Frage an das Gehirn

Wie entstehen fokale Dystonien?

Fragesteller/in: Bastian Hillmann

Veröffentlicht: 14.03.2015

Wie entstehen fokale Dystonien zum Beispiel bei Berufsmusikern? Welche Rolle spielen dabei die funktionell unterschiedlichen Strukturen?

Die Antwort der Redaktion lautet:

Antwort von Privatdozentin Dr. Kirsten Zeuner, Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Schleswig-​Holstein, Kiel:

Eine Dystonie ist eine unwillkürliche Verkrampfung von Muskeln, die der Betroffene nicht kontrollieren kann. Das äußert sich beispielsweise in einer unwillkürlichen Drehung des Halses oder in einem Zusammenkneifen der Augen. „Fokal“ bedeutet dabei, dass die Verkrampfung an einer bestimmten Stelle auftritt, also nicht am gesamten Körper. Es ist beispielsweise nur der Hals, das Gesicht oder ein Arm oder Bein betroffen. Die meisten fokalen Dystonien treten im Erwachsenenalter auf.

Wie fokale Dystonien entstehen, ist bislang noch nicht ganz klar. Es gibt verschiedene Vermutungen. Möglicherweise steckt eine genetische Ursache dahinter. Hier sind aber noch nicht die einzelnen Gene identifiziert. Eine andere Möglichkeit ist, dass es bei fokalen Dystonien zu einer Funktionsstörung im Stoffwechsel des Botenstoffs Dopamin im Gehirn kommt. Man geht davon aus, dass die Funktion von Rezeptoren, den Andockstellen von Dopamin, gestört ist.

Eine weitere Theorie setzt an den Basalganglien an. Dabei handelt es sich um Kerne im Mittelhirn, die untereinander in einem Kreislauf komplex miteinander verschaltet sind und Verbindungen sowohl zum Kleinhirn als auch zur Hirnrinde unterhalten. Die Basalganglien spielen eine wichtige Rolle bei der Steuerung von Bewegungen. Ist das Gleichgewicht im Basalganglienkreislauf gestört, kann es zu einer zu starken Erregung oder zu einer zu geringen Hemmung von Nervenzellen kommen. Die Folge wäre eine starke Verkrampfung der Muskeln.

Darüber hinaus gibt es zahlreiche Studien, die eine fehlende Hemmung von Bewegungsimpulsen nachweisen konnten. Um normalerweise eine Bewegung auszuführen und einen Muskel anzuspannen, benötigt man einen erregenden Impuls. Gleichzeitig muss aber der Gegenspieler dieses Muskels gehemmt, und damit entspannt, werden. Die Theorie geht nun davon aus, dass es ein Problem mit dieser Hemmung gibt. Betroffene können möglicherweise nicht einen Muskel anspannen und den Gegenspieler entspannen. Sie spannen beide Muskeln an. Das führt dann zu der Verkrampfung.

Vor allem für Dystonien an Händen und Armen diskutieren Forscher noch eine weitere Möglichkeit. Hier gibt es nämlich eine besondere Gruppe, die nur auftritt, wenn man bestimmte Tätigkeiten wie Schreiben oder Musizieren ausübt. Diese Dystonieform zeigt sich besonders bei Menschen, die diese Tätigkeit extrem häufig ausüben wie Berufsmusiker. Man vermutet nun, dass es durch die wiederholte und häufige Durchführung einer bestimmten Bewegung zu einer fehlerhaften Organisation im Gehirn kommt. Jeder Teil der Hand spiegelt sich in räumlich benachbarten Stellen der sensomotorischen Hirnrinde wider. Bei Betroffenen könnten die Gebiete, die die Finger im Gehirn repräsentieren, vergrößert sein und sich überlappen. Sie haben sich falsch neu organisiert. Die Folge wäre, dass man nicht mehr gezielt einen Finger aktiviert, sondern dass ein benachbarter Finger ungewollt mitaktiviert wird.

Schließlich können fokale Dystonien auch als Folge von Hirnschädigungen wie beispielsweise nach einem Schlaganfall, Gehirnentzündung oder Sauerstoffmangel im Hirngewebe entstehen.

Antwort aufgezeichnet von Christian Wolf.

Auge

Augapfel/Bulbus oculi/eye bulb

Das Auge ist das Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Lichtreizen – von elektromagnetischer Strahlung eines bestimmten Frequenzbereiches. Das für den Menschen sichtbare Licht liegt im Bereich zwischen 380 und 780 Nanometer.

Gen

Gen/-/gene

Informationseinheit auf der DNA. Den Kernbestandteil eines Gens übersetzen darauf spezialisierte Enzyme in so genannte Ribonukleinsäure (RNA). Während manche Ribonukleinsäuren selbst wichtige Funktionen in der Zelle ausführen, geben andere die Reihenfolge vor, in der die Zelle einzelne Aminosäuren zu einem bestimmten Protein zusammenbauen soll. Das Gen liefert also den Code für dieses Protein. Zusätzlich gehören zu einem Gen noch regulatorische Elemente auf der DNA, die sicherstellen, dass das Gen genau dann abgelesen wird, wenn die Zelle oder der Organismus dessen Produkt auch wirklich benötigen.

Dopamin

Dopamin/-/dopamine

Dopamin ist ein wichtiger Botenstoff des zentralen Nervensystems, der in die Gruppe der Catecholamine gehört. Es spielt eine Rolle bei Motorik, Motivation, Emotion und kognitiven Prozessen. Störungen in der Funktion dieses Transmitters spielen eine Rolle bei vielen Erkrankungen des Gehirns, wie Schizophrenie, Depression, Parkinsonsche Krankheit, oder Substanzabhängigkeit.

Basalganglien

Basalganglien/Nuclei basales/basal ganglia

Basalganglien sind eine Gruppe subcorticaler Kerne (unterhalb der Großhirnrinde gelegen) im Telencephalon. Zu den Basalganglien zählen der Globus pallidus und das Striatum, manche Autoren schließen weitere Strukturen mit ein, wie z. B. das Claustrum. Die Basalganglien werden primär mit der Willkürmotorik in Verbindung gebracht.

Cerebellum

Kleinhirn/Cerebellum/cerebellum

Das Cerebellum (Kleinhirn) ist ein wichtiger Teil des Gehirns, an der Hinterseite des Hirnstamms und unterhalb des Okzipitallappens gelegen. Es besteht aus zwei Kleinhirnhemisphären, die vom Kleinhirncortex (Kleinhirnrinde) bedeckt werden und spielt unter anderem eine wichtige Rolle bei automatisierten motorischen Prozessen.

Cortex

Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex

Der Cortex cerebri, kurz Cortex genannt, bezeichnet die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2.

Hemmung

Hemmung/-/inhibition

Die neuronale Inhibition, oder auch Hemmung umschreibt das Phänomen, dass ein Senderneuron einen Impuls zum Empfängerneuron sendet, der bei diesem dazu führt, dass seine Aktivität herabgesetzt wird. Der wichtigste hemmende Botenstoff ist GABA.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

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