.
Multiple Sklerose
Multiple Sklerose/Encephalomyelitis disseminata/multiple sclerosis
Eine häufige neurologische Krankheit, die vorwiegend im jungen Erwachsenenalter auftritt. Aus noch ungeklärtem Grund greifen körpereigene Zellen die Myelinscheiden der Nervenzellen an und zerstören diese. Das kann im gesamten zentralen Nervensystem geschehen, weshalb zwei verschiedene Multiple-Sklerose-Patienten an ganz unterschiedlichen Symptomen leiden können. Besonders häufig sind Sehstörungen und Taubheitsgefühle in den Gliedmaßen.
Multiple Sklerose
Multiple Sklerose/Encephalomyelitis disseminata/multiple sclerosis
Eine häufige neurologische Krankheit, die vorwiegend im jungen Erwachsenenalter auftritt. Aus noch ungeklärtem Grund greifen körpereigene Zellen die Myelinscheiden der Nervenzellen an und zerstören diese. Das kann im gesamten zentralen Nervensystem geschehen, weshalb zwei verschiedene Multiple-Sklerose-Patienten an ganz unterschiedlichen Symptomen leiden können. Besonders häufig sind Sehstörungen und Taubheitsgefühle in den Gliedmaßen.
Neuron
Neuron/-/neuron
Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.
Den Grundlagen zu Leibe rücken
Über die eigentlichen Ursachen der Krankheit und ihre Verläufe wissen die Wissenschaftler bis heute freilich nur wenig. Eine klassische Erbkrankheit ist MS zwar nicht. Dennoch gibt es Spuren im Erbgut: » haben wir im Rahmen einer großen internationalen Studie gemeinsam mit mehreren Gruppen 50 bis 60 Genvarianten gefunden, die bei MS-Kranken überdurchschnittlich häufig vorkommen«, erzählt Frauke Zipp. Sie hofft, dass sich dieses Wissen nutzen lässt, um verschiedene Patiententypen näher zu charakterisieren. Im nächsten Schritt könnten Mediziner dann feststellen, welcher Typ auf welche Medikamente besonders gut oder schlecht anspricht.
Bei Krebserkrankungen funktioniert diese Art der »personalisierten Medizin« in einigen Fällen bereits sehr gut. Deshalb suchen Forscher auch für Multiple Sklerose verstärkt nach Biomarkern: Eigenschaften, aus denen sich Hinweise für die Behandlung ableiten lassen. »Schon bei Kernspin-Untersuchungen lassen sich ganz verschiedene MS-Muster beobachten«, sagt Frauke Zipp. »Innerhalb des ›Kompetenznetzes Multiple Sklerose‹ wollen wir gemeinsam mit anderen Zentren genetische, immunologische und Kernspin-Daten deutschlandweit verknüpfen, um daraus neue Therapieansätze zu entwickeln.«
Auch der Blick auf die zellulären Grundlagen der Krankheit hat sich in den vergangenen Jahren geändert. Jahrzehntelang sahen Ärzte und Wissenschaftler MS vor allem als entzündliche Erkrankung, bei der allein die schützenden Myelinscheiden zerstört werden. Heute ist klar: Auch die Nervenfortsätze selbst – die Axone – werden attackiert, und es ist vor allem dieser Vorgang, der bleibende Behinderungen verursacht.
Gezeigt haben das unter anderem Forscher am Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin in Göttingen. Bei Mäusen, in deren Gehirn MS-ähnliche Nervenschäden provoziert wurden, stellten Mikael Simons und seine Mitarbeiter fest, dass sich das Myelin nach einiger Zeit vollständig regenerierte. Die Mäuse bewegten sich wieder normal. Sechs Monate später nahmen ihre motorischen Fähigkeiten ohne erkennbaren Auslöser erneut ab – die Forscher fanden Verletzungen der Nervenfortsätze. »Das könnte erklären, warum bei so vielen Patienten die schubförmige Multiple Sklerose irgendwann in die chronisch progrediente Form übergeht: Womöglich geht die Schädigung der Axone auch nach Überwindung eines Schubs unbemerkt weiter«, sagt Simons. »Erst wenn ein bestimmtes Ausmaß überschritten ist, kommt es zu immer schwerwiegenderen funktionellen Ausfällen.«
Multiple Sklerose
Multiple Sklerose/Encephalomyelitis disseminata/multiple sclerosis
Eine häufige neurologische Krankheit, die vorwiegend im jungen Erwachsenenalter auftritt. Aus noch ungeklärtem Grund greifen körpereigene Zellen die Myelinscheiden der Nervenzellen an und zerstören diese. Das kann im gesamten zentralen Nervensystem geschehen, weshalb zwei verschiedene Multiple-Sklerose-Patienten an ganz unterschiedlichen Symptomen leiden können. Besonders häufig sind Sehstörungen und Taubheitsgefühle in den Gliedmaßen.
Multiple Sklerose
Multiple Sklerose/Encephalomyelitis disseminata/multiple sclerosis
Eine häufige neurologische Krankheit, die vorwiegend im jungen Erwachsenenalter auftritt. Aus noch ungeklärtem Grund greifen körpereigene Zellen die Myelinscheiden der Nervenzellen an und zerstören diese. Das kann im gesamten zentralen Nervensystem geschehen, weshalb zwei verschiedene Multiple-Sklerose-Patienten an ganz unterschiedlichen Symptomen leiden können. Besonders häufig sind Sehstörungen und Taubheitsgefühle in den Gliedmaßen.
Biomarker
Biomarker/-/biomarker
In der Medizin versteht man unter einem Biomarker eine Substanz, die Hinweise auf den physiologischen Zustand eines Organismus gibt. Biomarker können entweder im Körper selbst entstehen oder chemische Verbindungen beschreiben, die Ärzte dem Körper zuführen, um an ihrem Schicksal bestimmte physiologische Funktionen zu testen. In Bezug auf die Alzheimer-Krankheit sind mehrere Indikatoren als mögliche Biomarker im Gespräch. Hierbei handelt es sich beispielsweise um die Konzentration an löslichem Amyloid-Vorläuferprotein im Blut sowie um die Aktivität des Enzyms, welches das Vorläuferprotein so zerschneidet, dass hieraus das plaquebildende Beta-Amyloid hervorgeht. Oft werden auch krankheitsbezogene Veränderungen, die mit bildgebenden Verfahren nachgewiesen werden, als Biomarker bezeichnet. So kann man zum Beispiel den Abbau von Gehirngewebe im MRT erkennen.
Axon
Axon/-/axon
Das Axon ist der Fortsatz der Nervenzelle, der für die Weiterleitung eines Nervenimpulses zur nächsten Zelle zuständig ist. Ein Axon kann sich vielfach verzweigen, und so eine Vielzahl nachgeschalteter Nervenzellen erreichen. Seine Länge kann mehr als einen Meter betragen. Das Axon endet in einer oder mehreren Synapse(n).
Myelin
Myelin/-/myelin
Myelin ist eine fetthaltige Substanz, die aus Gliazellen gebildet wird. Sie umhüllt die Axone (lange faserartige Fortsätze) von Nervenzellen und isoliert diese, so dass Nachrichten nicht ungehindert auf benachbarte Nervenzellen übergehen können. Zudem wird so die Signalleitung enorm beschleunigt.
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Welche Therapie ist richtig?
Ärzte suchen deshalb nach Stoffen, die nicht nur gegen die Entzündung wirken, sondern überdies die Nervenzellen selbst schützen. Frauke Zipp etwa ist an einer klinischen Studie beteiligt, in der MS-Patienten mit Epigallocatechingallat behandelt werden. In Tierversuchen hat sich diese Substanz, die auch in grünem Tee enthalten ist, bereits als wirksam erwiesen.
Mikael Simons und sein Team konnten zudem zeigen, dass das regenerierte Myelin dünner und etwas anders zusammengesetzt ist als das ursprüngliche. Dass es die Axone deshalb weniger gut schützt, können die Forscher bislang nur vermuten. »Ich denke aber, dass wir Substanzen finden müssen, die die Myelinregeneration unterstützen«, sagt Simons. »Und es deutet viel darauf hin, dass sich spätere axonale Schäden gerade in der Anfangsphase der Krankheit verhindern lassen.« Man müsste also möglichst früh behandeln – auch mit starken Medikamenten.
Während viele Wissenschaftler diese Meinung heute teilen, bleibt Christoph Heesen, Leiter der MS-Sprechstunde des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, zögerlich: »Es gibt bisher keine Daten, die meiner Ansicht nach überzeugend belegen, dass eine frühe Intervention etwas bringt.« Heesen berät Patienten bei ihrer Therapiewahl und stellt sie vor eine verzwickte Entscheidung: Es gibt mehrere Alternativen, keine davon ist perfekt.
Bei akuten Schüben bekommen Erkrankte häufig Kortison, mit dem sich die Entzündungsreaktion hemmen lässt. Als Basistherapie dienen vor allem Interferon-beta-Präparate und Glatiramerazetat. Beide greifen auf nicht vollständig bekannte Weise ins Immunsystem ein, beide müssen je nach Präparat täglich bis einmal wöchentlich gespritzt werden. Aus Studien weiß man, dass sich so die Zahl der zu erwartenden Schübe um etwa ein Drittel reduzieren lässt. Die neueren Fingolimod-Tabletten scheinen sie gar halbieren zu können. Gut wirkt auch Natalizumab, das die zerstörerischen Immunzellen aus dem Hirn aussperrt. Das Risiko: Das Gehirn wird anfälliger für Infektionen.
Die anderen Präparate haben ebenfalls Nebenwirkungen. Interferone etwa können grippeähnliche Symptome verursachen, die erst nach Wochen bis Monaten nachlassen und die Lebensqualität stark beeinträchtigen. Das ständige Spritzen sorgt häufig für unangenehme und kosmetisch störende Hautreaktionen.
»Jede Entscheidung konfrontiert Patienten und Ärzte mit dem grundsätzlichen Dilemma: Wir wissen nicht, wie sich die MS jeweils weiterentwickeln wird«, sagt Christoph Heesen. Er plädiert dafür, Erkrankten nach der Diagnose erst einmal Zeit zu geben, ihren Schock zu überwinden und ein, wie Heesen es nennt, »Krankheitskonzept« zu entwickeln. »Der eine will abwarten, der andere hat das Gefühl, mit Medikamenten das Heft in der Hand zu behalten. Wichtig ist, dass wir die Menschen ganz individuell begleiten.«
Die umfangreiche Information des Betroffenen ist für Heesen der Schlüssel zum Erfolg. Der Arzt hat sogar Anhaltspunkte dafür gefunden, dass sich das verstärkte Wissen um die Krankheit unmittelbar auf deren Verlauf auswirken kann. Patienten, die er und seine Mitarbeiter im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie intensiv über die Möglichkeiten der akuten Schubtherapie schulten, entschieden sich in den folgenden beiden Jahren seltener dafür, bei Schüben Medikamente zu nehmen – und trotzdem hatten sie weniger Schübe als eine Kontrollgruppe. »Möglicherweise spielt dabei die höhere Selbstbestimmung bei Entscheidungen eine Rolle. Das gibt vielen Patienten ein gigantisches Gefühl der Kontrolle«, so Heesen.
Neuron
Neuron/-/neuron
Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.
Myelin
Myelin/-/myelin
Myelin ist eine fetthaltige Substanz, die aus Gliazellen gebildet wird. Sie umhüllt die Axone (lange faserartige Fortsätze) von Nervenzellen und isoliert diese, so dass Nachrichten nicht ungehindert auf benachbarte Nervenzellen übergehen können. Zudem wird so die Signalleitung enorm beschleunigt.
Axon
Axon/-/axon
Das Axon ist der Fortsatz der Nervenzelle, der für die Weiterleitung eines Nervenimpulses zur nächsten Zelle zuständig ist. Ein Axon kann sich vielfach verzweigen, und so eine Vielzahl nachgeschalteter Nervenzellen erreichen. Seine Länge kann mehr als einen Meter betragen. Das Axon endet in einer oder mehreren Synapse(n).
Multiple Sklerose
Multiple Sklerose/Encephalomyelitis disseminata/multiple sclerosis
Eine häufige neurologische Krankheit, die vorwiegend im jungen Erwachsenenalter auftritt. Aus noch ungeklärtem Grund greifen körpereigene Zellen die Myelinscheiden der Nervenzellen an und zerstören diese. Das kann im gesamten zentralen Nervensystem geschehen, weshalb zwei verschiedene Multiple-Sklerose-Patienten an ganz unterschiedlichen Symptomen leiden können. Besonders häufig sind Sehstörungen und Taubheitsgefühle in den Gliedmaßen.
Neue Studien lassen hoffen
Die insgesamt noch unbefriedigende Therapiesituation könnte sich bald deutlich verbessern. In Deutschland wurden 2013 bereits neue MS-Medikamente zugelassen, darunter auch die seit Jahren intensiv beforschte Fumarsäure. Auf ihr ruhen große Hoffnungen. Die schon lange in der Therapie der Schuppenflechte eingesetzte Substanz führte bei Studienteilnehmern mit MS zu rund 50 Prozent weniger Schüben und bis zu 90 Prozent weniger neuen sichtbaren Schädigungen im Gehirn. Zudem ist sie offenbar gut verträglich.
Unterdessen legen Wissenschaftler auf der ganzen Welt das Fundament für weitere Entwicklungen. Am Institut für Multiple-Sklerose-Forschung der Universität Göttingen filmten Alexander Flügel und seine Mitarbeiter farbig markierte Immunzellen bei ihrer Wanderung durch den Körper von Ratten. Die Forscher wollten herausfinden, wie spezielle, krankheitsauslösende T-Zellen in das Gehirn eindringen. Zu ihrer Überraschung bewegten sie sich zunächst in die Lunge. »Dort wird offenbar eine fundamentale Umprogrammierung dieser Zellen angestoßen«, erklärt Flügel. Erst dann kriechen sie die Innenwände der Blutgefäße entlang und suchen nach einem Durchschlupf ins zentrale Nervensystem. »Dass MS-Patienten häufig nach Atemwegsinfektionen einen Schub bekommen, deutet darauf hin, dass die Lunge auch beim Menschen eine zentrale Rolle spielen könnte«, sagt Flügel. Er glaubt, Immunzellen würden dort etwa auf Viren aus der Atemluft treffen, deren Bestandteile den Myelinbausteinen im Gehirn ähneln. Der Kontakt könnte die T-Zellen in den Jagdmodus auf diese Moleküle versetzen.
Viele MS-Patienten verfolgen solche faszinierenden Forschungsergebnisse. Unter der Münchner Kletterwand sind sie aber selten ein Thema. »Hier steht der Sport, der Spaß an der Bewegung im Vordergrund«, sagt Gruppensprecher Markus Hermann. »Und das ist gut so. Wir brauchen, so wie alle anderen, in unserem Leben auch ein Stück Normalität.«
Von: Julia Groß
Multiple Sklerose
Multiple Sklerose/Encephalomyelitis disseminata/multiple sclerosis
Eine häufige neurologische Krankheit, die vorwiegend im jungen Erwachsenenalter auftritt. Aus noch ungeklärtem Grund greifen körpereigene Zellen die Myelinscheiden der Nervenzellen an und zerstören diese. Das kann im gesamten zentralen Nervensystem geschehen, weshalb zwei verschiedene Multiple-Sklerose-Patienten an ganz unterschiedlichen Symptomen leiden können. Besonders häufig sind Sehstörungen und Taubheitsgefühle in den Gliedmaßen.
zum Weiterlesen:
Dieser Artikel ist Teil einer Publikation der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung und der Klaus Tschira Stiftung: Auf und ab — Leben mit MS. URL: http://www.ghst.de/unsere-arbeitsgebiete/neurowissenschaften/welt-ms-tag/ [Stand: 15.05.2013]
Multiple Sklerose
Multiple Sklerose/Encephalomyelitis disseminata/multiple sclerosis
Eine häufige neurologische Krankheit, die vorwiegend im jungen Erwachsenenalter auftritt. Aus noch ungeklärtem Grund greifen körpereigene Zellen die Myelinscheiden der Nervenzellen an und zerstören diese. Das kann im gesamten zentralen Nervensystem geschehen, weshalb zwei verschiedene Multiple-Sklerose-Patienten an ganz unterschiedlichen Symptomen leiden können. Besonders häufig sind Sehstörungen und Taubheitsgefühle in den Gliedmaßen.