Bei Tag wie bei Nacht
Sehen im gleißenden Sonnenlicht und in tiefster nächtlicher Dunkelheit – das visuelle System kann beides. Über verschiedene Wege passen sich die Augen an Lichtintensitäten an, die mehrere Zehnerpotenzen auseinander liegen.
Wissenschaftliche Betreuung: Prof. Dr. Johann Helmut Brandstätter
Veröffentlicht: 04.11.2016
Niveau: mittel
- Unsere Augen können sich unterschiedlichen Lichtverhältnissen besonders gut anpassen. Dafür brauchen sie jedoch etwas Zeit.
- Die Menge des Lichteinfalls reguliert die Pupille, die sich bei Dämmerung oder Dunkelheit weitet.
- Für die Verarbeitung von schwachem Licht sind die Stäbchen zuständig. Sie sind um ein Vielfaches lichtempfindlicher als die Zapfen fürs Farbensehen.
- Weil die Stäbchen Unterschiede in der Wellenlänge nicht detektieren können, erscheinen nachts alle Katzen grau. Außerdem erscheint die Sicht oft körnig: Das Zentrum für scharfes Sehen, die Fovea centralis, ist nur mit Zapfen besetzt.
Wenn man aus einem dunklen Raum in einen hellen Sommertag tritt, ist das Auge zunächst vom vielen Licht überfordert: gesättigt, wie es in der Fachsprache heißt. Dann aber läuft innerhalb von fünf bis zehn Minuten die Lichtadaptation ab. Zunächst wird die Pupille eng gestellt, um den Lichteinfall zu begrenzen. Dann werden die Veränderungen der Netzhaut, die die Dunkeladaptation begleiten, wieder rückgängig gemacht. Zudem beeinflusst die Calcium-Konzentration im Außensegment der Zapfen die Photopigmente und das Effektorenzym Phosphodiesterase, wodurch die Zelle unempfindlicher gegen Lichteinfall wird. Dies führt zwar dazu, dass Informationen über die absolute Helligkeit der Umwelt verloren gehen. Doch die calciumgestützten Mechanismen gewährleisten die Fähigkeit, Veränderungen der Lichtstärke zu registrieren, also etwa einen Schatten zu sehen. Und mehr noch: Ohne sie ist das visuelle System nicht mehr fähig, sich an höhere Beleuchtungslevel anzupassen. Das zeigt sich, wenn experimentell die Calcium-Ionen in der Zelle gebunden werden und somit für Reaktionen nicht länger verfügbar sind.
Auge
Augapfel/Bulbus oculi/eye bulb
Das Auge ist das Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Lichtreizen – von elektromagnetischer Strahlung eines bestimmten Frequenzbereiches. Das für den Menschen sichtbare Licht liegt im Bereich zwischen 380 und 780 Nanometer.
Pupille
Pupille/-/pupil
Die Öffnung des Auges, durch die Licht ins Innere fällt. Die Größe der Pupille wird durch die Iris bestimmt und verändert sich reflexartig (Pupillenreflex). Dieser Prozess der Anpassung an die Umgebungshelligkeit wird als Adaptation bezeichnet.
Zapfen
Zapfen/-/retinal cones
Die Zapfen sind eine Art von Fotorezeptoren der Netzhaut. Die drei unterschiedlichen S-, M– und L-Zapfen sind jeweils durch kurz-, mittel und langwellige Frequenzen des sichtbaren Lichts erregbar und ermöglichen so Farbsehen.
Helligkeit
Helligkeit/-/brightness
Die Helligkeit ist eine der Wahrnehmungsdimensionen des Sehens. Sie beeinflußt die Größe der Pupille.
Mitternacht. Der Himmel ist klar, die Sterne funkeln. Beste Voraussetzungen für einen kleinen Spaziergang in der Natur, fernab von den Lichtern der Stadt. Schnell in die Schuhe geschlüpft und raus aus dem Haus durch den Garten in den Wald. Die Luft ist frisch, die Geräusche ein wenig fremdartig. Zuerst sieht man sprichwörtlich kaum die Hand vor den Augen. Doch nach und nach gewöhnen wir uns an die Dunkelheit. Immer deutlicher erkennen wir den schmalen Pfad im schwachen Sternenlicht, sehen Büsche und Bäume. Und dort, hinter der Ecke — huschte da nicht gerade eine Katze vorbei?
Unsere Augen sind ein Meister der Anpassung. Im grellen Sonnenlicht eines Sommertages liefern sie ebenso ein Bild der Welt wie in tiefster Nacht – wenn auch in unterschiedlicher Qualität. Oder in Zahlen ausgedrückt: Sehr helles Licht ist mehr als eine Billion Mal intensiver als das schwächste Licht, das wir sehen können. Die Adaptation an eine derart große Spanne unterschiedlicher Lichtintensitäten funktioniert darum so gut, weil mehrere Mechanismen dabei ineinander greifen.
Erste Stellschraube ist die Pupille, deren Größe sich je nach Beleuchtungsbedingungen verändert. So wird reguliert, wie viel Licht überhaupt auf die Netzhaut gelangt. Ist es hell, verengt sich die Pupille reflektorisch, um die Retina vor zu viel Lichteinfall zu bewahren. Bei Dunkelheit weitet sie sich, um die wenigen Lichtstrahlen optimal einzufangen. Doch das allein erklärt nicht die enorme Anpassungsfähigkeit des Sehsinns. Denn die Pupillenfläche kann so nur maximal auf das 16-fache vergrößert werden, die Lichtintensität in der Nacht ist aber wie gesagt um mehrere Zehnerpotenzen geringer als am Tag.
Auge
Augapfel/Bulbus oculi/eye bulb
Das Auge ist das Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Lichtreizen – von elektromagnetischer Strahlung eines bestimmten Frequenzbereiches. Das für den Menschen sichtbare Licht liegt im Bereich zwischen 380 und 780 Nanometer.
Adaptation
Adaptation/-/adaptation
Zweistufiger Prozess der Anpassung des Auges an die Helligkeit der Umgebung. Im ersten Schritt verändert sich durch den Pupillenreflex die Größe der Pupille, wodurch die Menge des einfallenden Lichts reguliert wird. Im zweiten Schritt ändert sich die Empfindlichkeit der Fotorezeptoren. Dieser Prozess kann bis zu 40 Minuten dauern.
Netzhaut
Netzhaut/Retina/retina
Die Netzhaut oder Retina ist die innere mit Pigmentepithel besetzte Augenhaut. Die Retina zeichnet sich durch eine inverse (umgekehrte) Anordnung aus: Licht muss erst mehrere Schichten durchdringen, bevor es auf die Fotorezeptoren (Zapfen und Stäbchen) trifft. Die Signale der Fotorezeptoren werden über den Sehnerv in verarbeitende Areale des Gehirns weitergeleitet. Grund für die inverse Anordnung ist die entwicklungsgeschichtliche Entstehung der Netzhaut, es handelt sich um eine Ausstülpung des Gehirns.
Die Netzhaut ist ca 0,2 bis 0,5 mm dick.
Pupille
Pupille/-/pupil
Die Öffnung des Auges, durch die Licht ins Innere fällt. Die Größe der Pupille wird durch die Iris bestimmt und verändert sich reflexartig (Pupillenreflex). Dieser Prozess der Anpassung an die Umgebungshelligkeit wird als Adaptation bezeichnet.
Licht– und Schattenseiten der Arbeitsteilung
Um diese riesige Spanne abzudecken, gibt es in der Netzhaut zwei Arten von Lichtsinneszellen, so genannte Photorezeptoren. Die Zapfen, die auch für das Farbsehen verantwortlich sind, funktionieren nur bei starkem Lichteinfall. Deshalb übernehmen sie das Tagsehen – auch als photopisches Sehen bezeichnet. In der fortgeschrittenen Dämmerung oder bei Nacht werden statt ihrer dann die Stäbchen aktiv, die Augen schalten auf das so genannte skotopische Sehen um.
Der Hintergrund für diese Arbeitsteilung: Stäbchen sind um ein Vielfaches lichtempfindlicher als die Zapfen, können aber im Unterschied zu ihnen keine unterschiedlichen Wellenlängen detektieren und sind deshalb für das Farbsehen ungeeignet. Denn erst durch die spezifische Reizbarkeit der drei Zapfentypen für rotes, grünes oder blaues Licht und durch deren Zusammenspiel entsteht in unserem Kopf eine Farblandschaft. Ist nur ein Photorezeptor-Typ aktiv, so wie die Stäbchen im Dunkeln, können Unterschiede in der Wellenlänge des Lichtes nicht abgebildet werden. Das nennt man das Univarianzprinzip. Darum erscheinen nachts alle Katzen grau, egal, welche Farbe sie eigentlich haben.
Netzhaut
Netzhaut/Retina/retina
Die Netzhaut oder Retina ist die innere mit Pigmentepithel besetzte Augenhaut. Die Retina zeichnet sich durch eine inverse (umgekehrte) Anordnung aus: Licht muss erst mehrere Schichten durchdringen, bevor es auf die Fotorezeptoren (Zapfen und Stäbchen) trifft. Die Signale der Fotorezeptoren werden über den Sehnerv in verarbeitende Areale des Gehirns weitergeleitet. Grund für die inverse Anordnung ist die entwicklungsgeschichtliche Entstehung der Netzhaut, es handelt sich um eine Ausstülpung des Gehirns.
Die Netzhaut ist ca 0,2 bis 0,5 mm dick.
Stäbchen
Stäbchen/-/rod cells
Die Stäbchen sind Lichtsinneszellen mit hoher Lichtempfindlichkeit. Sie reagieren schon auf schwaches Licht und sind so für das skotopische Sehen, das Schwarz-Weiß-Sehen und das Sehen in der Dämmerung zuständig. Die Stäbchen liegen gehäuft in den äußeren Bereichen der Netzhaut und vermitteln daher keine große Sehschärfe.
Auge
Augapfel/Bulbus oculi/eye bulb
Das Auge ist das Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Lichtreizen – von elektromagnetischer Strahlung eines bestimmten Frequenzbereiches. Das für den Menschen sichtbare Licht liegt im Bereich zwischen 380 und 780 Nanometer.
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Regeneration braucht Zeit
Der Übergang vom Zapfen– zum Stäbchensehen erfolgt allerdings nicht von einem Moment auf den anderen. Zunächst sind die Zapfen noch aktiv. Sie reagieren schneller als die Stäbchen auf eine Änderung der Lichtstärke und sie decken insgesamt einen größeren Bereich an Lichtintensitäten ab, auch weil sie in der Lage sind, ihre Empfindlichkeit zu steigern. Deshalb können wir in einer klaren Vollmondnacht Farben noch einigermaßen unterscheiden. Wenn aber selbst die maximale Sensitivität der Zapfen bei zunehmender Dunkelheit nicht ausreicht, übernehmen die lichtsensibleren Stäbchen die Regie. Bis sie aber optimal arbeiten und uns die bestmögliche Nachtsicht bescheren, vergehen 20 bis 25 Minuten. Der Prozess, durch den sich unsere Augen an die Nacht gewöhnen, wird Dunkeladaptation genannt.
Sowohl die Stäbchen, als auch die Zapfen enthalten Photopigmente, genauer gesagt Rhodopsin beziehungsweise die so genannten Zapfenopsine. Unter dem Einfluss von Licht zerfallen diese Moleküle in zwei Teile, was in der Zelle eine Kaskade von Reaktionen auslöst. An deren Ende drosselt der Photorezeptor die Freisetzung des Botenstoffs Glutamat. Nachgeschaltete Zellen der Netzhaut wandeln dieses Signal in Nervenzellimpulse um und geben so die Information „Licht“ an das Gehirn weiter.
„Verbrauchtes“ Photopigment wird kontinuierlich wieder zusammengesetzt, allerdings nur in der Menge, die bei den momentan herrschenden Lichtverhältnissen gebraucht wird. Ist es hell, enthalten die Stäbchen viel zerfallenes Rhodopsin. Geht man aber aus dem gleißenden Sonnenlicht in ein dunkles Kino, muss erst genügend Rhodopsin regeneriert werden, um auch mit diesen Lichtverhältnissen klarzukommen. Das dauert etwa 20 bis 25 Minuten – die Zeit also, die wir erfahrungsgemäß brauchen, um unsere Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen. Bei der Lichtadaptation, also der Rückkehr ins Helle, werden die Veränderungen, die das Nachtsehen ermöglichen, dann wieder rückgängig gemacht (siehe Info-Box). Das geht zwar schneller, bis man aber wieder bestens sieht, vergehen auch einige Minuten.
Zapfen
Zapfen/-/retinal cones
Die Zapfen sind eine Art von Fotorezeptoren der Netzhaut. Die drei unterschiedlichen S-, M– und L-Zapfen sind jeweils durch kurz-, mittel und langwellige Frequenzen des sichtbaren Lichts erregbar und ermöglichen so Farbsehen.
Stäbchen
Stäbchen/-/rod cells
Die Stäbchen sind Lichtsinneszellen mit hoher Lichtempfindlichkeit. Sie reagieren schon auf schwaches Licht und sind so für das skotopische Sehen, das Schwarz-Weiß-Sehen und das Sehen in der Dämmerung zuständig. Die Stäbchen liegen gehäuft in den äußeren Bereichen der Netzhaut und vermitteln daher keine große Sehschärfe.
Auge
Augapfel/Bulbus oculi/eye bulb
Das Auge ist das Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Lichtreizen – von elektromagnetischer Strahlung eines bestimmten Frequenzbereiches. Das für den Menschen sichtbare Licht liegt im Bereich zwischen 380 und 780 Nanometer.
Rhodopsin
Rhodopsin/-/rhodopsin
Ein bestimmtes Opsin, das in den Stäbchen der Netzhaut vorkommt.
Glutamat
Glutamat/-/glutamate
Glutamat ist eine Aminosäure und der wichtigste erregende (exzitatorische) Neurotransmitter, der bei der Informationsübertragung zwischen Neuronen an deren Synapsen als Botenstoff dient.
Netzhaut
Netzhaut/Retina/retina
Die Netzhaut oder Retina ist die innere mit Pigmentepithel besetzte Augenhaut. Die Retina zeichnet sich durch eine inverse (umgekehrte) Anordnung aus: Licht muss erst mehrere Schichten durchdringen, bevor es auf die Fotorezeptoren (Zapfen und Stäbchen) trifft. Die Signale der Fotorezeptoren werden über den Sehnerv in verarbeitende Areale des Gehirns weitergeleitet. Grund für die inverse Anordnung ist die entwicklungsgeschichtliche Entstehung der Netzhaut, es handelt sich um eine Ausstülpung des Gehirns.
Die Netzhaut ist ca 0,2 bis 0,5 mm dick.
Die Rolle des Rhodopsins
Der Wechsel auf das skotopische System der Stäbchen hat weit reichende Auswirkungen. Die deutlichste ist die bereits erwähnte Unfähigkeit, im Dunkeln Farben zu erkennen. Doch auch jeder, der einmal eine Nachtwanderung unternommen hat, weiß: Wenn es dunkel ist, wirkt die Sicht oft ein wenig körnig oder verschwommen. Das liegt daran, dass in der Fovea centralis, dem Ort des schärfsten Sehens, nur Zapfen vorkommen. Die lichtempfindlichen Stäbchen befinden sich größtenteils in der Peripherie der Netzhaut, wo ganze Gruppen von ihnen an nur eine Bipolarzelle anknüpfen, welche die Lichtinformationen dann weitersenden. Diese Zusammenschlüsse ermöglichen es der Netzhaut, sensibler auf geringe Lichtmengen zu reagieren. Kehrseite der Medaille: Das Verschaltungsschema geht auf Kosten der Bildschärfe.
Die Fähigkeit des Auges, sich an einen großen Bereich unterschiedlicher Beleuchtungsverhältnisse anzupassen, führt also zu Kompromissen: Bei Tag sehen wir scharf und in Farbe. Die dafür genutzten Zapfen sind allerdings nicht sehr lichtempfindlich, aber wenn es hell genug ist, beeinträchtigt das die visuelle Wahrnehmung nicht. Die in der Dunkelheit aktiven Stäbchen hingegen sind sehr viel sensibler, ermöglichen uns aber nur, Grauabstufungen zu erkennen. Und ihre hohe Sensitivität für Licht geht zu Lasten der Sehschärfe. Doch zusammengenommen leisten uns die Sehorgane mit ihrer Kompromissfähigkeit nahezu immer gute Dienste.
Stäbchen
Stäbchen/-/rod cells
Die Stäbchen sind Lichtsinneszellen mit hoher Lichtempfindlichkeit. Sie reagieren schon auf schwaches Licht und sind so für das skotopische Sehen, das Schwarz-Weiß-Sehen und das Sehen in der Dämmerung zuständig. Die Stäbchen liegen gehäuft in den äußeren Bereichen der Netzhaut und vermitteln daher keine große Sehschärfe.
Zapfen
Zapfen/-/retinal cones
Die Zapfen sind eine Art von Fotorezeptoren der Netzhaut. Die drei unterschiedlichen S-, M– und L-Zapfen sind jeweils durch kurz-, mittel und langwellige Frequenzen des sichtbaren Lichts erregbar und ermöglichen so Farbsehen.
Wahrnehmung
Wahrnehmung/Perceptio/perception
Der Begriff beschreibt den komplexen Prozess der Informationsgewinnung und –verarbeitung von Reizen aus der Umwelt sowie von inneren Zuständen eines Lebewesens. Das Gehirn kombiniert die Informationen, die teils bewusst und teils unbewusst wahrgenommen werden, zu einem subjektiv sinnvollen Gesamteindruck. Wenn die Daten, die es von den Sinnesorganen erhält, hierfür nicht ausreichen, ergänzt es diese mit Erfahrungswerten. Dies kann zu Fehlinterpretationen führen und erklärt, warum wir optischen Täuschungen erliegen oder auf Zaubertricks hereinfallen.
Veröffentlichung: am 03.11.2010
Aktualisierung: am 04.11.2016